Название: Die Nackten und die Schönen
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711727010
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»Sie haben nichts angerührt?«
»Nichts – außer dem Telefon.«
»Auch mit niemandem im Haus über Ihren grausamen Fund gesprochen?«
»Mit keinem«, versichert Rita Panzer.
»Es wäre prima, wenn sich alle Zeuginnen so vernünftig verhielten wie Sie«, lobt der Hauptkommissar. »Bitte, gedulden Sie sich ein wenig, wir brauchen Sie noch.«
Sie gehen über die Wendeltreppe nach oben, fünf abgehärtete Kriminalbeamte, die beim Anblick dieses Mordopfers gegen die Übelkeit ankämpfen müssen. Während sich Dr. Rauschenbach über Evamarie Dutscheweit beugt, stellen die anderen Routiniers fest, daß die Wohnungsinhaberin verreisen wollte: Ein halbgepackter Koffer steht im Arbeitszimmer, der Wandschrank ist ebenso geöffnet wie die Schublade des Schreibtisches. Geldscheine und ein einzelner Brillantohrring liegen am Boden. Entweder wurde der Täter überrascht und mußte halbverrichteter Dinge abziehen, oder er wollte, reichlich dilettantisch, einen Raubmord vortäuschen.
Inzwischen hat Dr. Rauschenbach das blutverkrustete Gesicht des Opfers abgetastet und die Würgespuren am Hals entdeckt. »Ich schätze, daß die Tat erst vor einer Stunde, höchstens jedoch vor neunzig Minuten, verübt worden ist«, riskiert er ein vorläufiges Ergebnis und richtet sich auf. »Der Tathergang ist einfach: Die junge Frau wurde mit einem schweren Gegenstand niedergeschlagen und dann gewürgt. Die Reihenfolge könnte natürlich auch umgekehrt sein. Was nun genau den Tod ausgelöst hat, wird erst die Obduktion ergeben.«
»Klar«, entgegnet Pallauf. »Den schweren Gegenstand haben wir übrigens schon gefunden, Doktor.« Er zeigt dem Arzt einen blutverschmierten Aschenbecher aus Rosenquarz, den er als Beweisstück bereits sichergestellt hat. »Sagen Sie mal, könnte die Tat auch im Affekt geschehen sein?«
»Totschlag?« erwidert der Arzt. »Das ist keineswegs auszuschließen.«
»Käme als Täter auch eine Frau in Frage?«
»Mein lieber Pallauf, ich bin kein Hellseher«, entgegnet Dr. Rauschenbach. »Es wäre zwar unwahrscheinlich, ist aber nicht unmöglich.«
»Da haben wir auch ein Flugticket«, stellt Fischer II fest. »Die Dame wollte heute nach Paris fliegen. Abflug siebzehn Uhr.«
»Vermutlich in Begleitung«, sagt Laserke.
»Das ist die Frage«, versetzt Fischer II. »Aus dem Flugschein geht es leider nicht hervor.«
Der Chef der Mordkommission nickt, beobachtet einen Moment lang seine Leute, deren jeder für sich selbständig arbeitet. Er steht kurz vor der Pensionierung und verfügt schon deshalb über weit mehr Erfahrungen als Illusionen. Es widert ihn an, gelegentlich arme Teufel mit schäbigen Tricks in die Pfanne zu hauen; als noch widerlicher aber empfindet er es, Gauner im Frack schützen zu müssen, weil der Buchstabe des Gesetzes oder eine seiner Lücken es so vorsehen. Seine Vorgesetzten, die sich bereits fragen, wer Arnold Pallauf ersetzen soll, lassen ihm mehr Spielraum als den anderen Beamten. Trotzdem sind sie letztlich alle an die Paragraphen gebunden.
»Es ist klar, daß das Opfer den Täter gekannt haben muß, sonst hätte es ihn wohl nicht in die Wohnung gelassen«, stellt Laserke fest.
