Название: Gesammelte Werke von Cicero
Автор: Марк Туллий Цицерон
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027209569
isbn:
V. (17) Somit steht es fest, daß die Sicilianer mich mit der Führung ihrer Klage betraut haben; es erwächst nun die Frage, ob diese Thatsache für den Gerichtshof etwas zu bedeuten hat, ob den Bündnern Roms, die jetzt als Bittsteller zu euch kommen, auch Beachtung geschenkt werden soll, wenn sie zu ihrem Rechte gelangen wollen. Darüber brauche ich nun nicht viel zu reden, wir wissen ja alle, daß das ganze Erpressungsgesetz nur um der Bündner willen gegeben worden ist. (18) Wird ein römischer Bürger beraubt, so erhebt er Civilklage nach Privatrecht; jenes Gesetz ist für die Bündner da, es bildet den Rechtsschutz der Ausländer, es ist für sie eine feste Burg, weniger fest freilich als früher, aber immerhin der einzige Trost, auf den sie noch ihre Hoffnung setzen können: für dieses Gesetz braucht Rom so gut wie die fernsten Völker jederzeit gewissenhafte Hüter. (19) So versteht es sich denn von selbst, daß man das Gesetz nach dem Vorschlage derjenigen anwendet, zu deren Schutze man es gegeben hat. Wenn ganz Sicilien wie ein Mensch reden könnte, es würde sagen: »Alles Gold und Silber, das ich besessen, aller Schmuck meiner Städte, Landsitze und Tempel, alles Recht, das mir Roms Senat und Volk gewährt – alles das hast du, Gaius Verres, mir geraubt. Darum verklage ich dich nach dem Wortlaute des Gesetzes auf einen Schadenersatz von hundert Millionen Sesterzen.« So würde die ganze Provinz reden, wenn sie, wie gesagt, eine Stimme besäße; da sie das nicht kann, so hat sie ihren Sprecher in Gestalt des ihr geeignet scheinenden Vertreters selbst gewählt. (20) Und bei einem solchen Gegenstande sollte jemand unverschämt genug sein, sich in eine ganz fremde Angelegenheit zu mischen, sich gegen den Wunsch der beteiligten Persönlichkeiten der Sache auch nur zu nähern!
VI. Wenn die Sicilianer zu dir, Caecilius, sagten, »wir kennen dich nicht, wir wissen nicht, wer du bist, wir haben dich noch nie gesehen; laß uns unsere Existenz durch den Mann verteidigen, der sich uns bewährt hat« – würden sie damit nicht die allernatürlichste, annehmbarste Forderung erheben? Nun sagen sie aber, sie kennen beide; den einen möchten sie gern, den andern um keinen Preis als Anwalt haben. (21) Warum sie ihn nicht wollen, das wäre klar, auch wenn sie schwiegen; nun schweigen sie aber nicht: dennoch willst du dich ihnen durchaus aufdrängen? Willst in einer Sache reden, die dich nichts angeht, willst Leute verteidigen, die lieber von aller Welt verlassen, als von dir verteidigt sein wollen? Willst deine Hilfe denen versprechen, die weder von deinem guten Willen, noch, wenn du ihn hättest, von deinem Können überzeugt sind? Warum willst du ihnen das bißchen Hoffnung auf einen Rest von Besitz, das ihnen Gesetz und Recht übrig lassen, auch noch gewaltsam austreiben? Das Gesetz will ihnen helfen und du stellst dich plötzlich dazwischen! In ihrem Lande hast du dich um sie nicht gerade verdient gemacht, und jetzt willst du ihnen allen Boden unter den Füßen entziehen! Willst ihnen alle Gelegenheit benehmen, nicht etwa bloß die, auf ihr Recht zu dringen, nein, auch die, ihr Verhängnis zu beklagen! Wozu das alles? (22) Denn wenn du redest, erscheint ja keiner von ihnen; weißt du doch sehr wohl, daß sie um alles in der Welt nicht durch deine Vermittlung an jemand anders, sondern durch jede andere Vermittelung an dir Rache nehmen möchten!
