Seine Frau. Hanne-Vibeke Holst
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Название: Seine Frau

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Macht-Trilogie

isbn: 9788726569612

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СКАЧАТЬ sein, aber man kann die Menschen nicht nach ihrem Äußeren beurteilen, kleine Liv!«, sagt er und wechselt einen Blick mit Anton Moller, seinem neuen Berater. Sein bisheriger hat glücklicherweise die Konsequenzen gezogen und zum 1. Januar selbst gekündigt. Vittrup ist nahe daran, übermütig zu werden und ein »Frag seine Frau« hinzuzufügen. Aber das wäre unterhalb der Gürtellinie.

      »Nun, Freunde! Zählen wir! Kommt, Kinder!«, sagt er und nimmt Augenkontakt zu Charlottes Zwillingen auf, die schnell begreifen und von ihren Stühlen aus mitzählen. »Zehn, neun, acht, sieben ...«

      Dann ist das neue Jahr da. Die Champagnerkorken knallen. 2001 ist endlich vorbei.

      Er ist draußen, ich weiß nicht wo. Hat das Auto auf den Einstellplatz gefahren und mir gesagt, dass er weg ist. Jetzt haben wir seit vier Stunden 2002, und bis jetzt kommt es mir wie ein Wunder vor, dass wir überhaupt so weit gekommen sind. Nachdem wir um Schamhaaresbreite einem Nachtbus auf der Øster Farimagsgade entgangen sind, wäre es auf der Dronning-Louises-Brücke beinahe schiefgegangen, wo es einen Zusammenstoß zwischen der Polizei und ein paar jungen Leuten gegeben hatte, die ein Auto in Brand gesteckt und mitten auf der Fahrbahn ein Feuer gemacht hatten. Man hat uns angehalten, doch als der Bedienstete ihn erkannte, hat er uns einfach mit allen guten Wünschen für das neue Jahr weitergewunken. So ist das mit ihm. Das Schicksal hält die Hand über ihn, ungeachtet dessen, wie sehr er es herausfordert. Ich sitze im Bademantel in der Küche, rauche und, na ja, stoße mit mir selbst an. Es ist ja kein anderer da, mit dem ich anstoßen kann. Janni hat mir per SMS einen Neujahrsgruß mit Smiley und vielen Küssen von den Kindern geschickt, und Ole-Stig hat gegen eins auf dem Handy angerufen und gefragt, ob wir es nett haben. Supernett, weißt du! Haha! Habe gelogen und gesagt, dass Gert tanzt und nicht ans Telefon kommen kann. Er selbst habe sich köstlich amüsiert, hat er lachend gemeint und gesagt, dass er Brötchen mitbringt. Er liebt Brötchen. Wir haben sie jeden Tag, seit er da ist. Er fährt in vier Tagen, wenn ich ihn nicht überreden kann zu bleiben. Bis dahin wird er es nicht schaffen, mir zu zeigen, wie man einen Computer bedient, das glaube ich jedenfalls. Er hat zu tun, muss seinen dänischen Kollegen beibringen, wie man einen Penis verlängert. Vielleicht könnte er ja mit dem seines Bruders anfangen, haha. Friede sei mit ihm, dem Schwulenarsch, er hat sein Päckchen zu tragen wie wir alle. Uns allen bleibt nichts anderes übrig, als uns selbst zu retten.

      So ist das Leben, denke ich und öffne die Küchentür zu dem nebligen Nachthimmel. Eine verspätete Rakete schießt in die Luft, verschwindet in den Wolken, verpufft und wird zu nichts – wie ich. Zum Teufel mit den Neujahrsvorsätzen und den parfümierten Wünschen für die Zukunft. Was soll ich damit? Nächstes Silvester bin ich ohnehin nicht mehr da. Futsch, verschwunden, wie all die Jahre und die Raketen und alles. Ich brauche jemanden zum Reden. Wünschte, ich könnte jemanden anrufen. Irgendjemanden, der mich davon überzeugen kann, dass es sich lohnt weiterzumachen. Ich gehe zurück in die Küche, schließe die Gartentür. Sie klemmt und muss auf eine ganz besondere Weise angehoben werden, damit man sie schließen kann. Schlendere langsam zum Wandtelefon und drücke die Nummer, die ich mir unbewusst gemerkt habe. 70 20 12 01. Bereue es schon und will auflegen, als der Anrufbeantworter anspringt und mitteilt, dass die Telefonseelsorge von 16 bis 23 Uhr geöffnet hat. Für akute Fälle außerhalb der Öffnungszeiten wird auf die 112 verwiesen. Ich bin kein akuter Fall. Eher ein komischer, denke ich, und lege resigniert auf. Um meinen Mann suchen zu lassen, ist es noch zu früh. Obwohl er das Haus deprimiert verlassen hat. Er hätte uns beide umbringen können in dem Auto. Begegnen sich da unsere Seelen? Treffen sie sich heimlich in der gleichen Sehnsucht, dass alles zu Ende zu sein soll?

