Deutsche Geschichte. Ricarda Huch
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Название: Deutsche Geschichte

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Sachbücher bei Null Papier

isbn: 9783962817725

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СКАЧАТЬ Die den Fürs­ten un­ter­wor­fe­nen Land­städ­te be­dan­gen sich, wenn sie un­ab­hän­gig ge­nug wa­ren, aus, nur so weit Kriegs­fol­ge leis­ten zu müs­sen, dass sie abends wie­der hin­ter ih­ren Mau­ern sein konn­ten. Der Bür­ger wur­de zu ei­nem runde­ren, viel­sei­ti­ge­ren Men­schen, als die an­de­ren wa­ren; in ihm mün­de­ten die ver­ein­zel­ten Kul­tur­strö­mun­gen, bis schließ­lich das Ide­al des vollen­de­ten, des hu­ma­nen Men­schen ent­stand, der frei aus den Schran­ken des Stan­des, der Na­ti­on, der Kon­fes­si­on her­vor­tritt, aber doch ge­bun­den bleibt durch das Ge­fühl und Be­wusst­sein der Men­sch­lich­keit.

      Noch im­mer gab es Klös­ter im Rei­che, die die Wis­sen­schaft pfleg­ten, und sol­che, die die Wild­nis kul­tur­fä­hig mach­ten, Klös­ter, in de­nen die un­ver­hei­ra­te­ten Töch­ter des Adels sich in die Ge­heim­nis­se Got­tes ver­senk­ten, kunst­vol­le Sti­cke­rei­en aus­führ­ten, from­me Be­trach­tun­gen nie­der­schrie­ben. An­de­re Klös­ter er­reg­ten durch Aus­ge­las­sen­heit oder Faul­heit Är­ger­nis, und auch die bes­ten wa­ren nicht mehr die ein­zi­gen Ster­ne, von de­nen Licht und Wär­me aus­gin­gen. Der Wan­de­rer, der im 12. und 13. Jahr­hun­dert durch das Reich pil­ger­te, fand Schutz und Her­ber­ge in den Städ­ten. Zu den al­ten Rö­mer­städ­ten am Rhein und an der Do­nau, zu den von den Ot­to­nen ge­grün­de­ten Städ­ten am Ran­de des Har­zes wa­ren vie­le neue ge­kom­men. Nach­dem die großen Städ­te­grün­der, die Zäh­rin­ger und Hein­rich der Löwe, das Bei­spiel ge­ge­ben hat­ten, als die Fürs­ten ge­se­hen hat­ten, wel­che Vor­tei­le sich aus ver­kehrs­rei­chen Plät­zen zie­hen lie­ßen, be­ei­fer­ten sich alle, in ih­rem Ge­biet schon be­ste­hen­de An­sie­de­lun­gen zu Städ­ten zu er­he­ben oder neue an­zu­le­gen. Die Städ­te wa­ren sehr klein, man­che nicht viel grö­ßer als ein ein­zel­nes großes Klos­ter. Sie hat­ten etwa 3000 bis 4000 Ein­woh­ner, die größ­ten nicht mehr als 15 000 oder 20 000. Man­che be­stan­den aus ei­nem al­ten Dorf, mit dem ein Markt ver­bun­den wur­de, man­che aus meh­re­ren Sie­de­lun­gen, die all­mäh­lich durch Mau­ern zu ei­nem Gan­zen ver­bun­den wur­den. Die Stadt Braun­schweig zum Bei­spiel be­stand aus fünf Städ­ten: der ur­sprüng­lich dörf­li­chen Al­ten Wiek, der Alt­stadt, dem von Hein­rich dem Lö­wen ge­grün­de­ten Ha­gen, der Neu­stadt und dem Sack. Jede von ih­nen hat­te ih­ren Bür­ger­meis­ter, ihr Rat­haus, ihre