Mögen sie von geringerer Ausdehnung erscheinen, wie können sie darum geringfügiger erscheinen? da in jeder Sünde durch Störung der Vernunft und Ordnung gesündigt wird, sobald aber einmal Vernunft und Ordnung gestört worden sind, Nichts hinzutreten kann, wodurch man in höherem Grade zu sündigen scheinen könnte.
Viertes Paradoxon
‘Ότι πα̃ς άφρων μαίνεται.
Jeder Thor ist sinnlos36 Nach der Ansicht der Stoiker zerfallen die Menschen in zwei Klassen: die Weisen und die Unweisen oder Thoren; der Weise ist frei von aller Thorheit, der Unweise entbehrt aller Weisheit. Der Unweise ist sinnlos (verrückt), weil er über sich selbst und das, was ihn zunächst angeht, kein Bewußtsein hat. S. Zeller Griech. Philos. Th. III. S. 142 ff. und Cicer. Tusc. III. 4, 9. Uebrigens sind uns von Cicero's Abhandlung über das vierte Paradoxon nur die ersten Zeilen, und zwar höchst lückenhaft, erhalten. Von den Worten an: »Des Weisen Geist« bis zu Ende wird, wie Caspar. Scioppius in Element. philos. Stoicae moralis p. 77. bemerkt, ein anderes Paradoxon abgehandelt, nämlich: nur der Weise ist ein Bürger, alle Unweisen hingegen Verwiesene..
I. 27. Ich glaube fürwahr, daß du nicht thöricht, wie oft, nicht schlecht, wie immer, sondern verstandlos und unsinnig bist * * *
* * * er kann in Beziehung auf Lebensbedürfnisse unbesiegbar sein * * *
Des Weisen Geist, der mit der Größe seiner Einsicht, mit Ertragung der menschlichen Ereignisse, mit Verachtung des Schicksals, kurz mit allen Tugenden wie mit Mauern umringt ist, sollte besiegt und erstürmt werden, er, der nicht einmal aus dem Staate verwiesen werden kann? Denn was ist ein Staat? Etwa jede Zusammenkunft auch von wilden und ungeschlachten Menschen? etwa jede an einem Orte zusammengescharte Menge auch von Flüchtlingen und Räubern? Sicherlich wirst du »Nein« sagen.
Nicht gab es daher damals37 Cicero meint die Zeit, wo Clodius, sein erbittertster Feind, es durchsetzte, daß er aus Rom verwiesen wurde. Publius Clodius Pulcher war einer der vornehmsten und ruchlosesten Volksaufwiegler und der sittenlosesten Menschen. In der Kleidung einer Zitherspielerin wußte er sich in das Haus der Pompeja, Cäsar's Gemahlin, mit der er ein geheimes Liebesverständniß unterhielt, als daselbst das Fest der Guten Göttin (s. die Anm. 28), zu dem allen Männern der Zugang verboten war, einzuschleichen, wurde aber erkannt und vor Gericht angeklagt. Da er behauptete, er habe sich an diesem Tage gar nicht in Rom aufgehalten, zeugte Cicero gegen ihn, daß er ihn an diesem Tage in Rom gesehen habe. Nichtsdestoweniger wurde er freigesprochen. Von diesem Augenblicke an faßte er den unversöhnlichsten Haß gegen Cicero, und klagte im J. 58 v. Chr. als Volkstribun ihn an, daß er zur Zeit der Catilinarischen Verschwörung Römische Bürger, die vom Volk nicht verurtheilt worden seien, habe hinrichten lassen. Obwol der Senat sich der Sache Cicero's auf das Angelegentlichste annahm, so mußte dieser doch in die Verbannung gehen. Hiermit noch nicht zufrieden, verwüstete er Cicero's Landgüter und riß dessen Haus in Rom nieder. S. Cicer. pro Sestio 24. Aber schon im folgenden Jahre wurde Cicero aus der Verbannung zurückgerufen, und wie im Triumphe zog er durch Italien nach Rom, wo ihm die ehrenvollste Aufnahme bereitet war. S. Cicer. pro Sestio 63. einen Staat, als die Gesetze38 Er meint die lex Aelia et Fufia. S. Orelli Index legum p. 126–131. in demselben keine Geltung hatten, als die Gerichte darniederlagen39 Vgl. Cicer. in Pison. 4, 9. 12, 26. or. post red. ad Quic. 6, 14., als die vaterländische Sitte untergegangen war, als nach Vertreibung der Obrigkeiten durch das Schwert der Senat nur dem Namen nach in der Staatsverfassung, nicht aber in Wirklichkeit bestand40 Nach der scharfsinnigen Muthmaßung von Borgers: senatus nomine in re publica, non re erat statt der handschriftlichen Lesart: senatus nomen in re publica non erat, die auch Halm für verderbt hält.. Jene Zusammenfluß von Räubern und das unter deren Leitung auf dem Forum errichtete Räuberwesen und die Ueberbleibsel der Verschwörungsbande, die sich von Catilina's Furien deiner Frevelthat un deiner Raserei zugewendet hatte: das war der Staat.
