Название: Gesammelte Werke von Cicero
Автор: Марк Туллий Цицерон
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027209569
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I.
1.
O Titus 27, wenn ich dir Hülfe gewähr' und die Sorge dir lind're,
Die jetzt, haftend im Inneren, schmerzlich dich ängstigt und martert;
Wird mir wol eine Belohnung dafür sein 28?
Ich darf ja wol dich, mein Atticus 29, mit denselben Versen anreden, mit denen den Flamininus anredet
Jener Mann 30 von geringem Vermögen, doch treuer Gesinnung;
wiewol ich gewiß weiß, daß nicht, wie Flamininus,
Du dich abhärmest, o Titus, Nächte und Tage mit Sorgen.
Ich kenne ja die Mäßigung deines Gemüthes und deinen Gleichmuth und weiß, daß du nicht allein den Beinamen von Athen heimgebracht hast, sondern auch seine Bildung und Einsicht. Und doch vermuthe ich, daß du, wie ich selbst, von den nämlichen Ereignissen 31 zuweilen sehr heftig beunruhigt wirst. Aber die Tröstung dafür ist zu wichtig und daher auf eine andere Zeit zu verschieben. Für jetzt halte ich es für angemessen Einiges über das Greisenalter niederzuschreiben und dir zu widmen. 2. Denn es ist mein Wunsch, daß die uns beiden gemeinsame Last des schon drückenden oder wenigstens herannahenden Alters 32 sowol dir als mir selbst erleichtert werde, wiewol ich gewiß weiß, daß du wenigstens sie, wie Alles, mit Mäßigung und Weisheit erträgst und ertragen wirst. Allein da ich über das Alter Etwas schreiben wollte, so tratest du mir als der Mann entgegen, welcher dieses Geschenkes würdig wäre, aus dem wir beiden gemeinschaftlich Nutzen ziehen konnten. Mir wenigstens war die Abfassung dieser Schrift so angenehm, daß sie mir nicht nur alle Beschwerlichkeiten des Alters abgestreift, sondern milde sogar und angenehm das Alter gemacht hat. Niemals wird man daher die Philosophie würdig genug preisen können, da Jeder, der ihr Folge leistet, die ganze Lebenszeit ohne Beschwerde hinbringen kann.
3. Doch über andere Gegenstände der Philosophie haben wir schon Vieles gesprochen und werden noch oft darüber sprechen; der Gegenstand der gegenwärtigen Schrift aber, die wir dir gewidmet haben, ist das Greisenalter. Die ganze folgende Unterredung nun haben wir nicht dem Tithonus 33 zugetheilt, wie Aristo aus Keos 34, – denn in einer bloßen Dichtung würde zu wenig Gewicht liegen – sondern dem Greise Marcus Cato 35, damit der Vortrag größeres Gewicht habe. Neben ihm führen wir Lälius und Scipio ein, wie sie ihre Bewunderung aussprechen, daß er das Alter so leicht ertrage, und lassen diesen ihnen hierauf antworten. Solltest du aber meinen, Cato rede hier gelehrter, als er es in seinen Schriften zu thun pflegt; so mußt du dieses der Griechischen Litteratur zuschreiben, mit der er sich bekanntlich in hohem Alter sehr eifrig beschäftigt hat. Doch wozu bedarf es noch weiterer Worte? Denn sogleich wird der Vortrag des Cato selbst unsere ganze Ansicht über das Greisenalter entwickeln.
II.
Scipio.
4. Oftmals pflege ich mit unserem Gajus Lälius hier deine ausgezeichnete und vollkommene Weisheit, Marcus Cato, sowol in allen anderen Dingen zu bewundern, als auch ganz besonders darin, daß du, wie ich bemerkt habe, das Alter niemals beschwerlich findest, das doch recht vielen Greisen so verhaßt ist, daß sie sagen, sie trügen eine Bürde, die schwerer sei als der Aetna 36
‘Α νεότας μοι φίλον άχθος δὲ τὸ γη̃ρας αιεὶ
Βαρύτερον Αίτνας σκοπέλων επὶ κρατὶ κει̃ται.
Cato.
Eine nicht eben schwierige Sache scheint ihr, Scipio und Lälius, zu bewundern. Wer freilich kein Hülfsmittel zu einem guten und glückseligen Leben in sich selbst hat, für den ist jedes Lebensalter beschwerlich; wer hingegen alle Güter in sich selbst sucht, dem kann Nichts als ein Uebel erscheinen, was ein nothwendiges Naturgesetz mit sich bringt. Hierher gehört insbesondere das Greisenalter, das zwar Alle zu erreichen wünschen, sobald sie es aber erreicht haben, anschuldigen 37
’Ωνείδισάς μοι γη̃ρας ως κακὸν μέγα
Οι πάντες επιθυμου̃μεν, ὰν δ' έλθη ποτέ,
’Ανιώμεθ'. Ούτως εσμὲν αχάριστοι φύσει.
Das Alter, sagen sie, beschleiche sie schneller, als sie es gedacht hätten.
Für's Erste, wer hat sie genöthigt etwas Falsches zu denken? Denn wie beschleicht das Greisenalter das Jünglingsalter schneller, als das Jünglingsalter das Knabenalter?
Sodann, wie würde ihnen das Greisenalter minder beschwerlich sein, wenn sie im achthundertsten Jahre ständen als im achtzigsten? Denn das vergangene, auch noch so lange Lebensalter könnte, wenn es verflossen ist, durch keinen Trost das Greisenalter eines Thoren beruhigen.
5. Also wenn ihr meine Weisheit zu bewundern pflegt, – o daß sie doch euerer Meinung und meines Beinamens 38 würdig wäre! – so zeigen wir uns darin weise, daß wir der Natur, der besten Führerin, wie einer Gottheit folgen und gehorchen. Denn es ist nicht wahrscheinlich, daß sie alle andern Rollen des Lebensalters schon vertheilt, den letzten Aufzug aber wie ein ungeschickter Dichter vernachläßigt haben sollte. Es mußte ja nothwendiger Weise Etwas den äußersten Endpunkt bilden und, wie bei dem Obste der Bäume und bei den Früchten der Erde, nach der zeitigen Reife gleichsam welk werden und abfallen. Und dieses muß der Weise mit Ergebung ertragen. Denn wider die Natur kämpfen, ist das was Anderes als nach Art der Giganten mit den Göttern Krieg führen?
Lälius.
6. Nun gut, mein Cato; gleichwol würdest du uns, damit ich auch für Scipio die Versicherung gebe, einen sehr großen Gefallen erweisen, wenn du uns, weil wir ja Greise zu werden hoffen, wenigstens es wünschen. schon lange zuvor über die Mittel belehren wolltest, durch die wir das drückend werdende Alter am Leichtesten ertragen können.