Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон
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Название: Gesammelte Werke von Cicero

Автор: Марк Туллий Цицерон

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027209569

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СКАЧАТЬ erhebt, wenn der von ihr erwählte, ausdrücklich zum Schutz ihrer Interessen berufene Anwalt den Prozeß in die Hand nimmt.

      XVII. (55) Du wendest mir vielleicht ein, Verres habe dir einmal in einer Weise geschadet, die auch andere betraf und infolge dessen wirken müsse. Durchaus nicht. Es gehört ja wohl zur Sache, auch jenen Vorgang und damit den angeblichen Grund eures Zerwürfnisses kennen zu lernen; gut, so vernehmet die Geschichte von mir – denn er wird sich wohl hüten sie zu erzählen, wenn er sich nicht ganz lächerlich machen will.

      In Lilybaion wohnte eine gewisse Agonis, ehemals Tempelsklavin der Aphrodite auf dem Berg Eryx, 24 dann freigelassen. Diese Frau lebte vor der Amtsperiode des Caecilius in sehr guten, ja glänzenden Verhältnissen. Eines Tages erscheint in ihrem Hause ein Schiffskapitän vom Geschwader des Antonius 25 26 und versucht ihr sechs musikalische Sklaven wegzunehmen, angeblich zur dienstlichen Verwendung auf der Flotte. Die Frau protestiert im Namen der Göttin – wie sich in Sicilien alles Gesinde dieser Göttin auch nach erfolgter Auslösung auf sie zu berufen pflegt – und erklärt dem Kapitän unter Anrufung seines Gewissens, sie und ihr Eigentum gehöre der Aphrodite.

      (56) Sobald der edle Finanzrat Caecilius davon hört, läßt er als gerechter Staatsbeamter die Agonis kommen und spricht ohne weiteres sein Urteil: »Wenn sie sich und ihr Eigentum tatsächlich als Besitz der Göttin erklärt hat, so ist danach zu verfahren.« Die zu diesem Zweck einberufenen Obmänner fällen den nötigen Richterspruch; denn gesagt hatte sie's, das stand fest. Caecilius übernimmt den Grundbesitz der Frau, erklärt sie selber wieder als Sklavin der Aphrodite; dann verkauft er den Grundbesitz und zieht das Geld dafür ein. Die Frau hatte also durch ihre Berufung auf die Aphrodite ein paar Sklaven retten wollen, und statt dessen ihr ganzes Vermögen nebst ihrer persönlichen Freiheit durch Caecilius' Unfug verloren. Darauf kommt Verres nach Lilybaion; er erfährt den Vorgang, desavouiert seinen Vertreter und läßt ihn das aus dem Verkauf jener Grundstücke gewonnene Geld wieder vollständig an die Agonis auszahlen. – (57) Ich sehe euer Erstaunen: das ist ja kein Verres mehr, das ist ja ein reiner Mucius Scaevola! 27 Wie gewandt hat er sich benommen, wie geschickt im Interesse seines Rufes, wie rührend gut gegen die arme mißhandelte Frau, wie streng gegen den wilden Finanzrat! Dafür giebt's nur ein Wort der lebhaftesten Anerkennung. Aber siehe da: Plötzlich, wie durch einen Zaubertrank der Kirke, wird aus dem Menschen ein Eber; 28 Verres wird wieder er selbst. Sein Charakter bricht durch: das Geld fließt zum größten Teil in seine Taschen, die Frau bekommt nur eine Kleinigkeit zurück.

      XVIII. (58) Willst du nun dieses Benehmen des Verres dir gegenüber als eine persönliche Kränkung bezeichnen, so geb ich's dir gerne zu; aber ist es auch eine Verletzung deines Rechtes? Nimmermehr. Schließlich müßte ja über eine dir zugefügte Rechtsverletzung niemand strenger urteilen als du, der Verletzte selbst. Du hast dich aber später mit Verres versöhnt, hast in seinem Hause verkehrt, ihn zum Abendessen eingeladen, folglich bist du entweder ein Verräter oder ein Klopffechter! Ein falscher Freund oder ein falscher Feind! Was ziehst du vor? Eines von beiden ergiebt sich notwendig, und über die Wahl will ich weiter nicht mit dir streiten.

      (59) Wenn nun die angebliche Verletzung wegfällt, wie kannst du da noch beanspruchen, irgend jemand, wer es auch sei – von mir red ich gar nicht – vorgezogen zu werden? Vielleicht weil du ein Amt in Sicilien bekleidetest; denn darauf willst du dich natürlich berufen. Diese Thatsache wäre von großer Bedeutung, wenn wir darum stritten, wer mit Verres intimer befreundet ist; wir streiten aber nicht um den Grad der Freundschaft, sondern um den der Feindschaft, und da ist es lächerlich, eine enge Verbindung als Beweismittel verwerten zu wollen. (60) Denn hättest du von Verres auch Kränkungen in Masse erfahren, du würdest mehr Ehre damit einlegen sie hinzunehmen, als dich dafür zu rächen; nun hat er sich aber in seinem ganzen Leben nie wieder so korrekt benommen wie bei dieser sogenannten Verletzung, und darauf hin soll dich der Gerichtshof als berechtigt ansehen, das feste Band, das jeden Minister mit seinem Kabinettchef verknüpft, zu zerreißen? Nie giebt ein Gerichtshof das zu, erwarte für dich keine Ausnahme. Selbst wenn dir die schlimmste Behandlung zu teil geworden wäre, könntest du, als sein gewesener Quästor, nicht ganz ohne öffentliches Mißfallen sein Ankläger werden; wenn aber gar keine Verletzung vorliegt, ist die Anklage geradezu ein Verbrechen. Steht es nun um die Verletzung zweifelhaft, so wird jeder Richter, das siehst du doch wohl selbst ein, dich lieber ohne Mißfallen als mit einem Verbrechen abziehen lassen! –

