Название: Gesammelte Werke von Cicero
Автор: Марк Туллий Цицерон
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027209569
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Kap. III. (§ 10.) Er begann dann: Du hast doch selbst so viele Bücher; welche suchst Du denn hier? – Ich wollte einige Commentare zu Aristoteles, sagte ich, von denen ich wusste, dass sie hier sind, holen und in der Mussezeit lesen, die uns, wie Du weisst, nicht oft zu Theil wird. – Wie gern, sagte er, hätte ich es gesehn, dass Du zu den Stoikern Dich gehalten hättest; denn wenn irgend Einem, so war es Dir gegeben, nur die Tugend als höchstes Gut anzusehn. – Bedenke, sagte ich, ob es nicht mehr noch Dir zukam, da wir in der Sache einig sind, ihr keinen neuen Namen zu geben; denn unsre Vernunft ist einstimmig, nur unsre Reden bekämpfen sich. – Keineswegs, sagte er, ist jene einstimmige, denn wenn Du neben dem Sittlich-Guten noch etwas Weiteres hinstellst und zu den Gütern rechnest, so löschest Du das Sittliche selbst, das Licht der Tugend, gleichsam aus und zerstörst die Tugend von, Grund aus. – (§ 11.) Dies klingt, mein Cato, sehr erhaben; aber siehst Du nicht, dass der Glanz der Worte mit Pyrrho und Aristo, die Alles gleich machen, theilst? Ich möchte wohl wissen, was Du über diese denkst? – Was ich über sie denke, fragst Du? Ich meine, sie sind wie viele Andre gute, tapfre, gerechte und mässige Männer im Staate gewesen, wie wir dies theils gehört, theils selbst bei solchen gesehn haben. Ohne allen Unterricht, nur der Natur folgend, haben sie viel Lobenswerthes gethan. Die Natur hat sie besser unterrichtet, als die Philosophie es vermocht hätte, wenn sie einer andern als der sich zugewendet hätten, welche das Sittliche allein für ein Gut erklärt und das Schlechte allein für ein Uebel. Alle übrigen philosophischen Systeme rechnen, das eine mehr, das andere weniger, noch Anderes ausserhalb der Tugend zu den Gütern und zu den Uebeln; und damit fördern und befestigen sie nach meiner Meinung unsre sittliche Besserung nicht, sondern verderben nur unsre Natur. Denn wenn man nicht festhält, dass nur das Sittliche ein Gut sei, so kann man in keiner Weise beweisen, dass ein glückliches Leben durch die Tugend erreichbar sei. Sollte dies aber nicht der Fall sein, so wüsste ich nicht, weshalb man sich mit der Philosophie bemühen sollte; könnte ein Weiser unglücklich sein, so würde auch ich die ruhmvolle und gepriesene Tugend nicht für besonders schätzenswerth erachten. –
Kap. IV. (§ 12.) Was Du, mein Cato, bis jetzt gesagt hast, erwiderte ich, könntest Du auch sagen, wenn Du dem Pyrrho und Aristo Dich anschlössest. Denn Du weisst, dass Beide dieses Sittliche nicht allein für das höchste, sondern auch, wie Du willst, für das einzige Gut halten. Ist dem so, dann folgt von selbst, was Du willst, nämlich dass der Weise immer glücklich ist. Billigst Du also deren Ansichten, und meinst Du, wir sollen ihnen folgen? – Keineswegs, sagte er. Denn es ist das Eigenthümliche der Tugend, dass sie unter den der Natur gemässen Dingen eine Auswahl trifft; diese Männer dagegen haben Alles gleich gemacht und alle Gegensätze damit so ausgeglichen, dass keine Auswahl mehr getroffen werden kann und die Tugend selbst aufgehoben ist. – (§ 13.) Du hast hier ganz Recht, sagte ich, aber wirst Du nicht ebenso verfahren müssen, wenn Du neben dem Sittlichen kein Gilt weiter gelten lässt und damit allen Unterschied in den übrigen Dingen aufhebst? – Du hättest Recht, sagte er, wenn ich dies thäte; aber ich lasse einen Unterschied bestehen. – (§ 14.) Auf welche Weise denn? fragte ich. Wenn die Tugend nur eine und nur Eines, was Du das Sittliche nennst, das Rechte, Löbliche und Geziemende sein soll (denn sein Wesen wird bekannter, wenn es mit mehreren, gleichbedeutenden Worten ausgedrückt wird); wenn also, sagte ich, dies das alleinige Gute ist, was habt Ihr da sonst noch Begehrenswerthes? Und wenn es kein Uebel giebt, ausser dem Schlechten, Unsittlichen, Unanständigen, Bösen, Lasterhaften, Scheusslichen (um auch dies durch mehrere Namen kenntlicher zu machen), was kann es da daneben noch geben, was man fliehen müsste? – Du weisst recht gut, erwiderte er, was ich Dir sagen soll; allein es scheint, dass Du aus meiner kurzen Antwort nur Etwas hast herausreissen wollen; ich werde daher auf das Einzelne nicht antworten, sondern, da wir Zeit haben, wenn es Dir recht ist, die ganze