Seine Frau. Hanne-Vibeke Holst
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seine Frau - Hanne-Vibeke Holst страница 19

Название: Seine Frau

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Macht-Trilogie

isbn: 9788726569612

isbn:

СКАЧАТЬ mit Sicherheit nur von Amerika, als er sagt, dass sie auch gegen die Schwulen sind.

      »Sie sind gegen die Schwulen, die Lesben, die Indianer, die Gewerkschaften, die Abtreibungsärzte, die Feministinnen und die Intellektuellen. Alle Minderheiten erleben das. Unsere Telefone werden abgehört, die Basisdemokraten werden unterwandert, und wenn du sonntags nicht in die Kirche gehst, bist du bereits einer von ihnen. Ein potenzieller Terrorist oder ein enemy of the state. Sie sind so extrem paranoid, dass es schon krank ist. So viel dazu, die mächtigste Nation der Welt zu sein, Gottes gelobtes Land! Ein Terrorangriff, und alles wird zu Staub. Ich glaube wirklich, ich emigriere!«

      »Ja! Komm nach Hause! Du kannst bei uns wohnen! Bob auch! Ihr könnt beide hier wohnen! Oben!«, rappe ich eifrig, zu eifrig, wie ich an Gerts angespanntem Ausdruck sehe. Es ist zwar Weihnachten, aber es gibt Grenzen.

      »Too late, honey«, sagt Ole-Stig mit einem bedauernden Schulterzucken und steht auf. »Hast du ein ordentliches Messer?«

      Yes, ich habe ein ausgezeichnetes, geschliffenes Messer, das mühelos die hervorragende Ente zerteilt, die zu dem hervorragenden Burgunder passt, an dem bei diesem hervorragenden Weihnachtsessen keiner spart. Eigentlich hatte ich geplant, in Maßen zu trinken, doch das Küchengeplauder war trotz allem so stressig, dass die Nervosität wie Fritteusenfett im Magen siedet. Ich habe auch Angst, eine Hitzewelle zu bekommen, die Kerzen geben so viel Wärme ab, dass sich Schweißtropfen unter der Kante meines BHs zu sammeln beginnen. Ich habe meinen Arzt bereits angefleht, mir Hormone zu geben, bin bereit, das Risiko eines Blutpfropfens in Kauf zu nehmen. Der Arzt hat nicht begriffen, warum ich so versessen darauf bin, Östrogene zu schlucken. Ich bin schließlich nicht in der Situation vieler Karrierefrauen mittleren Alters, die sich ihr ganzes Curriculum Vitae verderben können, wenn sie bei einer PowerPoint-Präsentation eine Hitzewallung bekommen – wie Condee bei einer Besprechung im Oval Office, stelle ich mir vor –, ich kann nach Hause gehen und durchschwitzen, was ich will. Mein Arzt ist nicht besonders fantasievoll, oder vielleicht verkraftet er einfach keine Patientinnen mit Problemen, deshalb gehe ich auch weiter zu ihm. Er fragt nie nach, auch nicht, wenn ich ein weiteres Mal mit einer gebrochenen Rippe komme, da ich »die Treppe hinuntergefallen bin«, oder Blut im Urin habe, weil die Nieren bei »einem Tritt von einem Pferd« zu Schaden gekommen sind. Deshalb hat er auch nicht genug Fantasie, sich vorzustellen, dass ich ein sehr viel größeres Risiko eingehe, wenn ich in Gegenwart meines Mannes Hitzewallungen bekomme, als wenn ich Hormone schlucke. Denn Gert ekelt sich vor meinen Hitzewallungen, die er als Provokation ansieht, und wenn ich während des Weihnachtsessens eine bekäme, fände er das so unappetitlich, dass er ohne Zweifel aufstehen und den Tisch verlassen würde. Selbst in Gegenwart seines Bruders.

      Dank des Sterns von Bethlehem und vor allem dank der himmlischen Empathie meines Schwagers, die ihn demonstrativ den Schlips lösen und Gert bitten lässt, die Tür zum Garten zu öffnen, kann ich die Katastrophe abwenden, indem ich mir die Oberlippe mit dem Tellerdeckchen trocken tupfe und den obersten Knopf meiner mit Applikationen verzierten Seidenbluse öffne. Doch meine Nervosität bekomme ich nicht so leicht in den Griff, denn jetzt dauert es nicht mehr lange, bis wir die Geschenke austauschen. Es ist das Fahrrad, das mich nervös macht. Ob es ihm gefällt? Oder ob es total falsch ist? Als ich den Mandelreis auf den Tisch stelle und die Portionen verteile, tue ich das mit dem stillen Gebet, dass Gert die Mandel bekommt. Nicht weil er auch nur im Mindesten an dem Marzipanschwein mit der roten Schleife interessiert wäre, das für alle sichtbar auf dem Tisch steht, sondern weil ich weiß, wie sehr er es hasst, eine Trophäe, welcher Art auch immer, nicht zu gewinnen. Ole-Stig weiß das auch, doch dann fährt trotzdem ein kleiner Teufel in ihn, denn offenbar hat er nicht vor, Gert kampflos den Sieg zu überlassen. Es endet damit, dass die beiden sich jeder durch vier Portionen essen, bevor ich meine Chance gekommen sehe, die Mandel, die in meiner Portion war, in einen kleinen Klacks auf Gerts Teller zu schummeln. Ole-Stig sieht es sofort und schreit Das ist Betrug!, doch Gert führt schnell den Löffel zum Mund, um dann schamlos zu behaupten, der rechtmäßige Gewinner zu sein. Ein edler Gewinner, der das Schwein sofort an Ole-Stig weitergibt, mit einem nachsichtigen Verderben wir dem Kind nicht den Spaß!