28. So wurde ich denn nicht vertrieben aus dem Staate, der keiner war; herbeigerufen aber wurde ich in den Staat, als es in der Staatsverfassung wieder einen Consul41 Im J. 57 v. Chr. unter dem Consulate des Publius Cornelius Lentulus Spinther und des Quintus Cäcilius Metellus Nepos wurde Cicero aus der Verbannung zurückgerufen. Cicero bedient sich hier des Singulars Consul, weil besonders Lentulus seine Zurückberufung betrieb. S. Cicer. pro Sestio c. 33, 72. gab, den es damals nicht42 Cicero wurde unter dem Consulate des Lucius Calpurnius Piso und Aulus Gabinius aus Rom verwiesen; er erkennt sie aber nicht als Consuln an, da sie nicht für die Wohlfahrt des Staates Sorge trugen (consulebant), sondern vielmehr in Gemeinschaft mit dem elenden Clodius die ganze Staatsverfassung vernichteten. S. Cicer. in Pison. 10, 22 sq. gegeben hatte, als es einen Senat gab, der damals untergegangen43 Es gab zwar einen Senat, aber bloß dem Namen nach; denn er hatte keine Geltung, und obwol er sich der Sache Cicero's annahm, konnte er doch seine Verweisung nicht verhindern. war, als eine freie Uebereinstimmung des Volkes herrschte44 Indem das Volk frei und einstimmig meine Zurückberufung verlangte., als Recht und Billigkeit, welche die Bande des Staates bilden, in das Andenken zurückgerufen worden waren.
Und siehe, wie sehr ich die Geschosse deiner Räuberbande verachtet habe. Daß du Pfeile ruchloser Ungerechtigkeit gegen mich geschleudert und abgeschossen hast, der Ansicht bin ich zu jeder Zeit gewesen; daß sie mich aber getroffen haben, das habe ich nie geglaubt; du müßtest dir denn etwa einbilden, damals, als du Wände zertrümmertest, oder als du in Häuser verruchte Feuerbrände hineintrugst45 S. die46 Cicero meint die Zeit, wo Clodius, sein erbittertster Feind, es durchsetzte, daß er aus Rom verwiesen wurde. Publius Clodius Pulcher war einer der vornehmsten und ruchlosesten Volksaufwiegler und der sittenlosesten Menschen. In der Kleidung einer Zitherspielerin wußte er sich in das Haus der Pompeja, Cäsar's Gemahlin, mit der er ein geheimes Liebesverständniß unterhielt, als daselbst das Fest der Guten Göttin (s. die Anm. 28), zu dem allen Männern der Zugang verboten war, einzuschleichen, wurde aber erkannt und vor Gericht angeklagt. Da er behauptete, er habe sich an diesem Tage gar nicht in Rom aufgehalten, zeugte Cicero gegen ihn, daß er ihn an diesem Tage in Rom gesehen habe. Nichtsdestoweniger wurde er freigesprochen. Von diesem Augenblicke an faßte er den unversöhnlichsten Haß gegen Cicero, und klagte im J. 58 v. Chr. als Volkstribun ihn an, daß er zur Zeit der Catilinarischen Verschwörung Römische Bürger, die vom Volk nicht verurtheilt worden seien, habe hinrichten lassen. Obwol der Senat sich der Sache Cicero's auf das Angelegentlichste СКАЧАТЬ