Seine Frau. Hanne-Vibeke Holst
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Название: Seine Frau

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Macht-Trilogie

isbn: 9788726569612

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СКАЧАТЬ viele der gemeinen Parteimitglieder nachts ruhiger schlafen würden, wenn der inzwischen weltberühmte »most wanted«-Anführer des al-Qaida-Netzwerks, Osama bin Laden, gefasst wäre, tot oder lebendig. Nicht weil er so einfältig ist zu glauben, dass mit dem saudischen Mastermind hinter Gittern Ruhe und Frieden einkehren würden. So, wie er die Situation versteht, befindet sich die Welt inmitten eines Wertekampfs zwischen dem Westen und dem Islam, der viele Jahre lang die politische Tagesordnung prägen wird. Es wird zu weiteren Terrorakten kommen, und es gibt keine rationale Begründung, warum Dänemark in dieser Hinsicht verschont bleiben sollte. Es hat einfach eine epochale Wende gegeben, einen historischen Bruch, was viele noch nicht begriffen haben. Und was er natürlich nicht einmal im Traum laut aussprechen würde. Denn Führung hat schließlich in hohem Grad damit zu tun, Sicherheit zu schaffen, das heißt, die Illusion von Sicherheit. Und wie schafft man diese Illusion? Indem man die Muskeln spielen lässt.

      Und als die radikale Jugendorganisation Hizb ut-Tahrir während einer Versammlung in der Nørrebro-Halle den USA und allem, was an westliche Werte erinnert, den Dschihad erklärt hat, hat er auch nicht mit einer ausdrücklichen Verurteilung der radikalen Muslime gezögert, die er mehr oder minder direkt aufgefordert hat, das Land zu verlassen. Was – aus verschiedenen Gründen – zu gewissen Unstimmigkeiten in der Fraktion geführt hat, von Pers und Meyers Brüskiertheit über seinen Sologang bis hin zu Charlottes hitziger Anklage des Rechtsopportunismus. Vielleicht hätte sie die Diskussion sogar gewonnen, denn große Teile der Fraktion teilten ihren Standpunkt, hätte sie nicht, wie üblich, in ihrer Hitzigkeit zu viele Bälle ins Spiel gebracht. Sie war wie vor den Kopf geschlagen, als er sie, ohne die Stimme zu erheben, abgekanzelt und als »himmelschreiend naiv, an der Grenze zur Dummheit« bezeichnet hat. »Sich einzubilden, diese Art von Extremisten mithilfe sozialpädagogischer Maßnahmen und Kaffeekränzcheneinladungen eliminieren zu können, ist nicht nur falsch, sondern unverzeihlich mit dem Wissen, über das wir heute verfügen«, hat er geschmettert. Und sie lag völlig falsch, als sie glaubte, die Oberhand durch die Frage zurückzugewinnen, ob er den frustrierten Einwandererjungen überhaupt etwas anderes zu bieten habe als »null Toleranz« und »Auge um Auge, Zahn um Zahn«. »Wird das deiner Meinung nach präventiv wirken in Bezug auf die Front zwischen ›ihnen‹ und ›uns‹, die für alle sichtbar langsam aufgebaut wird, nicht zuletzt durch die Mitwirkung der Sozialdemokratie! Soll ich unseren kurdischen Gemüsehändler jetzt als potenziellen Terroristen betrachten?« Und als er knapp mit einem »Ja, das sollst du« geantwortet hat, war das Match gewonnen. Sie schwieg.

      Per hat sich nicht eingemischt, Meyer hat auch den Mund gehalten, und danach erstarben die Proteste. Zumindest für dieses Mal. Seitdem hat es nur vereinzelte Zusammenstöße gegeben, doch die Einwandererpolitik wird zweifelsohne für Turbulenz in der Fraktion sorgen. Und Susanne Branner, die Sprecherin, lässt sich auch langsam nötigen. Sie müssen so schnell wie möglich zu einem Kompromiss kommen, der die Flügel sammelt. Ließe sich Charlotte besänftigen und von der Notwendigkeit überzeugen, den berechtigten Ängsten der Bevölkerung entgegenzukommen, könnte sie eine richtig nützliche Spielerin werden. Doch das erfordert, dass sie zumindest mit ihm spricht. Dass sie einsieht, dass sie sich nicht auf Per verlassen kann. Er wird sie, falls nötig, für einen Schilling verkaufen, und hat sie mehr als einmal hängen- und an einem dünnen Faden über dem Abgrund baumeln lassen. Das kann sie doch nicht vergessen haben, und falls sie es hat, hilft er ihr gern, die Erinnerung aufzufrischen, und wird seinen Beitrag dazu leisten, dass sie die Konflikte der Vergangenheit hinter sich lassen und zu einem freundschaftlichen Umgang finden. Will sie zu einer Toppolitikerin werden, muss sie lernen, dass die persönlichen Beziehungen in der Politik notwendigerweise fließend sind. Man wechselt die Tanzpartner, trennt sich und findet zueinander zurück, wenn neue Konstellationen das erfordern. Anpassungsvermögen ist eine Notwendigkeit, in Feindschaften wie in Freundschaften. Keep your friends close, but your enemies closer. So sind die Regeln auf der Burg. Man muss flexibel sein, sonst lassen sich neue Öffnungen weder sehen noch nutzen.

