Название: Weihnachts-Klassiker für alle Generationen: 280 Romane, Sagen, Märchen & Gedichte
Автор: Martin Luther
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027223305
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»Komm, Seelchen, Frau von Hardenstein wartet auf dich, der Duft ist doch zu stark hier.«
Und im Hofe ist noch etwas zu sehen. Da steht der braune glänzende Pony, den Tante Helen gesandt hat. Seelchen streichelt das Tier beglückt, aber um es besteigen zu können, müßte sie sich von ihrem Rosenkranz und den goldenen Schuhen trennen. Und so begnügt sie sich für heute damit, ihm ein Stück Zucker zu geben und es zu streicheln. Auf dem Lindenstamm wird zu Mittag gegessen im köstlichen Lindenschatten.
»Prinzeßchen, haben Sie sich auch für alles bedankt, und Harro, wie sind Sie zu goldenen Schuhen gekommen?«
»Harro, ich danke dir, es sind meine Freudenschuhe, immer werde ich sie tragen, wenn ich froh bin. Wer hat dir denn die Schuhe für mich gegeben? War es ein Männlein im Walde, oder eine Nebelfrau, oder hast du sie am Kinderbrunnen gefunden?«
»Falsch geraten.«
Und Harro erzählt über dem Nachtisch von köstlichen Erdbeeren und Sahne, an dem sie nun angelangt sind:
»Als ich in letzter Woche in München war, da sah ich in einem Gäßchen ein Schild an einem buckligen Häuschen, Johann Nepomuk Wurmhaber, Kunstschuster. In dem Fenster stand seltsames Schuhwerk, Schnabelschuhe, ellenlange, breite geschlitzte Latschen aus farbigem Leder, Spangenschuhe mit hohen Absätzen. – Da ging ich hinein, da war ein kleines feuerrotes Männchen, so buckelig wie sein Haus. Das schnarrte: ›Mein Herr, Sie können in jedem Jahrhundert bedient werden. Der Herr ist Künstler.‹ Nun, das mußte mich schon freuen, das war mir noch nie passiert, man hatte mich immer bis jetzt für einen Offizier in Zivil gehalten. Ich sagte, ich möchte lieber im gegenwärtigen Jahrhundert bleiben. Haben Sie goldene Schuhe? Nun staunte er aber doch ein wenig, faßte sich jedoch sofort.
›Meine Schuhe sind Kunstschuhe. Sie werden also nicht über ein Holz geschlagen, sondern nach der Persönlichkeit gebaut.‹ ›Da kann geholfen werden‹ sage ich und präsentiere ihm meine Wachsmodelle, eins für den rechten, eins für den linken. Die habe ich mir doch mit vieler Mühe gemacht. Du bist ja so freundlich gewesen und hast so oft deine Schuhe ausgezogen.«
Nun wird Frau von Hardenstein ernstlich böse. »Lieber Harro,« sagt sie scharf, »ich fürchte, jede Ermahnung von meiner Seite wird nichts nützen, wenn Sie die Prinzessin in ihren Unarten so bestärken wollen. Gestern hat sie bei dem Geschichtsunterricht des Herrn Präzeptors die Schuhe unter dem Tisch ausgezogen. Ich bin dafür, die goldenen Schuhe werden konfisziert, wenn das noch einmal vorkommt.«
Beide Gescholtenen ducken ihre Köpfe, Harro beugt sich über seine Erdbeeren, das Seelchen, das dunkelrot geworden ist, verschwindet fast hinter seiner Serviette. Sie ist sehr schuldbewußt, denn auch der eine der Goldenen tanzt nur noch auf den Zehen. Frau von Hardenstein sieht aber zum Glück nicht unter den Tisch, und Harro erzählt weiter.
»Herr Wurmhaber freut sich nun sehr über die Modelle, und als er hört, daß er die behalten darf, verspricht er richtiges stiftvergoldetes Leder zu beschaffen durch einen Freund, der kostbare Büchereinbände macht, und sagt, ich solle die Form angeben, ich möchte mich aber in seine Sammlung begeben. Die ist in einem Hinterstübchen, das in ein Gärtchen geht, man sieht sogar ein brunnentiefes Stückchen Himmel. Da stehen Gipsabgüsse von Füßen. Die Füße der tanzenden Grazien von Canova sind da, und der Fuß des Bogenspanners und des griechischen Dornausziehers. Deine Füßchen stellt er neben den linken einer griechischen Tänzerin. ›Und nun, mein Herr,‹ sagt er in hohlem Grabeston, ›die Schreckenskammer!‹ Nun zieht er einen Vorhang auf, und da gibt es schreckliche Dinge. ›Mein Herr! ohne alle Mühe zusammengebracht. Hier in der Gasse und Nebenhöfen! Das ist von zu hohem Absatz, dies kommt von Schuhen, die vorn in der Mitte spitz sind – es ist eine Armee von Häßlichkeiten ... Und nun wollen wir eine Form suchen, die all diese Unglücksfälle vermeidet.‹ Diese Form, behauptet er, sei ihm beim Anblick der Schuhe eines Würzburger Bischofs auf einem Grabmal aufgegangen. Ich weiß nicht, ob ich ihm den Bischof so ganz glauben kann, und Frau von Hardenstein, der Mann hat nichts für die Schuhe genommen, absolut nichts, wenn er die Modelle behalten dürfte für seine Sammlung. Und die Schuhe sind gut.«
»Verzeihen Sie, sie sind höchst absonderlich, und für die Festschuhe mag es gehen, aber diese formlosen Dinge!«
»Ich bitte Sie, Frau Mutter, die haben doch schon die Form der Füße angenommen, sie sind sehr schön und gut.«
Seelchen rief jammernd: »Ich will keine andern mehr, ich will nicht mit meinen Füßen in die Schreckenskammer kommen.«
Harro schlägt vor, wenn Seelchen dafür verspräche, daß sie nie, nie unter dem Tisch die Schuhe ausziehe, dann könnte man ihr doch vielleicht den Willen tun.
