Seine Frau. Hanne-Vibeke Holst
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Название: Seine Frau

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Macht-Trilogie

isbn: 9788726569612

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СКАЧАТЬ vor der Flutwelle. Doch jetzt habe nicht ich mich zu dieser Bemerkung erdreistet, sondern sein lieber kleiner Bruder. Deshalb erhebt sie sich nicht, die Welle, begnügt sich mit ein paar kleinen Wellenschlägen, die kalt über mich hinwegspülen, während ich vor seinen Füßen liege.

      »Das kann man hoffentlich umtauschen?«

      »Das weiß ich nicht«, sage ich und richte mich mit dem zusammengeknüllten Papier und dem schwarzen Seidenband in den Händen auf. »Danach habe ich nicht gefragt.«

      »Wenn er es nicht haben will, kaufe ich es. Zum doppelten Preis«, kommt es von Ole-Stig. Nicht sonderlich umgänglich diesmal. Eher wie das warnende Knurren eines Hundes.

      Gert dreht sich halb zu ihm um, und in diesem Augenblick scheint das Wohnzimmer mit dem Weihnachtsbaum, den Kerzen und allem zu kippen.

      »Ich behalte es«, sagt Gert und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Danke, Schatz! Das ist ... nett von dir.«

      Damit steht das Wohnzimmer wieder waagerecht, der Weihnachtsbaum wieder gerade, und der Kaffee scheint nicht mehr aus den Tassen zu laufen. Aber ich fühle mich noch immer so schief wie der Turm von Pisa, den zu besichtigen Touristen aus der ganzen Welt Eintritt zahlen.

      Die letzten selbst verlöschenden Kerzen gehen mit einem Ziiisch aus, die Stille der Nacht senkt sich über das Haus, und die beiden Brüder haben die Hälfte ihrer Cohiba-Zigarren geraucht und sind beim dritten Cognac von Léopold Gourmel angelangt, einem hellen, bernsteinfarbenen Gourmeterlebnis mit einem Hauch Vanille, den Ole-Stig in hohen Tönen lobt, als er sich sagt, dass jetzt der Moment gekommen ist. Jetzt, wo Linda ins Bett gegangen – oder besser geschickt worden – ist, nachdem sie in einem Rausch die Küche aufgeräumt hat, den man back home als skandalös bezeichnen würde. Und obwohl dänische Frauen auch in diesem Punkt freizügiger sind, ist ihm klar geworden, dass seine Schwägerin ganz offensichtlich ein Alkoholproblem hat. Den endgültigen Beweis hat er im Schuppen bekommen, als er das unglückselige Fahrrad geholt hat und beinahe über eine halb volle Flasche Schnaps gestolpert wäre, die über den Betonfußboden rollte. Nicht wenige seiner engsten Freunde, gar nicht erst zu reden von seinem geliebten Bob, haben einen Entzug gemacht – sowohl nach dem Minnesota-Modell wie auch in der Betty-Ford-Klinik –, und das mit positivem Resultat, trotz einiger Rückfälle. Die Prognosen sind vor allem dann vielversprechend, wenn das Problem rechtzeitig erkannt wird und der Süchtige sowie der Mitsüchtige sich ihm stellen. Ob Gert erkannt hat, dass seine Frau trinkt, ist die Frage, um die Ole-Stig wie ein Golfball um die Lochkante kreist, während sein großer Bruder ihm ein weiteres Mal den Provinzialismus der dänischen Innenpolitik im Allgemeinen und die populistische Kaffeekränzchenrhetorik der neuen Regierung im Besonderen darlegt. Er scheint sich nicht viele Gedanken über seine Ehe zu machen, doch Ole-Stig ist sein Ärger nicht entgangen, als er Linda gebeten hat, sich zurückzuziehen. Ja, eigentlich klang es mehr wie ein Befehl, dem sie auch prompt Folge geleistet hat. Im Großen und Ganzen kann Ole-Stig, der Gert freundlich zuhört, sich nicht entscheiden, ob er beruhigt sein oder seine bangen Ahnungen, was das Verhältnis seines Bruders zu seiner Schwägerin angeht, eher bestätigt sehen soll. Obwohl er sie mehr als forschend angesehen hat, hat er keine Spuren physischer Gewalt entdecken können. Außer dass ihr ein Zahn fehlt, oben rechts, den sie durch eine Krone ersetzen lassen sollte, aber das heißt nicht notwendigerweise, dass er ihn ihr ausgeschlagen hat. Allerdings steht außer Diskussion, dass Gert unfreundlich zu ihr ist. Zu unfreundlich, und es schneidet ihm ins Herz zu sehen, wie eingeschüchtert seine früher so toughe Schwägerin inzwischen ist. Wenn er mit ihr allein ist, ist sie noch immer süß, lustig und schlagfertig, und als Profi würde er auch sagen, dass sie sich auffallend gut gehalten hat. Würde sie ihn in seiner Klinik konsultieren, er würde sich damit begnügen, ihr ein blue peeling zu empfehlen, wie das, dem er sich selbst unterzogen hat, und später einmal ein umfassendes Lifting. Ja, erst Restylane, gefolgt von Botox. Doch wie er immer zu seinen Klienten sagt, an der Ausstrahlung lässt sich nichts machen. Die innere Schönheit kann nicht einmal der beste Arzt der plastischen Chirurgie hervorholen. Und die verliert sie langsam. Die Frische, die Vitalität, die sie zumindest früher so hot machte, dass es selbst ihn nicht kalt ließ. Linda war einfach sexy. Nicht verwunderlich, dass Gert, der in seinen von Akne geprägten Teenagerjahren – in denen ihm ein Peeling wirklich gutgetan hätte – nicht gerade der Liebling der Mädchen war, herumstolziert ist wie ein horny cat, als er sie erobert hatte. Miss Danmark, verdammt! Und jetzt haben sie getrennte Schlafzimmer. Traurig. Gert macht auch keinen besonders glücklichen Eindruck, aber das ist vielleicht verständlich, wenn einem gerade der Job vor der Nase weggeschnappt worden ist.