      »Hast du denn Vorsätze für das neue Jahr«, fragt er deshalb entgegenkommend und bietet ihr eine Zigarette an.

      »Endgültig mit dem Rauchen aufzuhören!«, sagt sie mit einem vielsagenden Blick auf die filterlose Kings. »Außerdem habe ich schon lange den Vorsatz, dir zu sagen, was für ein riesengroßes Arschloch du warst, als du mich bei den Haushaltsverhandlungen hintergangen hast. Wie viele Millionen hast du dem Umweltministerium gestrichen? Ohne mich vorzuwarnen? Zweihundert?«

      »Einhundertachtundneunzig«, berichtigt er sie und gibt ihr Feuer.

      »Lässt sich das noch etwas präzisieren?«, fragt sie und inhaliert, noch immer mit diesem herausfordernden Blick.

      »Wenn du es genau wissen willst: 198 243 314 dänische Kronen«, antwortet er und lächelt.

      »Du bluffst. Du kennst das Budget nicht auf Punkt und Komma auswendig.«

      »Du kannst es gern überprüfen.«

      Sie schlägt mit der Hand auf das Kissen aus Seehundfell neben sich.

      »Das ist doch krank!«

      »Das ist meine Spezialität. Ich liebe Zahlen. Und entschuldige, aber zweihundert Millionen sind nicht viel bei einem Budget von 3,7 Milliarden!«

      Sie zuckt mit den Schultern. Stößt Rauch aus.

      »Was sagst du dann zu 29,2?«, fragt sie herausfordernd.

      »Ein historisch niedriges Wahlergebnis!«

      »Wer trägt die Verantwortung?«

      »Da sind wir uns doch einig.«

      »Was sollen wir jetzt machen?«

      »Aus unseren Fehlern lernen.«

      »Welche Fehler haben wir begangen?«

      »Verschiedene.«

      »Welcher war der größte?«

      »Sag mal, ist das ein Verhör? Mit einem Lügendetektor!«, ruft er und rutscht unruhig auf dem Stuhl hin und her. Beobachtet, wie die Leute sich im Fernsehzimmer nebenan sammeln.

      Sie lacht. Richtet ihren Ausschnitt. Er ist so tief, dass er den Blick auf einen recht einladenden Brustansatz freigibt. Er mag ihren roten Lippenstift. Und die schwarze Strumpfhose mit Goldschimmer.

      »Vielleicht. Wann sind wir wieder an der Macht?«

      »Das kommt darauf an ...«

      »Worauf?«, fragt sie und lehnt sich ganz über den Sofatisch, sodass er noch tiefer in ihren Ausschnitt sehen kann.

      »Das kommt darauf an, ob wir die richtige Antwort finden.«

      »Die Antwort worauf?«

      »Die Antwort, warum es so schiefgelaufen ist«, er zieht bewusst eine Augenbraue nach oben.

      »Und du hast sie, nicht wahr? Die Antwort?«

      »Warum sollte ich sie haben?«

      »Weil du auf alles eine Antwort hast. Immer. Deshalb wirst du auch so bewundert. Und gefürchtet«, sie kneift die Augen zusammen.

      »Mag sein.« Er lächelt zurückhaltend. »Aber jetzt will ich eine Antwort darauf, wie es meiner Frau geht«, sagt er und reißt sich aus dem Zauberkreis los, den sie plötzlich um ihn gelegt hat. Er hat nicht gewusst, dass sie derartige Fähigkeiten besitzt.

      »Es geht ihr super! Ganz ruhig. Sie amüsiert sich. Per СКАЧАТЬ