Frau von Hardenstein seufzt: »Harro, als Prinzessinnenerzieher sind Sie die allerungeeignetste Persönlichkeit, die ich mir denken kann, und das Unheil, das Sie anrichten werden – – –«
Etwas beladen von der Ungnade der Frau Mutter geht Harro zu seiner Studie auf der Römerwiese. Gegen Abend soll er zum kühlen Brunnen kommen, wohin das Seelchen mit Frau von Hardenstein fahren wird. Dort gibt es Erdbeeren in Menge, und das Kind hat ein feines Weidenkörbchen bei sich, schön mit Weinlaub ausgelegt, und darin will es Erdbeeren sammeln für Harro, wenn er kommt. Und nun nimmt sie der Schatten auf, und der kühle Atem des Waldes weht ihnen entgegen. Der Wagen hält und fährt wieder zurück, denn sie wollen den Heimweg zu Fuß machen. Die hohe Gestalt der Dame in ihrem schwarzen Kleid, und das Kind mit seinen goldenen Schuhen, die es auf vieles Bitten hat anbehalten dürfen, schreiten über die moosigen Waldwege unter den hohen Eichen hin.
Es ist ein uralter Eichenhain, der seit vielen Jahren schon überständig ist, aber immer geschont wird um der alten Prachtgestalten willen. Es ist hier nicht einer unter ihnen, den nicht der Blitz gestreift hätte, die Äste winden sich wie Schlangen, in den hohlen Kronen haust der Specht. Zu ihren Füßen haben sich Erdbeerfamilien angesiedelt und nicken hohe Farnwedel. Wie ein beseeltes, silbernes Band gleitet die Ringelnatter über den Moosboden, ein zierliches Reh schreckt auf, das zwischen den mächtigen Wurzelhäuten geruht hat. Gurru, Gurru rufen die Waldtauben einander und ein kleines Brünnlein erfüllt mit seiner einfachen Melodie die Einsamkeit mit lieblichem Leben.
Da ist ein Tisch und eine Bank, gerade dort, wo sich der Hain gegen eine sanftgesenkte Waldwiese öffnet. Nun darf das Kind Erdbeeren suchen, und sie geht eifrig hin und her zwischen den Waldriesen, deren Leben ihre Väter und Großväter geschaut. Ihr Mund steht keinen Augenblick still, sie muß mit allem sprechen, was ihr begegnet. Mit dem kleinen Fröschchen, dem sie sagt, daß es die schönsten Goldaugen habe, und mit den blassen hohen Glockenblumen, die sie küßt und fragt: »Gehörst du auch zu meinem Geburtstag, weil du so dastehst vor des Wurzelweibchens Haus?«
Und da kommt Harro, vor Freude verschüttet sie fast ihr Körbchen. Und so schöne, reife, dunkelrote Beeren sind darin, groß wie kleine Kirschen. Und nun gehen sie noch über die Wiese, wo die vielen Federnelken nicken und glührote Weidenröschen stehen, hoch über des Seelchens Kopf. Wie die Sonne glüht auf dem roten Blumenfeld, und wie die Musikanten schrillen!
»Wir setzen uns ein wenig an den Rain, Harro, dort hören wir, wie das Brünnlein mit sich selbst schwatzt.«
Harro streckt sich der Länge lang ins Gras mit einem Seufzer des Behagens. Das Kind sitzt zwischen hohem nickendem Riedgras neben seinem Korb und spießt eifrig Erdbeeren auf feine Grasstengel. Harro muß den Mund aufmachen, er bekommt die zierlich aufgespießten Beeren hineingesteckt und braucht sich nicht zu rühren.
»Harro, wenn ich deine Frau wäre, so würde ich dir immer Erdbeeren suchen und dir in den Mund stecken.«
Harro ist ein wenig СКАЧАТЬ