      »Dem Kind!«, quäkt Ole-Stig. »Who the fuck ist hier das Kind! So ist er immer gewesen«, beklagt er sich theatralisch bei mir, und ich lache und sage: »I know!«

      Gert gluckst und hebt das Portweinglas, und Ole-Stig schüttelt gutmütig den Kopf und bringt ein Skål auf die Abwesenden aus – unter anderem auf die toten Eltern und den lebenden Bob, mit dem er mindestens zweimal am Tag lange Telefongespräche führt. Noch immer guter Laune macht Gert den Weihnachtsbaum an, den Ole-Stig und ich gestern gekauft und heute Vormittag geschmückt haben, während Gert kurz in der Burg war, und ich stehe vom Tisch auf und setze Kaffee auf und stürze eilig zwei Gläser mit Rotwein hinunter, um die Panik zu dämpfen, die mich durchströmt. Warum habe ich nicht einfach nur ein Buch oder ein paar Handschuhe oder etwas anderes, weniger Ausgefallenes gekauft? Es wäre besser gewesen, wenn wir die Geschenke ganz abgeschafft hätten. Weniger peinlich für uns beide. Denn was mag er für mich gekauft haben? Noch einen Satz Unterwäsche, die er dann zerreißt, wenn sich die Gelegenheit bietet?

      Mit steifen Schritten kehre ich, das Kaffeetablett in den Händen, ins Wohnzimmer zurück. Und lasse es vor lauter Entzücken beinahe fallen, als ich den angezündeten Weihnachtsbaum sehe. Alle elektrischen Lampen sind ausgeschaltet, und Frank Sinatra singt wieder. Gert dreht sich zu mir um und lächelt, und Ole-Stig nimmt mir das Tablett ab und stellt es auf den Sofatisch.

      »Ist das schön!«, rufe ich und bleibe stehen und sehe mir blinzelnd den Baum an. Wann haben wir zuletzt einen Baum gehabt, der bis zur Decke reichte? Vor zehn Jahren? Vor fünfzehn? Jedenfalls nicht mehr, seit wir aufgehört haben, mit unseren Familien Weihnachten zu feiern.

      Ole-Stig besteht darauf, dass wir um den Baum tanzen, und obwohl Gert sich weigert, endet es damit, dass wir um ihn herumgehen und einander an den Händen halten. Ole-Stig hat Frankieboy abgestellt und singt jetzt selbst – und was immer man über ihre Kindheit in der Missionsstation sagen mag, die Weihnachtslieder haben sie in der Sonntagsschule gelernt. Einige werden auf Englisch gesungen, doch das spielt für mich keine Rolle. In meiner Familie waren wir nie sonderlich weihnachtsliedfest, sodass ich ohnehin nicht viele Strophen der dänischen Versionen kenne. Ich lausche auch lieber den aufeinander abgestimmten Baritonen der beiden Männer, die Silent Night singen, dass die Fensterscheiben beschlagen und die Götter sich einfach erbarmen müssen. Und ich hoffe, das tun sie weiter, die Götter, damit mein Geschenk sich nicht als Katastrophe erweist. Als mein Verschworener holt Ole-Stig das Fahrrad aus dem Schuppen, wo es der freundliche, zu seinem Wort stehende Fahrradhändler auf meine Bitte hin gestern abgestellt hat.

      »Für Gert von seiner Frau!«, liest Ole-Stig laut, als er das Fahrrad ins Wohnzimmer getragen hat. Ich hätte es nicht in Geschenkpapier einpacken sollen. Gert ist sichtlich irritiert, das ganze Papier abwickeln zu müssen, deshalb eile ich ihm mit einer Schere zu Hilfe und mache es für ihn, während er stumm zusieht.

      »Ein Fahrrad«, sagt er schließlich nüchtern, als ich es von dem Goldpapier befreit habe.

      »Ein Raleighrad«, sage ich. »Mit Trommelbremse. Gebraucht ... So eins, wie du es einmal gehabt hast ... damals, als wir jung waren, meine ich ... Ich dachte ...«

      »Cool!«, sagt Ole-Stig und betätigt die Klingel. »Ein Vintage-Modell! Die bekommt man in den USA fast gar nicht!«

      »Ich hatte eigentlich an ein Rennrad gedacht«, sagt Gert. »Ein Mountainbike. Das hier hat so etwas Altväterliches, nicht?«

      Ole-Stig schüttelt zungenschnalzend den Kopf. Klopft Gert auf die Schulter.

      »Granny, let’s face it! Wir sind schließlich im Großvateralter. Auch wenn wir keine Enkelkinder haben!«

      Ich bücke mich schnell, sammle das um seine frisch geputzten Lloyd-Schuhspitzen СКАЧАТЬ