Kir­chen. Den Mit­tel­punkt al­ler Städ­te, wenn auch nicht im­mer den to­po­gra­fi­schen, bil­de­te der Markt, ihr Herz, wo die Ver­kehrs­adern aus­gin­gen und mün­de­ten. Dort wur­den Le­bens­mit­tel und an­de­re Wa­ren zum Ver­kauf aus­ge­legt. Er war um­rahmt vom Rat­haus, von den vor­nehms­ten Gil­de­häu­sern und den Häu­sern der rei­chen Kauf­leu­te; zu­wei­len glie­der­te auch das Rat­haus, mehr oder we­ni­ger in der Mit­te lie­gend, den Platz. Der Rechts­schutz, der vom Kö­nig den Kauf­leu­ten, die den Markt be­su­chen woll­ten, ver­lie­hen wur­de, stell­te den Markt un­ter Kö­nigs­frie­den, mach­te ihn zu ei­ner Stät­te, wo ohne Ver­zug Recht ge­sucht und ge­fun­den wer­den konn­te. Der recht­li­che Cha­rak­ter des Mark­tes wur­de durch ein Kreuz be­zeich­net, wie sich ein sol­ches noch auf dem Markt in Tri­er be­fin­det; es ist von ei­ner Gra­nit­säu­le ge­tra­gen und zeigt in der Mit­te das Got­tes­lamm. Spä­ter sym­bo­li­sier­ten den Rechts­ge­dan­ken im Nor­den des Reichs die selt­sa­men Ro­lands­fi­gu­ren, die, soll­ten sie auch mit an­de­rer Be­deu­tung ent­stan­den sein, im hö­he­ren Mit­tel­al­ter als Sinn­bild der Rechts­ho­heit der Stadt an­ge­se­hen wur­den. Wenn ein Fürst sich eine freie Stadt un­ter­warf, pfleg­te er wohl den Ro­land zu zer­schla­gen, zum Zei­chen, dass nur er, nicht mehr die Stadt, Ge­richts­herr sei. Die stei­ner­nen Rie­sen in Zerbst, Hal­ber­stadt, Bre­men, Rit­ter mit ed­lem lo­cki­gem Haupt, die das Schwert ge­ra­de auf­ge­rich­tet in der Hand hal­ten, stam­men aus dem 15. Jahr­hun­dert und sind Nach­bil­dun­gen äl­te­rer Fi­gu­ren aus Holz, die bei ei­nem Brand oder sonst zu­grun­de ge­gan­gen wa­ren. Zu­wei­len fan­den Hin­rich­tun­gen vor dem Ro­lands­bil­de statt. Die Ge­richts­sit­zun­gen wur­den an­fangs un­ter frei­em Him­mel ab­ge­hal­ten, spä­ter, als es Ra­täu­ser gab, un­ter den of­fe­nen Lau­ben der­sel­ben und noch spä­ter in ei­nem Saal im In­nern des Hau­ses. Das äl­tes­te er­hal­te­ne Rat­haus soll das der Un­ter­stadt von Geln­hau­sen sein; es ist ein schlich­ter ro­ma­ni­scher Bau, von dem man an­nimmt, dass er im Jah­re 1170 ent­stan­den ist. Wäh­rend die Markt­plät­ze der al­ten ge­wach­se­nen Städ­te sehr ver­schie­den­ar­tig, ma­le­risch ge­glie­dert sind, hat die Re­gel­mä­ßig­keit der öst­li­chen Ko­lo­ni­al­städ­te, die alle nach dem glei­chen Mus­ter an­ge­legt sind, zu­wei­len et­was Ödes. Wie schön auch die­se sein kön­nen, be­wei­sen die Märk­te von Bres­lau, im­po­nie­ren­de saalar­ti­ge Plät­ze, de­ren ei­ner durch die fa­bel­haf­te Pracht des Rat­hau­ses be­lebt wird. Eine un­er­schöpf­li­che Er­fin­dung hat im Nor­den, Sü­den, Os­ten und Wes­ten des Reichs Ra­täu­ser von ver­schie­den­ar­ti­gem Reiz