Название: Die beliebtesten Weihnachtsklassiker
Автор: Martin Luther
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027237555
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Und jetzt erschien der Märt mit der Kiste, die aus früherer Zeit her noch die Regimentsbezeichnung trug, und entnahm ihr den einzigen Anzug des Grafen, für den die Bezeichnung Räuberzivil nicht gelten konnte. Einige kunstvolle Bürstenstriche von Märt, und mit leisen Seufzern zwängte sich der Thorsteiner in das ungewohnte Stück. – Da, halt, – fallen ihm des Seelchens Puppenschmerzen ein. Wie wär's, wenn er ihr für die arme, so schmählich verstümmelte Lilla einen Ersatz schaffte? Aber dann mußte er schon jetzt in die Stadt gehen, vielleicht daß doch noch ein Laden für Leute, die noch rasch ein Geschenk brauchten, offen war. Er packte Wachsreste und noch verschiedenes in einen Kasten, warf ein großes Cape um seine Pracht und überließ dem erstarrt blickenden Märt sein Schloßgut zur Verwahrung.
Quer durch den Wald die eisige Halde hinunter, wie gestern Märt, konnte er nicht gelangen, so mußte er die Chaussee nehmen, beinahe zwei Stunden Wegs. Nach einer Stunde schon taucht der langgestreckte Bergrücken, der das Schloß trägt, vor ihm auf. Ein schöner Park, jetzt verschneit und dunkel, schlingt seine Arme um den Schloßberg. Zwischen zwei finstern alten Rundtürmen schaut ein feiner Renaissancegiebel ins Tal hinunter; ein Gewirr von großen und kleinen Dächern, so wie sie Notwendigkeit oder die Freude am eigenen kleinen Nestchen im Lauf der Jahrhunderte an die alten Mauern gehängt hatte, machte das früher wohl düstere Bild nun freundlich und lebendig. Jetzt lag der leichte Silberreif eines dünnen Schnees auf jedem Giebel und Vorsprung von Mauer, Türmen und Palas. Unter dem grauen Himmel, dem ein zartes Flockengewirr entschwebte, sah das Schloß so weltfern, so märchenhaft aus, als könnten sämtliche goldhaarige Prinzessinnen, treue und törichte Königssöhne, finstere Könige, kluge Königinnen, die mehr können als Brot essen, aus Grimms Märchenbuch darin gewohnt haben. Seine Künstleraugen liebkosten die fein gewachsenen Formen, in denen jede Zeit ihren Ausdruck gefunden hatte. Aus der Neuzeit stammte freilich nur das recht häßliche Ecktürmchen, auf dem heute, wegen der Anwesenheit des Fürsten, die weißblaue Fahne flatterte.
Wo mochte wohl des Seelchens Reich sein? – Wie gut es da hineinpaßte, die letzte feine, ach gar zu feine Blüte, die der alte Stamm getrieben! – Ob sie wohl heute die rechten Worte gefunden hatte? Gestraft würde sie ja nicht werden, im Gegenteil, der Fürst war nur freudige Überraschung gewesen über den Streich seiner Kleinen, über die Überlegung und Kühnheit, mit der sie ihren Gedanken ausgeführt hatte. Wer ihr das zugetraut hätte? Freilich war auch Märts Nachricht der schlimmen andern zuvorgekommen.
Nun wand sich der Weg eine altertümliche Steige hinauf, eine von jenen, die uns immer wieder mit Verwunderung erfüllen über die Nerven von Menschen und Gäulen, die einst diese Wege benützten. Dann stillverschneite Gärten und eine stille Straße, von hohen schmalbrüstigen Giebelhäusern umstanden, ein uraltes Tor mit Torturm, an den ein Barockhäuschen angeklebt ist, vor dem vor hundert Jahren wohl die strickende Wache weiland Serenissimi saß. – Ganz Spitzweg. – Und gegenüber das Lädchen des Georg Häring, das Entzücken der Braunecker Jugend, wo immer noch verheißungsvolle Zinnsoldatenschachteln, ein Hampelmann und ein winziges Pappkarussel auf Käufer warten. Mit sehr gebücktem Haupt muß sich der lange Thorsteiner hineinwinden, wo ihn die freundliche Frau mit fragendem Erstaunen empfängt.
»Eine Puppe.«
»Ja, aber die angezogenen sind alle ausgegangen, und die andern sind nicht für bessere Herrschaften!«
Eine sei noch da, aber mit der sei leider ein Unglück passiert, und damit zieht die Frau bedauernd eine Puppenschönheit aus einer Schachtel, hellockig, der aber das Näschen schlimm zerstoßen ist. Harro strahlt.
