Название: Gesammelte Werke von Cicero
Автор: Марк Туллий Цицерон
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027209569
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Kap. XXVIII. (§ 90.) Lass diese Kleinigkeiten bei Seite, wirst Du mir sagen; den Weisen macht schon die Natur reich, und Epikur hat gelehrt, dass ihr Reichthum erworben werden kann. – Dies klingt sehr schön und ich will nicht widersprechen, aber es widerspricht sich selbst. Denn Epikur bestreitet, dass die schmälste Kost, d.h. die schlechtesten Lebensmittel und Getränke, weniger Lust gewähren wie die ausgewähltesten Gerichte eines Gastmahls. Ich würde dem beistimmen, wenn er für das Glück gleichgiltig erklärt hätte, welche Nahrung man zu sich nehme, ja ich würde es loben; aber er müsste dann auch sagen, wie Sokrates es that, welcher der Lust nirgends erwähnt, nämlich dass der Hunger der beste Koch der Speisen und der Durst der beste Mundschenk der Getränke sei. Wenn aber Jemand Alles auf die Lust bezieht und dabei lebt wie Gallonius und spricht wie Piso der Mässige, so mag ich ihn nicht hören und glaube nicht, dass er so denkt, wie er spricht. (§ 91.) Er meint, die natürlichen Reichthümer seien leicht zu erwerben, weil die Natur mit Wenigem zufrieden sei; dies wäre richtig, wenn Ihr mir die Lust nicht so hoch schätztet. Er sagt, die Lust aus den geringsten Dingen sei nicht schwächer wie die aus den kostbarsten; aber dann darf man nicht blos kein Herz, sondern auch keinen Gaumen haben. Nur wer die Lust selbst gering achtet, darf sagen, dass er den Stör dem Heringe nicht vorziehe; aber wer in der Lust das höchste Gut findet, der muss Alles nach den Sinnen, nicht nach der Vernunft beurtheilen und muss das für das Beste erklären, was das Angenehmste ist. (§ 92.) Aber es mag gelten; mag die höchste Lust durch ein Geringes und meinetwegen durch Nichts erlangt werden, wenn's möglich ist, und mag die Lust aus dem Verzehren der Kresse, von welcher die Perser nach Xenophon zu leben pflegten, nicht geringer sein, als die aus den Syracuser Mahlzeiten, welche Pato so stark tadelt; es mag die Lust so leicht erreichbar sein, sage ich, als Ihr wollt, was sollen wir aber vom Schmerze sagen? dessen Qualen so gross sind, dass bei ihnen ein glückliches Leben nicht möglich ist, sofern der Schmerz das höchste Uebel ist. Selbst Metrodor, beinahe der zweite Epikur, beschreibt den Glücklichen ohngefähr mit den Worten: »Wenn der Körper wohl beschaffen ist und man sicher weiss, dass er so bleiben wird.« Aber kann wohl Jemand sicher wissen, wie sein Körper sich befinden wird, ich sage nicht, innerhalb eines Jahres, sondern am Abend? Deshalb wird man den Schmerz, d.h. das höchste Uebel, immer fürchten müssen, auch wenn er noch nicht da ist, denn er kann schnell eintreten. Wie kann aber die Furcht vor dem höchsten Uebel in einem glücklichen Leben Platz haben? (§ 93.) Epikur, antwortet man, lehrt ja, wie man den Schmerz nicht zu beachten habe. Allein schon dieser Ausspruch, dass man das höchste Uebel nicht beachten solle, ist widersinnig, und welches Mittel giebt er denn an? Der heftigste Schmerz, heisst es, währt nur kurze Zeit. Aber was heisst kurz? und welcher Schmerz ist der heftigste? Kann der heftigste Schmerz nicht mehrere Tage anhalten? ja, nicht sogar mehrere Monate? Du müsstest denn denjenigen Schmerz darunter verstehn, der mit seinem Eintritt auch tödtet. Aber wer fürchtete diesen Schmerz? Beseitige lieber den Schmerz, der den besten und wohlwollendsten Mann, Cn. Octavius, des Marius Sohn, meinen Freund, niederbeugte und nicht blos einmal und für kurze Zeit, sondern häufig und lange. Welche Qualen, ihr unsterblichen Götter, ertrug er, als alle seine Glieder zu brennen schienen. Dennoch galt er nicht für unglücklich, weil dies nicht für das höchste Uebel galt, sondern nur für einen Kranken; aber unglücklich würde er gewesen sein, wenn er bei einem lasterhaften und sündlichen Leben in Lüsten geschwelgt hätte.
Kap. XXIX. (§ 94.) Wenn Ihr sagt, dass der grosse Schmerz kurz und der langdauernde leicht sei, so verstehe ich dies nicht Denn ich kenne grosse und zugleich ziemlich lange Schmerzen, die man wohl in anderer Weise wahrhafter ertragen kann, aber diese Weise ist Euch nicht möglich, da Ihr die Sittlichkeit an sich nicht liebt. Es giebt Vorschriften und beinahe Gesetze der Tapferkeit, die verbieten, dass ein Mann im Schmerze sich schwach zeige. Deshalb ist es schlecht, nicht dass man Schmerzen empfindet, denn dies ist mitunter unvermeidlich, sondern wenn man mit Philoctetischem Geschrei jenen Felsen auf Lemnos besudelt:
»der stumm im Wiederhall des Geheuls und Jammers und Seufzens und Wüthens, selbst stumm, die kläglichen Töne zurückwirft.«
Solchen Leuten mag Epikur vorsingen, wenn er kann, welchen
»durch den Vipernbiss die mit Gift erfüllten Adern und Eingeweide schreckliche Qualen bereiten.«
Epikur ruft also dem Philoctet zu: Wenn Dein Schmerz gross ist, so währt er kurz. – Aber trotzdem liegt er schon das zehnte Jahr in seiner Höhle. – Epikur ruft: Wenn er lange währt, so wird er leicht; denn dann gäbe es Pausen darin und er gönnte Erholung. – (§ 95.) Allein erstens ist dies nicht häufig der Fall und dann, was hilft jenes Nachlassen, da das Andenken an den vergangenen Schinerz noch frisch und die Furcht vor dem kommenden drohenden Schmerz peinigt. – So wird er sterben, sagt Epikur. – Vielleicht ist dies das Beste, aber wo bleibt dann jenes: »Immer hat er mehr Lust?« denn wenn es so sich verhält, so habe Acht, dass Du nicht eine Unthat verübest, wenn Du zum Sterben ermahnst. Vielmehr soll man solchen Leidenden sagen, es sei schmachvoll und unmännlich, vom Schmerz sich schwächen, brechen und beugen zu lassen. Eure Rede: »Wenn Schmerz schwer ist, währt er kurz, und wenn er lang währt, wird er leicht«, ist nur eingelernt; blos mit den Mitteln der Tugend, der Seelengrösse, der Geduld, der Standhaftigkeit kann man den Schmerz lindern.
Kap. XXX. (§ 96.) Höre, damit ich nicht zu weit abschweife, was Epikur als Sterbender sagt; Du wirst da sehen, dass sein Handeln nicht mit seinen Worten stimmt: »Epikur grüsst den Hermarchos«, heisst es da. »Nachdem ich ein glückliches Leben geführt und an den letzten Tag desselben angelangt bin, habe ich dies geschrieben. Ich leide so sehr an der Blasen- und Eingeweiden-Krankheit, dass СКАЧАТЬ