Название: Pinien sind stumme Zeugen
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711727003
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»Freut mich für Sie«, erwidert er in gekonnter Selbstironie. »Sie meinen, ich rutsche dabei aus?«
»Ich fürchte es.«
»Sie genießen es«, stellte er klar.
»Das auch«, bestätigt die Schwarzhaarige mit dem Madonnenscheitel und den rehbraunen Augen in dem sündteuren Pariser Reisekostüm; sie ist höchstens 27, vielleicht auch jünger, jedenfalls eine Verführerin wie aus dem Bilderbuch.
Sie lachen beide. Steel erhebt sich.
»Dürfte ich mich an Ihrer Seite niederlassen?« fragt er dann.
»Das werden Sie hübsch bleiben lassen«, versetzt sie und garniert die Abweisung mit einem Lächeln. »Ich rieche Ihre Bourbon-Fahne bis hierher.«
»Heavens«, erwidert der Heimkehrer. »Sie sind ja schlimmer als Colonel Highsmith – doch auch jünger und schöner und überhaupt …« Das dritte Lob läßt er offen, während er auf die Mitreisende zugeht, um sich neben sie zu setzen. »Steel«, stellt er sich vor.
»Mrs. Sandler«, erwidert sie. »Meine Freundinnen nennen mich Gipsy.«
»Dann hoffe ich, Sie auch bald so nennen zu dürfen, Mrs. Sandler«, entgegnet er.
»Und Sie meinen, Sie schaffen das bis New York?«
»Ich meine gar nichts«, antwortet der Passagier.
»Sie versuchen es höchstens.«
»Allerdings.«
»Sie wechseln ziemlich schnell das Ziel Ihrer Aufmerksamkeit.«
»Ich bin ein einsamer Heimkehrer«, erwidert er. »Vielleicht kann ich mich verbessern. Wissen Sie, Mrs. Sandler, die Zeit, die man für ein hübsches Mädchen aufbringt, läßt einen womöglich eine schöne Frau versäumen.«
»Mein Gott, Sie reden wie ein Ölscheich, der die Damen zu Bauchtänzerinnen macht.«
»Bauchtänzerinnen wären mir zu fett«, entgegnet der Mann, nun ganz in seinem Element. »Ich schätze Ladies, die eine so gute Figur haben wie Sie …«
»Und Miß Copperfield«, ergänzt sie.
»Und Miß Copperfield«, erwidert der Ex-Captain tapfer.
»Dann würde ich an Ihrer Stelle den unterbrochenen Flirt fortsetzen.«
»Jetzt sitze ich an Ihrer Seite, Mrs. Sandler.«
»Das wird Ihnen nur nichts einbringen«, weist ihn seine Nachbarin zurecht. »Bei der hübschen Bordfee übrigens auch nicht.«
»Warum?«
»Nur Narren flirten während des Flugs mit Stewardessen«, entgegnet sie. »Sie glauben doch nicht im Ernst, daß diese Mädchen ohne Grenzen am Ziel noch auf irgend etwas Lust haben. Stundenlang Kinder wickeln, Kotztüten wegbringen, zweideutige Angebote männlicher Mitreisender abschlagen, während eines Sturmflugs trotz eigener Ängste die in Panik geratenen Passagiere beruhigen – und dabei noch lächeln. Schöner Traumberuf! Und dann sitzen sie in einem Nest am Ende der Welt in einer Wellblechbaracke bei 45 Grad im Schatten, den es nicht gibt, und dürfen zur Belohnung mit dem Flugkapitän schlafen, der natürlich verheiratet ist.«
»Sie wissen aber verdammt gut Bescheid.«
»Kunststück«, entgegnet sie. »Schließlich war ich einmal Stewardeß, bevor ich Mr. Sandler kennenlernte. Auf dem Flug natürlich. Er roch genauso nach Bourbon wie Sie. Er war Alkoholiker …«
»Und was tun Sie jetzt?« fragt Steel.
»In erster Linie lebe ich von der Scheidungs-Apanage.«
»Sehen Sie – Alkoholiker haben auch ihr Gutes …«
»Außerdem arbeite ich noch in der Werbebranche – schon wegen der Reisen ins Ausland: Frankreich, Italien, Schweiz, und wenn es mit dem Aufstieg so weitergeht, bald auch Westdeutschland.«
»Entschuldigen Sie meine Schnoddrigkeit, Mrs. Sandler!« erwidert der zivile Offizier. »Ich hab’ vielleicht doch einen Bourbon zuviel getrunken. Fünf Jahre US-Army«, setzt er als Milderungsgrund hinzu. »Geben Sie mir eine Chance, und ich bleibe ganz nüchtern.«
»Chance zu was?«
»Ihnen meine Enthaltsamkeit vorzuführen.«
»Bitte«, entgegnet die schwarze Madonna, »versuchen Sie Ihr Glück.« Sie nimmt sich eine Zigarette; er gibt ihr beflissen Feuer. »Wo werden Sie in New York wohnen?« fragt sie ihn wie beiläufig.
»Im ›PIaza‹-Hotel«, erwidert er. »Die Alternative wäre eine Kaserne. Ich werde nämlich erst in ein paar Tagen aus der US-Army verabschiedet. Und wo beziehen Sie Quartier?«
»Im ›Plaza‹«, versetzt sie lachend. »Ich steige immer im ›Plaza‹ ab, wenn ich in New York bin.«
Sie trinken eine Flasche Champagner auf den glücklichen Zufall.
Nach der ersten Zwischenlandung sagt er Gipsy zu der schönen Mitreisenden.
»Was werden Sie als Zivilist anfangen, Bob?« fragt sie ihn.
»Da hab’ ich mir noch keine Gedanken gemacht. Jedenfalls leben: Golf und Tennis spielen, reisen, Geld ausgeben und …«
»Sie müssen ja der reinste Nabob sein«, unterbricht sie ihn lachend.
»Vielleicht geh’ ich auch in die Luft und werde Sportpilot«, ergänzt er sein Programm. »Schnelle Autos und …«
»Schöne Frauen.« Die dunkle Attraktion gibt ihm das Stichwort.
»Wenn Sie wollen«, entgegnet Steel und sieht ihr fest in die Augen, »können Sie mein Singular werden.«
»Sie lacht lauthals. »Der Schampus bekommt Ihnen nicht«, stellt Mrs. Sandler fest. »In diesem Zustand versprechen Sie wohl alles, wie?«
Die nächsten Stunden verbringen sie abwechselnd flirtend und schlafend.
Sichtlich ermüdet erreichen Sie New York und fahren mit einem gemeinsamen Taxi ins ›Plaza‹.
Beide haben Zimmer vorbestellt.
Sie erhalten die Schlüssel, gehen rasch auseinander.
Morgen ist auch noch ein Tag, und für diesen haben sie sich um fünf Uhr p. m. in der Bar verabredet.
Die Brandmeldung des Geheimdienstes erreicht den amerikanischen Präsidenten zur Unzeit, Ende Oktober, zwei Tage vor der Schlußveranstaltung seines Wahlkampfs in New York. Als der Politiker erfährt, daß unter Umständen dem Dollar der Kollaps droht, läßt er seinen Sonderzug stehen und fliegt am späten Abend heimlich nach Washington zurück, um sich mit den Übermittlern der Hiobsbotschaft zu treffen.
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