Название: Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Dramen
Автор: Hermann Stehr
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075831040
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„Alle Knochen brech ich dem langlodigen Affenpinscher, so wahr ich Griebel heiß!“ schloß er seine Erzählung. Er rüttelte beide Fäuste nach unten, sein Gesicht war weiß, und die Lippen bebten.
„Erreg dich doch nicht so, dich kann ja der Schlag treffen!“ ermahnte Leonore, nun schon in wärmerem Mitgefühl.
„Ja — verknucht! — erreg dich — Himmelschock . . . hast recht Lordl, der Kerl is nich wert. Ich wer ganz trangil morgen hingehn, mach de Thire uf, tret ei de Werkstelle, ruf mrs und sags’m dem . . . dem . . . hm! — dem — nä! — dem Rindsviehche hier, wenn er da wär, die Ohrn dreh‘ ich‘m aus’m Leibe!“
„Aber Joseph, is‘n der Kerle wert, daß de dich krank machst?“
„Krank hin, krank her! — Ich bin ein Mann und laß mr nich of dr Nase rumspielen, vo keenem nich, merk drsch. Verstanden?“
Und er pflanzte sich drohend vor ihr auf. Nachdem er sie eine Weile vernichtend angesehen hatte, begann er von neuem:
„Punktum! Zum Teifel jag ich den Knelle-Lumps. Auf dr Gasse kann er meinswegen verfaulen! Ich werds ‘m beweisen, dåß a de Leffel ufzusperrn håt, wenn ich was befehl.“
Leonore konnte sich nicht helfen, daß sie ein unangenehmes Gefühl hatte, als sie ihren Mann in diesem narrenhaften Zorne umhertraben sah, sie war wie beleidigt durch ihn und blickte unverwandt und düster auf ihn hin.
„Na ja!“ rief er und drehte sich plötzlich unwirsch zu ihr, daß sie zusammenschrak. „Was siehst de mich ‘n gruß an? Uffressen wer ich a nie, nä, nä ä ä ä!“ lachte er lang aus, denn seine Wut war plötzlich in Lustigkeit umgeschlagen.
Da klopfte es an die Thür.
„Kloppt’s nie å?“ frug er eilig und gedämpft.
„Ich glaube ja“, antwortete Leonore niedergedrückt, brachte schnell die Stühle in Ordnung, ergriff eine Handarbeit und ließ sich vor dem Nähtisch am Fenster nieder.
Es klopfte wieder.
„Nu, herein immerzu!“ rief der Tuchmacher und räusperte sich.
„Guten Tag, Herr Griebel! — Sie kennen mich doch: Frank, von der Firma Meyer und Sissel, Frankfurt an der Oder.“
„Frankfort? Aus Frankfort?“ nahm Griebel das Wort auf und verfiel in seine alte Wut, „scheen, aber ich wer’ mich hitten und wer’ sagen Bande. Ha, då bescheißen Sie mich mit dem Indigo!“
„Aber, gestatten Sie . . .“
„Gar nicht gestatten! Wås is dås, gestatten? Ich bin der Tuchmacher Griebel, bei mir heeßts nich gestatten. Da heeßt’s ganz eefach derlauben. Verstanden? Oan ich derlaube Ihn’ nich, mich zweemål zu bescheißen!“
Dabei begann er wieder zwischen den Stühlen umherzutoben.
„Aber Joseph!“
Leonore warf ihm einen zurechtweisenden Blick zu und erhob sich. Ihr Gesicht war vor Scham blaß. „Bitte, setzen Sie sich!“ sprach sie zu dem Fremdling. „Nehmen Sie’s nicht übel, mein Mann hat Verdruß gehabt.“
Mit einer leichten Handbewegung lud sie den Verdutzten zum Sitzen ein.
Dieser verbeugte sich dankbar:
„Ich habe wohl die Ehre, Frau Griebel gegenüberzustehen? — Willy Frank, ein alter Geschäftsfreund Ihres Herrn Gemahls.“
Sein geschmeidiger, schlanker Leib beschrieb die vollendete Linie einer weltmännischen Verbeugung. Dies brachte ihm das Gefühl der Sicherheit wieder und mit gewinnendem Lächeln legte er den Musterkoffer auf den Tisch, knöpfte den Überzieher auf und machte es sich, schnurrbarthätschelnd, auf einem Stuhl bequem.