Lehre des Zeno und der Stoiker erklären. – Dies ist mir vollkommen recht, sagte ich; Deine Darstellung wird viel zur Aufklärung dessen beitragen, was wir suchen. – (§ 15.) So will ich es versuchen, sagte er, wenn auch diese Lehre der Stoiker ihre Schwierigkeiten und Dunkelheiten hat. Wenn einst in griechischer Sprache die Worte für neue Gegenstände das Verständniss erschwerten und sie nur durch ihren langen Gebrauch geläufig geworden sind, wie wird es da mit unsrer Sprache stehn? – Doch nicht so schlimm, sagte ich. Wenn Zeno für ungewohnte und unbekannte Dinge, die er entdeckt hatte, neue Worte gebrauchen durfte, weshalb sollte dies nicht auch Cato dürfen? Indess ist es nicht nöthig, ein Wort nur durch ein Wort auszudrücken, wie ungeschickte Erklärer pflegen, wenn ein Wort gleichen Sinnes gebräuchlich ist; ich pflege vielmehr, wenn ich nicht anders kann, das eine griechische Wort durch mehrere lateinische auszudrücken. Auch muss es uns dabei gestattet sein, selbst ein griechisches Wort zu gebrauchen, wenn sich kein passendes in unsrer Sprache finden lässt, und man kann dies nicht blos bei den ephittiois und den akratophorois, sondern auch bei den proêgmenois und apoproêgêenois thun, obgleich man letztere mit »Vorgezogene« und »Verworfene« richtig wiedergeben könnte. – (§ 16.) Recht, sagte er, dass Du mir hilfst, und für jene griechischen Worte will ich die von Dir genannten lateinischen brauchen; bei andern magst Du mir helfen, wenn Du merkst, dass ich stocke. – Sehr gern soll es geschehn, sagte ich. Allein das Glück geht mit den Tapfern, deshalb bitte, fange an. Denn es giebt nichts Herrlicheres, was wir besprechen könnten. –
Kap. V. Cato begann hierauf: Jene Männer, denen ich beitrete, sind der Ansicht, dass jedes Geschöpf gleich von seiner Geburt ab (denn damit muss man beginnen) für sich selbst und seine Erhaltung sorgt, indem es das, was seinen Zustand erhalten kann, auch dazu auswählt, während es seinen Untergang und Alles verabscheut, was diesen Untergang herbeiführen kann. Jene Männer beweisen dies damit, dass die jungen Thiere, schon ehe sie den Schmerz und die Lust empfunden haben, das ihnen Heilsame aufsuchen und das Entgegengesetzte verabscheuen, was nicht sein könnte, wenn sie ihren Zustand nicht liebten und ihren Untergang nicht fürchteten; denn sie könnten nichts aufsuchen, wenn sie kein Gefühl von sich selbst hätten und wenn sie nicht sich liebten. Hieraus erhellt, dass der oberste Gegensatz unsrer Lehre von der Selbstliebe entlehnt ist. (§ 17.) Zu diesen ersten natürlichen Trieben darf nach der Ansicht der meisten Stoiker die Lust nicht gerechnet werden, und ich stimme ihnen durchaus bei, denn wenn die Natur die Lust in das zuerst Begehrte mit aufgenommen hätte, würde viel Schlechtes folgen. Dagegen erklärt es sich genügend, weshalb wir das lieben, was die Natur als Erstes hingestellt hat; denn Jedermann wird, wenn er die Wahl hat, lieber alle Theile seines Körpers unverletzt und brauchbar haben mögen, als bei gleichem Gebrauch verstümmelt und verrenkt. Die Kenntnisse von den Dingen, die man entweder Begriffe oder Vorstellungen, oder wem diese Worte weniger gefallen oder weniger verständlich sind, katalêpseis nennen kann, sind nach unsrer Ansicht um ihrer selbst willen zu erwerben, weil sie in sich etwas gleichsam Zusammengefasstes haben, was die Wahrheit enthält. Dies kann man schon an den Kindern bemerken, die sich freuen, wenn sie, auch ohne Nutzen davon zu haben, etwas durch ihren Verstand aufgefunden haben. (§ 18.) Auch die Künste und Wissenschaften sind, nach unsrer Meinung, um ihrer selbst willen zu erwerben, denn theils enthalten sie etwas der Annahme Werthes, theils bestehn sie in Kenntnissen und enthalten etwas an sich Vernünftiges und Geordnetes. Dagegen hat man der Zustimmung zu dem Falschen sich mehr, wie alles anderen Naturwidrigen zu enthalten. Unter den Gliedern, d.h. unter den Bestandtheilen des Körpers scheinen nun manche ihres Nutzens wegen von der Natur gegeben zu sein, wie die Hände, die Beine, die Füsse und ebenso die innerlichen Körpertheile, deren grosse Nützlichkeit auch von den Aerzten dargelegt wird; andre Theile scheinen aber nicht des Nutzens wegen, sondern gleichsam zur Zierde gegeben zu sein, wie der Schweif dem Pfau, die schillernden Farben den Tauben, die Brustwarzen und der Bart den Männern. (§ 19.) Dies klingt zwar etwas nüchtern; allein es sind СКАЧАТЬ