auf­ge­rich­tet. Wie ein wohl­lau­ten­der Reim der Pfarr­kir­che Sankt Mar­tin ge­gen­über um­ran­det das Braun­schwei­ger Alt­stadt-Rat­haus die Ecke des Plat­zes, zier­lich und schnur­rig ist das von Os­te­ro­de am Harz, das von Mi­chel­stadt im Oden­wal­de, fan­tas­tisch präch­tig sind die nor­di­schen Zie­gel­bau­ten von Stral­sund, von Tan­ger­mün­de, bäu­er­lich be­hä­big die schwä­bi­schen und frän­ki­schen Fach­werk­häu­ser. Im In­ne­ren füh­ren schön­ge­schwun­ge­ne Holz­trep­pen zu den Sä­len, wo die Rats­män­ner ta­gen, wo bald die Tä­fe­lung der Wän­de wohn­li­che Stim­mung, bald Ma­le­rei das Ge­fühl er­ha­be­ner Fei­er­lich­keit ver­brei­tet. Die Ra­täu­ser, de­ren Schön­heit wir jetzt be­wun­dern, sind eben­so wie fast alle die Wohn­häu­ser, die er­hal­ten sind, erst um die Wen­de des 15. Jahr­hun­derts oder spä­ter er­rich­tet. Im he­ro­i­schen Zeit­al­ter der Städ­te wa­ren die meis­ten Häu­ser nied­rig, eng, mit Stroh ge­deckt, nur ei­ni­ge Rei­che und Mäch­ti­ge bau­ten sich stei­ner­ne, tur­mar­ti­ge Häu­ser, in de­nen sie das recht hat­ten, sich mit den Waf­fen zu ver­tei­di­gen, so­dass das Wort galt: mein Haus ist mei­ne Burg. Kunst und kost­ba­re Aus­stat­tung wur­den ver­schwen­de­risch auf die Kir­che ver­wen­det, das Haus Got­tes und das Haus al­ler Bür­ger. Die Pfarr­kir­che lag ge­wöhn­lich et­was ab­seits vom Mark­te, aber so, dass die Tür­me den Platz be­herr­schen; der Lärm des Ver­kehrs soll die An­dacht nicht ver­wir­ren. Schau­er­li­ches Schwei­gen, küh­le Däm­me­rung, in die es glü­hend tropft aus den bun­ten Fens­tern, um­fängt den Be­ter. Von den Pfei­lern bli­cken die großen Hei­li­gen, die kämpf­ten und lit­ten und nun in ewi­ger Glo­rie woh­nen, rings­her­um lie­gen die To­ten, Söh­ne der Stadt, ru­hend von ih­rer Ar­beit. Hier be­ginnt das Drü­ben, wo alle Rät­sel ge­löst, alle Sün­den ge­tilgt, alle Trä­nen ge­trock­net wer­den. Vom Turm läu­tet die Glo­cke, die der städ­ti­sche Meis­ter ge­gos­sen hat; je­der Bür­ger kennt ihre Stim­me wie die Stim­me ei­ner Mut­ter. Wei­ter ent­le­gen vom Markt steht in den grö­ße­ren Städ­ten der Dom, die Kir­che des Bi­schofs, und ste­hen in fast al­len die Kir­chen der Fran­zis­ka­ner und Do­mi­ni­ka­ner.

      Wenn der Kai­ser sei­ne Reichs­stadt be­sucht, wird er zu­erst in die Kir­che ge­führt, abends viel­leicht in ein Gil­de­haus oder in das Hoch­zeits­haus, wo er mit den schö­nen Bür­gers­frau­en tanzt und mit den Rats­män­nern trinkt. Bei ei­nem be­son­ders an­ge­se­he­nen und wohl­ha­ben­den Bür­ger stieg er ab; Lud­wig der Bayer wohn­te in Nürn­berg bei Hein­rich Wei­gel auf dem Milch­markt oder bei Al­brecht Eb­ner auf dem Salz­markt.

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