Griebel ging indessen, verlegen sich räuspernd, zwischen seinen Stühlen auf und ab, als bemühe er sich, das Aufstoßen seines Zornes niederzukämpfen. Der Reisende empfand den Friedensdrang der entstandenen Pause und, halb zum Tuchmacher, halb zu seiner Frau gewandt, begann er in leichtem, sicherem Ton:
„Ach, ich weiß ja, gnädge Frau, Ihr Herr Gemahl meint’s nicht so. Da kenn ich’n schon zu lange. Der kann ganz einfach ohne mich nich sein.“
„Oach Sie! — då schlegts fufzehn! — Nee åber, ‘s is doch reen, als wenn unser eener a Äffe wär un verstände går nischt.“
„Aber lieber Joseph!“
„Aber nu, da sagen Sie doch lieber, was haben Sie denn für Schaden gehabt mit dem Indigo.“
„Schaden! — Sie denken wohl, ich will wås verdien’ an Ihn. Dås brauch ich nich.“
„Gott, aber Mann, du hörst doch, der Herr will sich mit dir verständigen.“
„Ich danke, gnädge Frau! — Natürlich will ich das, Herr Meister! Aber lassen wir das Geschäft einstweilen ganz. Kommen Se und erzählen Se sich den Ärger von der Leber runter. Dann findet sich alles.“
Er schob ihm einen Stuhl hin, und Griebel setzte sich augenblicklich, weil es ihm offenbar lieb war, dieser peinlichen Szene ein Ende zu machen. Denn er hatte bemerkt, wie die Augen seiner Frau einigemal glühend von ihm zu dem Besucher gewandert waren und fürchtete einen „Ausbruch der Nerven“.
„Wahrhaftig, was der Ärger thun kann!“ nahm Frank das Gespräch wieder auf, seiner Stimme den Klang herzlicher Teilnahme gebend. „Sie sehn doch sonst frisch und jung aus wie ein Zwanziger.“
„Na, na!“ schob Griebel in schwacher Abwehr geschmeichelt ein.
„Nicht, gnädige Frau?“
Leonore lachte nur fein, ohne aufzusehen.
„Auf Ehre!“ rief Frank sehr stark, dies als Bejahung hinnehmend. „Wie ein Zwanziger! Und nu trat ich rein und erschreck. Zwanzig Jahr sahn Se älter aus, geradezu blödsinnig alt. Hörn Se, sehn Se sich übrigens vor, daß Se nich mal der Schlag trifft.“
„Sie haben recht!“ antwortet Griebel nach einer Weile gedrückt und unsicher. „Åber wås will ma denn machen? Då werd’ ichs Ihn’ erzählen. Dernåch kenn Se sehn, obs nich reen zum Benzinsaufen is, wie der Tuchmacher gerne sprecht.“
Und Griebel erzählte in seiner weitschweifigen Art den Fall, flocht die Lebensgeschichte des „Tuchscheer’ Knelle“ ein, gab eine ausführliche Beschreibung seiner Werkstatt, kam auf seine Stadtverordnetenwahl zu sprechen, kurz, vergaloppierte sich. Dabei hatte er fortwährend das Gefühl, der Reisende mache sich über ihn lustig. Im Bestreben, sich Achtung zu erzwingen, ward seine Erzählung immer verworrener, seine Gesten wilder und leidenschaftlicher. Aber Frank trug das Gesicht eines andächtigen Zuhörers, ohne verhindern zu können, daß ein Lächeln an seinen Mundwinkeln leise, mokante Linien zog. Im Übrigen eiferte er ihn durch Zwischenrufe an: „Doller Kerl das!“ — „Einfach lausig!“ — „Ich bewundere Ihre Langmut!“ Leonore ward es immer peinlicher. Sie winkte ihrem Manne verstohlen, abzubrechen. Es nutzte nichts; er erzählte ohne Unterlaß, der Zuhörer kam unwillkürlich СКАЧАТЬ