VII. Aber vielleicht steht nur dieses Eine fest, daß die Sicilianer mich gern als Rechtsvertreter haben wollen; der andere Punkt ist vielleicht weniger klar, nämlich wen Verres möglichst ausgeschlossen zu sehen wünschte. Nun hat wohl kein Mensch jemals öffentlich so verzweifelt um sein moralisches Dasein gekämpft, wie Verres und seine Freunde um die Vergebung dieser Anklage. Verres weiß, wie grundverschieden Caecilius und ich der Sache gegenüberstehen; worin diese Verschiedenheit besteht, werde ich bald erklären, (23) jetzt bemerke ich nur, was du, Caecilius, mir ja im stillen zugiebst, daß er von mir alles fürchtet, von dir nichts. Aus diesem Grunde kommt sein Freund, der große Advokat, 9 10 dir zu Hilfe; er arbeitet gegen mich, er verlangt ganz offen, daß man dich mir vorziehen soll, und er behauptet, dies in der besten Absicht zu thun, ohne die mindeste Gefahr für den Ruf des Gerichtshofes. Er spricht so zu den Richtern: »Ich verlange ja nicht, was ich bei einigermaßen energischem Bemühen stets durchzusetzen pflege, nämlich die Freisprechung des Verklagten; ich verlange nur, daß statt des einen Juristen der andere die Anklage übernehme. Thut mir dies zu Gefallen, entschließet euch, es ist ja so einfach, es ist so in der Ordnung, so ungefährlich; ist es einmal geschehen, dann könnt ihr, ohne euch irgend zu kompromittieren, einen Schritt weiter gehen und meinen Schützling freisprechen.« (24) Um nun in die Liebenswürdigkeit ein bißchen bittere Drohung zu mischen, fügt er hinzu, im Richterkollegium säßen einige Vertrauensmänner 11 , denen die Stimmtäfelchen gezeigt werden müßten; die Kontrolle wäre sehr leicht, da sie ja diesmal nicht einzeln, sondern alle zusammen ihre Stimmen abgeben; jeder bekäme ein Wachstäfelchen, und zwar mit dem richtigen offiziellen Wachs, nicht mit jenem betrügerisch gefärbten, das kürzlich einen solchen Skandal hervorgerufen. 12 So müht der große Advokat sich ab, schließlich nicht so sehr um des Verres willen, sondern weil die ganze Geschichte ihm selber höchst ungelegen kommt. Bis jetzt wird nämlich das Anklagen in der Regel von vornehmen Bengeln besorgt, mit denen er natürlich leicht fertig wird, oder von bestechlichen Winkelrednern, die er zu verachten alle Ursache hatte; wenn nun an deren Stelle jetzt Männer von Ansehen mit der nötigen Energie auftreten, dann sieht er das Ende seiner unumschränkten Gerichtsherrlichkeit gekommen. VIII. (25) Eines sag ich ihm im voraus: wenn mir diese Anklage überlassen wird, so muß er in Zukunft sein ganzes Verteidigungssystem umändern; auf einer besseren, anständigeren Grundlage als er selber will, muß er seine Nachahmung berühmter Redner der vorigen Generation durchführen, denn Männer wie Lucius Crassus und Marcus Antonius, die er noch mit erlebt hat, glaubten zu den Prozessen ihrer Freunde nichts als ihren vorzüglichen Geist und Charakter mitbringen zu sollen. 13 14 Er soll sich nicht einbilden, daß ich Bestechungsversuche zulasse; sie würden so manchem schlecht bekommen. (26) Ich habe in diesem Prozesse für Sicilien zugleich die Initiative Roms ergriffen; ich will nicht einen gemeinen Menschen unterdrücken – das wünschen die Sicilianer – sondern die Gemeinheit überhaupt ausrotten: das verlangt Rom. СКАЧАТЬ