Название: Zwei Jahre Ferien
Автор: Jules Verne
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Jules Verne bei Null Papier
isbn: 9783962817879
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Am Nachmittag des 15. Februar 1860 traten aus genanntem Pensionat gegen hundert Knaben, begleitet von ihren Eltern und mit lustigen Gesichtern und freudiger Lebendigkeit — junge Vögel, deren Käfig man geöffnet hatte.
Es war nämlich der Beginn der Ferien. Zwei Monate Unabhängigkeit, zwei Monate Freiheit! Einer beschränkten Anzahl dieser Zöglinge winkte die verlockende Aussicht einer Seereise, welche schon lange Zeit vorher in der Pension Chairman der Gegenstand lebhafter Gespräche gewesen war. Wir brauchen wohl nicht zu schildern, welche freudige Erwartung diejenigen erregte, denen günstige Umstände gestatteten, sich an Bord der Yacht »Sloughi« einzuschiffen, um mit derselben an einer Umsegelung von ganz Neuseeland teilzunehmen.
Der von den Eltern der Zöglinge gecharterte hübsche Schoner war für eine Reise von sechs Wochen ausgerüstet. Er gehörte dem Vater eines derselben, Mr. William H. Garnett, einem ehemaligen Kapitän der Handelsflotte, zu dem man das beste Vertrauen haben konnte. Eine unter die verschiedenen Familien verteilte Subskription1 sollte die Kosten der Reise decken, die voraussichtlich die denkbar größte Sicherheit und Annehmlichkeit zu bieten versprach. Für die jungen Leute war das natürlich eine große Freude, und schwerlich hätte man die wenigen Wochen Ferien besser verwenden können.
In den englischen Pensionaten unterscheidet sich die Erziehungsmethode sehr wesentlich von der in ähnlichen französischen Anstalten. Man gönnt den Zöglingen daselbst mehr ein gewisses Recht der Selbstbestimmung und damit eine größere Freiheit, welche die Zukunft derselben recht glücklich beeinflusst. Mit einem Wort, die Erziehung hält hier gleichen Schritt mit der vielseitigsten Ausbildung. Daher kommt es, dass die meisten Zöglinge höflich und gewandt, zuvorkommend, sowie achtsam auf ihr Benehmen sind und, was wohl hervorgehoben zu werden verdient, zur Verheimlichung und Lüge kaum je Zuflucht nehmen, selbst wenn es sich darum handelt, einer verdienten Bestrafung zu entgehen. Dabei sei auch bemerkt, dass die Schüler dieser Lehranstalten weit weniger den Regeln gemeinsamen Lebens und den daraus hervorgehenden Vorschriften des Stillschweigens usw. unterworfen sind. Meist bewohnen dieselben besondere Zimmer, wo sie auch gewisse Mahlzeiten einnehmen, und wenn sie sich an die Tafeln eines gemeinsamen Speisesaales setzen, so steht es ihnen frei, nach Belieben zu plaudern.
Je nach dem Alter sind die Schüler in Abteilungen untergebracht, deren das Pensionat Chairman fünf zählt. Wenn in der ersten und zweiten die Kleinen sich gelegentlich noch an den Hals ihrer Eltern hingen, so ersetzten die Größeren schon den kindlichen Kuss durch den männlichen Händedruck. Dabei gab es keinen Lauscher, sie zu überwachen, das Lesen von Erzählungen und Zeitschriften war gestattet, Urlaubstage wurden häufig bewilligt, die Arbeitsstunden blieben möglichst beschränkt, während daneben auf Körperübungen, wie Turnen, Boxen und anregende Spiele in freier Luft, hoher Wert gelegt wurde. Als Dämpfer gegenüber jener Unabhängigkeit, welche die Schüler übrigens nur selten missbrauchten, hatte man jedoch die körperliche Züchtigung, vorzüglich mit der Gerte, beibehalten. Gelegentlich ausgepeitscht zu werden, erschien den jungen Angelsachsen nicht als ehrenrührig, und sie unterwarfen sich widerspruchslos einer solchen Züchtigung, wenn sie dieselbe als verdient erkannten.
Jedermann kennt die bei den Engländern gewöhnliche Achtung vor der Überlieferung im privaten, ebenso wie im öffentlichen Leben, und diesen Überlieferungen, selbst wenn sie an sich unvernünftig erscheinen, trägt man auch Rechnung in den Lehranstalten des weiten Reiches. Wenn es den älteren Schülern obliegt, die jüngeren zu unterstützen, so geschieht das nur unter der Bedingung, dass letztere es den ersteren durch gewisse häusliche Dienstleistungen, denen sie sich auf keine Weise entziehen können, vergelten. Diese Dienste, welche in der Herbeischaffung des Morgenimbisses, der Reinigung der Kleider sowie des Schuhwerkes, der Besorgung von Aufträgen u. dergl. bestehen, sind unter dem Namen »Faggisme« (etwa Fuchspflichten) bekannt, und diejenigen, welche sie zu leisten haben, heißen »Fags« (Füchse).
Es sind die Kleinsten, die Mitglieder der ersten Abteilungen, welche den Zöglingen der höheren Klassen als »Füchse« dienen, und wenn sie sich dessen weigerten, würde ihnen das Leben gewiss recht sauer gemacht werden. Daran denkt jedoch keiner, und das gewöhnt sie, sich einer Disziplin zu fügen, von der man z. B. bei den Zöglingen der französischen Lyzeen keine Spur findet. Die Überlieferung verlangt es hier einmal, und wenn es ein Land gibt, welches diese beachtet, so ist es das Vereinigte Königreich, wo sie den einfachsten Londoner Straßenjungen ebenso beherrscht wie die Peers des Oberhauses.
Die Zöglinge, welche an der Spazierfahrt des »Sloughi« teilnehmen sollten, gehörten verschiedenen Abteilungen der Pension Chairman an. Wie der Leser schon weiß, befanden sich an Bord des Schoners solche von acht bis zu vierzehn Jahren. Und diese fünfzehn Knaben, mit Einrechnung des Schiffsjungen, sollten weit weg verschlagen werden und die schlimmsten Abenteuer zu bestehen haben.
Wir führen nun nicht nur ihre Namen auf, sondern auch ihr Alter, Gewohnheiten, Charakter, Familienverhältnisse neben den Beziehungen, welche zwischen ihnen bestanden, als sie zur gewöhnlichen Zeit der beginnenden Spätsommerferien die Anstalt verließen.
Mit Ausnahme zweier Franzosen, der Brüder Briant, und Gordons, eines Amerikaners, sind alle englischer Abkunft.
Doniphan und Cross stammen aus der Familie reicher Landeigentümer, welche in der neuseeländischen Gesellschaft den ersten Rang einnehmen. Dreizehn Jahre und einige Monate alt, sind sie Vettern und zurzeit Mitglieder der fünften Abteilung. Der elegante und auf seine äußere Erscheinung streng haltende Doniphan ist unstreitig der hervorragendste Zögling. Geistig geweckt und eifrig, bewahrt er ehrgeizig sein Ansehen, teils aus Neigung sich auszubilden und zu lernen, teils infolge des Wunsches, seinen Kameraden immer voranzustehen. Ein gewisser aristokratischer Stolz hat ihm den Spitznamen »Lord Doniphan« erworben, und sein selbstwilliger Charakter verleitet ihn dazu, überall herrschen zu wollen. Dem entstammt zwischen Briant und ihm jene Rivalität, welche schon mehrere Jahre andauert, die aber nur noch СКАЧАТЬ