      Eigentlich hat er erst jetzt das Gefühl, dass Gert ein wenig auftaut, wo sie sich mit den Cognacgläsern in der Hand in den tiefen Ledersesseln in Gerts Arbeitszimmer entspannen, das in unangenehmem Ausmaß an das Herrenzimmer ihres Vaters in einer anderen Villa in Frederiksberg erinnert, von den Mogens-Koch-Regalen, dem Børge-Mogensen-Sofa und dem Kaare-Klint-Sessel bis hin zu den Geweihen an der Wand. Er hat Schuhe und Strümpfe ausgezogen, was er immer tut, wenn er entspannen will und sich sicher und wohl fühlt. Gert hat sich nie daran gewöhnt, Schuhe zu tragen. Ole-Stig lächelt ihm wissend zu, löst auch die eigenen Schnürsenkel und streift die Schuhe mit einem ah! ab. Jetzt, wo die Ruhe sich endlich eingefunden hat, ist es da nicht schade, eheliche Scharmützel zur Sprache zu bringen? Von denen Gert zu Recht behaupten kann, dass sie nicht babybrother’s business sind.

      »Kannst du dir vorstellen, wieder einmal auf Safari zu gehen?«, fragt er stattdessen mit einem Nicken zu den ausgestopften Großwildtrophäen hin.

      »Nee, eigentlich nicht«, sagt Gert und folgt seinem Blick. Einem Blick, der sie viele Tausend Kilometer weiter südlich führt bis hinunter in die Massai-Ebene an einem warmen, sonnenflimmernden Tag vor langer Zeit. Einem Blick, der sie zu dem Punkt in der Geschichte zurückführt, an dem sich alles wendete und Gert die Oberhand gewann. Dem Punkt in der Geschichte, als Gert in der Massai-Ebene einen Löwen mit einem Schuss erlegte und ihr Vater anschließend behauptete, ihn selbst erlegt zu haben, obwohl die ganze Jagdgesellschaft Zeuge geworden war, dass er vorbeigeschossen hatte.

      »Hättest du ihn wirklich erschossen?«, fragt Ole-Stig und erinnert sich an den Augenblick, in dem Gert das Gewehr gehoben, auf seinen Vater angelegt und mit einer Stimme wie Trockeneis gesagt hatte, dass die nächste Kugel für ihn sei, wenn er nicht sofort zugab, dass das gelogen war.

      »Ja«, Gert schwenkt den Cognac im Glas. »Das hätte ich.«

      »Tough guy«, nickt Ole-Stig.

      »Meinst du ihn oder mich?«, fragt Gert säuerlich.

      »Ihn! Unseren Vater. Er war ein harter Mann«, sagt Ole-Stig.

      Gert zuckt mit den Schultern.

      »Für Mutter war es schlimm. Und für dich.«

      »Du hast es doch auch abbekommen!«, wirft Ole-Stig ein.

      »Aber ich konnte es aushalten.«

      Schweigend ziehen sie an ihren Zigarren. Ole-Stig hat Schwierigkeiten, seine am Brennen zu halten; als integrierter Lifestyle-Amerikaner hat er schon vor Jahren das Rauchen aufgegeben. Das sollte Gert auch. Zwanzig King ohne Filter pro Tag fordern ihren Preis. Falten, Krebs und Raucherlunge, schön wird das nicht. Hinzu kommen noch die Sonnenschäden aus der Kindheit. Er sollte sich auch auf Hautkrebs testen lassen. Ole-Stig hat damit angefangen, sich Muttermale entfernen zu lassen. Prophylaktisch.

      »Eigentlich glaube ich nicht, dass irgendein Kind das aushalten kann«, ermannt er sich zu sagen. Sie haben noch nie darüber gesprochen. Über die Misshandlungen, die Gewalt. Den Gürtel, die Kleiderbügel. Die Demütigungen. Die Verwirrung darüber, dass der eigene Vater Arzt, Christ und gleichzeitig gewalttätig war. Das passte nicht zusammen. Schon gar nicht in Ole-Stigs empfindsamem СКАЧАТЬ