      XVIIII. (61) Beachte nun die gänzliche Verschiedenheit unserer Standpunkte. Du hältst deine Amtsthätigkeit für das einzige Moment, das du vor mir voraus hast; ich würde, selbst wenn du sonst in jeder Hinsicht den Vorzug verdientest (das Gegenteil ist der Fall), dieses Motiv allein für ausreichend halten, damit dir die Anklage entzogen werde. Denn so haben unsere Vorfahren uns gelehrt: der Prätor soll seinem Quästor ein zweiter Vater sein; nie gehören zwei Menschen so eng zusammen, als wenn das heilige Los und der Wille des Staates sie zur gemeinsamen Führung des Amtes in einer Provinz verbinden. (62) Hättest du also juristisch einen Grund, Verres zu verklagen, so dürftest du es doch moralisch nicht; nun willst du ohne jeden Rechtsgrund deinen Vorgesetzten in Gefahr bringen – gesteh es, du unternimmst einen nach menschlicher und göttlicher Satzung gleich ungerechten Krieg. Bedenke: du darfst nicht auf dein ehemaliges Amt hin die Erlaubnis zur Klage fordern, sondern mußt dich rechtfertigen, daß du trotz dieses Amtes Klage erhebst! Noch nie ist auch ein derartiger Klageversuch seitens eines Quästors gemacht worden, ohne zu scheitern. (63) Der Fall lag vor bei Lucius Philo gegen Gaius Servilius, bei Marcus Aurelius Scaurus gegen Lucius Flaccus, bei Gnaeus Pompeius Strabo gegen Titus Albucius; alle wurden zurückgewiesen und zwar nicht wegen persönlicher Unbrauchbarkeit, sondern nur weil der Gerichtshof einer willkürlichen Verletzung jener Pflichten prinzipiell vorbeugen wollte. Der zuletzt genannte Fall ist dem unsrigen ganz analog; Gnaeus Pompeius stand gegen Gaius Julius wie du gegen mich; er war bei Albucius Quästor gewesen wie du bei Verres; Gaius Julius hatte den gerechten Anspruch, weil ihn die sardinischen Abgeordneten um die Führung des Prozesses ersucht hatten, wie mich die von Sicilien. Dieses Moment hat zu allen Zeiten am meisten Gewicht gehabt; es ist der ehrenvollste Anlaß zur Klage, wenn man zum Schutz einer Provinz, einer verbündeten Nation seine Arbeitskraft, sein Wollen und Können, ja seine ganze eigene Sicherheit einsetzt. (64) Schon wer auf persönliche Mißhandlung hin klagt, also doch nur aus eigenem Leide, nicht aus Interesse für den Staat, ist in seinem guten Recht; wer sich gar ohne irgend ein eigenes Rachegefühl allein von den Leiden unserer politischen Freunde bewegen läßt, also die bei weitem vornehmere Aufgabe übernimmt, der verdient nicht nur Zustimmung, sondern allgemeinen Dank. Als kürzlich im Prozesse des Publius Gabinius unser trefflicher Lucius Piso die Anklage übernehmen wollte, meldete sich ein gewisser Caecilius und verlangte sie für sich: aber Piso wirkte nicht nur durch seinen Namen und Charakter, sondern hauptsächlich als der erkorene Schutzherr von Achaia. (65) Es versteht sich ja auch von selbst, daß, wo das ganze Erpressungsgesetz eben zum Schutz unserer Bündner da ist, der von ihnen gewählte Vertreter ihrer Interessen am kräftigsten für Gesetz und Recht kämpfen wird. Oder soll man sich auf einen Ehrentitel berufen, aber nie versuchen dürfen, mit seiner Hilfe etwas durchzusetzen? Welcher Ehrentitel ist nun glänzender: »Ich klage wider meinen nächsten direkten Vorgesetzten, mit dem ich als Beamter nach Sitte und Recht, Schicksal und Gewissen zusammen gehöre« oder »ich klage auf Bitten unserer Freunde und Bündner, gewählt von der ganzen Provinz, ihr zu Recht und Billigkeit zu verhelfen!« Der eine Quästor klagt im Interesse der Leute, bei denen er sein Amt verrichtete, der andere klagt gegen seinen Prätor; welcher benimmt sich anständiger? –

      (66) In Roms besten Tagen haben unsere erlauchtesten Männer ihren Stolz und ihre Ehre darein gesetzt, auswärtige Freunde und ebenso die ausländischen, dem Schutze Roms überlassenen Nationen vor Unbill zu schützen und in ihrem Wohlstande zu erhalten. Kein Geringerer als der weise Cato hat sich mit einer Menge einflußreicher Personen überworfen, um den Spaniern, die er von seinem Konsulat her kannte, vor Gericht Hilfe zu leisten. (67) Noch ist es nicht lange her, da zog Gnaeus Domitius den Marcus Silanus zur Rechenschaft, weil er einen einzigen Menschen aus befreundeter Familie, einen gewissen Aegritomar СКАЧАТЬ