      Es ist fast ein Jahr her, seit er das letzte Mal hier war. Er weiß nicht einmal, ob es das Etablissement noch gibt. Ob geöffnet ist und ob sie Zeit für ihn haben. Vielleicht ist Silvester einer der geschäftigen Abende. Er weiß auch nicht, ob die Schwestern noch da sind. Doch zu seiner Erleichterung existiert alles noch. Sie lassen ihn herein, erkennen ihn zwitschernd: »Where have you been?« Und natürlich haben sie Zeit, er muss nur einen Augenblick warten. Fünf Minuten. Sie machen gerade noch den Jacuzzi klar. In der Zwischenzeit kann er an dem Champagner nippen. Schon nach viereinhalb Minuten holen sie ihn und führen ihn in die Suite. Wie sie sich an ein solches Detail erinnern können, ist ihm unklar. Doch unmittelbar, bevor ihm die Tränen in die Augen steigen, beginnen sie, ohne ein Wort zu wechseln, seine Schnürsenkel zu lösen und ihm die Schuhe und Strümpfe auszuziehen. Jede zieht einen Schuh aus. Claire den rechten, Jessica den linken. Schon jetzt, wo ihre schönen mokkafarbenen Hände liebevoll seine Füße massieren, spürt er, wie Wohlbehagen ihn durchströmt. Er schließt die Augen und lehnt sich in dem Himmelbett mit seinem Überfluss an Seidenkissen zurück. Oh Gott, wie sehr er Entspannung braucht. Sich sanften Frauenhänden zu überlassen, schwarzen, heißen Mösen.

      Ich schrubbe die Badewanne so verbissen, dass ich außer Atem komme. Das Email wird langsam alt, es ist schwer, die Ränder ganz wegzubekommen. Für die Fugen zwischen den Fliesen brauche ich eine alte Zahnbürste, die ich in Chlorid und Universalreiniger tauche. Trotzdem lässt sich der schwarzgrüne Schimmel, der sich dort sammelt, nur schwer entfernen. Sonst bin ich ziemlich geschickt im Saubermachen. Wenn es eine dänische Meisterschaft im Saubermachen gäbe, wäre ich unter den Favoriten. Dänische Meisterin im Hausputz. Das ist doch auch etwas. Eine Künstlerin hat einmal Abwasch ausgestellt. Männer finden so etwas provozierend. Genau wie die gebrauchten Damenbinden und die BHs und die verwaschenen Unterhosen, die die Emanzen in den Siebzigern ausgestellt haben. Was habe ich damals gedacht? Vermutlich das Gleiche wie Gert. Dass das ein paar verkrampfte Lesben sind, die einmal von einem Hafenarbeiter durchgefickt werden müssten. In diesem Punkt waren sie sich rührend einig, mein Vater und Gert. Der alte Max hat auch nicht verstanden, warum die Weiber sich so angestellt haben. Sie hatten es doch gut. Nur als sowohl meine Mutter als auch ich mit den anderen Carlsberg-Frauen an der großen Demonstration für gleichen Lohn auf dem Rathausplatz teilnahmen, wurden ihm in seinem Blaumann die Knie weich. Das war das einzige Mal, dass ich mich ihr verbunden gefühlt habe. Als wir da in der riesigen Menge gewöhnlicher Arbeiterfrauen nebeneinander standen und riefen: »Wir wollen den gleichen Lohn! Wir wollen den gleichen Lohn!«, bis wir heiser waren und der Vorsitzenden der Brauereiarbeiterinnen Beifall klatschten, die mit der Faust auf das Rednerpult schlug und erklärte, dass sie kein Abkommen unterschreiben werde, solange die Forderung nach gleichem Lohn nicht erfüllt sei. Ich kann mich noch an die Glut erinnern, die plötzlich in ihren Augen, den Augen meiner Mutter, aufflammte, und ich erinnere mich an ihre Stimme dicht neben mir, erst dünn und zögernd, dann laut und volltönend. An diesem Wintertag, 1971 war das, oder war es 1970?, haben sowohl sie als auch ich und die anderen fünfhundert Frauen zum ersten Mal ein Gespür für die gemeinsame Stärke bekommen, glaube ich. Dass auch wir das Boot steuern können, wenn wir zusammenhalten. Und dranbleiben.

      Aber genau das haben wir nicht getan. Die meisten sind wie sie nach Hause zu ihren Männern gegangen und haben Frikadellen gemacht. Vielleicht hat sie an diesem Tag den Kartoffelbrei etwas lauter auf den Tisch geknallt, vielleicht ist sie sogar so weit gegangen, ihn zu bitten, die Senfgurken selbst zu holen. Doch ansonsten hat man die Politik der Gewerkschaft und den Aufruhr den lautstarken Emanzen überlassen, zu denen ich zur Freude meines Vaters nicht gehörte. Sie haben im Südhafen und bei Carlsberg auch nicht für ihre Sache geworben, soweit ich mich erinnere. Einige von ihnen haben eine Aktion gegen die Miss-Danmark-Wahlen gestartet, die sie als frauenfeindlich bezeichnet haben. Irgendwo gibt es einen Zeitungsausschnitt mit einem Foto von mir und einer Emanze, die ein indisches Tuch als Stirnband und eine große, runde Brille trägt. Ich habe falsche Wimpern, langes, blondes, in der Mitte gescheiteltes Haar und sehe aus wie eine Barbie-Puppe, und obwohl ich eine ordentliche, hochgeschlossene Bluse trage, erinnere ich mich daran, als hätte ich nur einen Bikini angehabt. Sie hat mich verunsichert, obwohl es das erklärte Ziel der Aktion war, »mit den Kandidatinnen der Miss-Danmark-Wahlen ins Gespräch zu kommen«. Hätte ich mich damals nicht so heruntergemacht gefühlt, wäre ich ihnen gegenüber vielleicht offener gewesen. Wäre ihnen vielleicht gefolgt und hätte den Sommer im Frauencamp auf Femø verbracht, statt in den Diskotheken der Westküste Go-go zu tanzen und den Hintern für geile Böcke zu schwingen, die so die Emanzipation der Pornografie feierten. Und vielleicht läge ich dann auch nicht СКАЧАТЬ