»Herrlich! Ich nehme sie... Nur das Hemdchen, das das Unglücksgeschöpf anhat, ist freilich ein Übelstand. So kannst du nicht zu Hofe gehen, du Ohnenäschen!«
Aber da fällt ihm das Nähröschen ein, mit den vielen Geschwistern. Seinen Kasten unter dem Arm geht er nun die Straße hinauf, wo über einer Steintreppe ein Zeichen hängt, ein etwas merkwürdiger Ochse, in dessen bedauernswertem Haupt schon die Axt steckt. Dort ist zum Glück ein geheiztes Eckchen zu haben, der Frau Postmeisterin eigene Wohnstube, die sie ihm einräumt. Sie selbst steht jetzt drunten in der dampfenden Küche und regiert über eine verwirrende Menge von Töpfen.
»Sie essen doch mit an der Tafel, Herr Graf?«
»Ach bitte, schicken Sie mir etwas herauf!«
Es gelüstet ihn nicht nach der Gesellschaft der alten eingesessenen »besseren Herren«, des Herrn Postverwalters und des Herrn Notars und des Herrn Amtsrichters, über deren mittäglicher Vereinigung die graue Fledermaus der Langeweile ihre Flügel schlägt. Die Posthalterin lächelt sauersüß, verspricht aber das Beste. Es ist gut, daß das Seelchen das folgende, etwas kannibalische Beginnen nicht mitansieht. Mit seinem Taschenmesser zerklopft Harro das dummlächelnde Puppengesicht, daß die auf kleinen Kügelchen sitzenden Augen auf den Tisch herausfliegen. Sein schwarzer Rock ist sehr hinderlich, er könnte schlimme Bekanntschaft mit dem Inhalt des Kästchens machen, das Harro jetzt auspackt. Er entledigt sich also seiner und steht nun in weißen Hemdärmeln da, eifrig mit einem feinen Schnitzmesser an einem Buchsbaumscheibchen hantierend. Eine halbe Stunde später steht der Riese in seinen Hemdsärmeln vor der erstarrten Postmeisterin, ein kleines Pfännchen in der Hand, das auch dem Kasten entstiegen ist, um neben der puffenden Gans seinen Leim zu wärmen.
»Nun, Frau Postmeisterin, das sind unsere Männerkochkünste, einfach, nicht wahr? Ein Glück, daß wir Sie haben, die Gans riecht übrigens vorzüglich.«
Der aufgeregte Postmeister – es sind heute eine Menge Leute da, wegen einer großen Beerdigung – reißt die Tür auf, sieht im Küchendunst den Mann in den Hemdärmeln dastehen und schreit: »Der Martin soll noch einmal heim wollen am Christfest! Heda, trag Er den Koffer hinauf, Nummer siebzehn. Herumstehen in der Küche gibt's nicht.«
»Jawohl, Herr Postmeister. Frau Postmeisterin, achten Sie doch einstweilen darauf, daß der Leim nicht überkocht, der Duft ist leider nicht der beste.« –
Und vor den Mund und Augen aufsperrenden Mägden schultert der Thorsteiner den Koffer des Herrn Lohrmann, Teigwarenfabrikanten aus Offenbach am Main, und trägt ihn auf Nummer siebzehn, wo er ihn mit einem freundlichen Lächeln dem G. Lohrmann hinstellt. Der brummt: »Trinkgeld geb ich erst, wenn ich gehe,« aber der Thorsteiner ist schon wieder bei seinem Leimtopf, der nun offenbar den richtigen Wärmegrad hat, und entschwindet mit dem in die gute Stube.
Jetzt gibt's noch verschiedene Probleme zu lösen, bis die geschnitzte Scheibe richtig unter den flächsernen Locken sitzt, die Augen ihre Schuldigkeit mit Auf- und Zumachen tun, dann beginnt die eigentliche Arbeit.
Das leicht erwärmte Wachs wird über die Scheibe gegossen. Und nun modelliert er mit seinen langen Künstlerhänden, von denen jeder Finger seinen eigenen Verstand zu haben scheint. Aus den nur vorgeschatteten Umrissen wird mit erstaunlicher Schnelligkeit ein Kindergesicht, ein feiner Nasenrücken, apfelrunde Wänglein, ein Mund, den ein erwachendes Lächeln umschwebt, über die starrenden Augen senken sich breite Lider. In das glasige Blau hat er einen dunkeln Farbenstrich hineingeheimnißt, der ihnen ein merkwürdiges Leben verleiht. Eben kommt eine verlegene Magd mit einer halbkalten Suppe. »Sie haben drunten solchen Trubel...« Nun ist er fertig.
Da liegt unter den hellen Härchen СКАЧАТЬ