»Klar – und doch ungeklärt«, entgegnet Pallauf. »Der Täter könnte sich einen Nachschlüssel beschafft haben.«
»Es ist ein spezielles Sicherheitsschloß«, entgegnet sein Vize. »Niemand ist in der Lage, so einen Schlüssel nachzumachen. Das kann nur der Hersteller selbst. Und Kopien werden nur gegen Unterschrift geliefert, und jede von ihnen wird registriert.«
»Bestens«, erwidert der Hauptkommissar. »Stellt mal fest, wie viele Schlüssel es gibt.« Er geht an die Wendeltreppe. »Frau Panzer«, ruft er. »Würden Sie jetzt bitte hochkommen?« Die Zeugin greift automatisch nach ihrem Mantel und ihrer Handtasche. »Lassen Sie Ihre Sachen ruhig liegen«, sagt er jovial und gibt Füllgrabe einen Wink.
Während sie oben vernommen wird, durchsucht der Benjamin der Mordkommission flugs ihren Mantel und ihre Handtasche. Es ist nicht die feine Art, aber sicher ist sicher. Das Resultat ist, wie erwartet, negativ. Füllgrabe signalisiert es seinem Chef.
»Frau Panzer«, beginnt Pallauf mit der Vernehmung, »wie lange arbeiten Sie schon an diesem Platz?«
»Über vier Jahre.«
»Sie standen gut mit der Ermordeten?«
»Sehr gut sogar«, erwidert sie. »Sonst galt sie manchmal als schroff und als ziemlich geizig, aber mir gegenüber war sie immer freundlich und großzügig.«
»Da haben Sie also einen schlimmen Verlust erlitten.« Der Hauptkommissar nickt ihr aufmunternd zu. »Sie hatten einen Schlüssel für die Wohnung?«
»Natürlich. Es war eine Vertrauensstellung. Frau Dutscheweit hatte immer viel Bargeld und manchmal auch Schmuck in der Wohnung.«
»War das nicht leichtfertig?«
»Sie mußte häufig ganz plötzlich verreisen – wie heute zum Beispiel. Außerdem war sie sehr reich. Ansonsten hatte sie den größten Teil ihres Schmucks im Banksafe – nur wenn sie verreiste, wie jetzt, holte sie sich ein paar Juwelen ab, die sie tragen wollte.«
»Wie viele Wohnungsschlüssel gibt es eigentlich?«
»Drei«, antwortet die Zeugin. »Einen hat meine Dienstherrin, einen ich, und der dritte ist in Reserve.«
»Und noch am Platz?«
»Ja«, erwidert sie. »Ich hab’ das gleich kontrolliert.«
»Hatte Ihre Arbeitgeberin häufig Männerbesuch?«
»Nicht häufig, aber öfter«, erwidert Rita Panzer zögernd, »und das waren keine Männer, sondern Herren.«
»Sie wollen damit wohl sagen, daß sie bedeutende Positionen innehatten und sehr reich waren.« Er weist das Foto vor, das auf dem Nachttisch stand. »Dieser Herr zum Beispiel – kennen Sie ihn?«
»Ja. Nicht persönlich natürlich, aber ich weiß, daß er ein Mitglied der Krupp-Familie ist – Seitenlinie.«
»Und der kam öfter?«
»Ziemlich oft«, erwidert die Zeugin. »Wenn er nach Frankfurt kam, war Frau Dutscheweit für keinen anderen mehr zu sprechen. Sie hat sich übrigens mit fast allen ihren Verehrern gesiezt.«
»Danke, Frau Panzer. Sie können jetzt gehen, aber bitte hinterlassen Sie Ihre Adresse und ihre persönlichen Daten für das Protokoll. Sie haben keinen Verdacht?«
»Nein«, entgegnet die Vierzigerin.
Der gewiefte Kriminalist bemerkt ein Zögern. »Stand die Ermordete mit einem Hausbewohner in näherem Kontakt?« fragt er.
»Das kann ich nicht sagen. Aber der direkte Nachbar, Herr Miltner, hat gelegentlich Aufträge für sie übernommen – als eine Art Privatsekretär und Vermögensverwalter.«
»Aufträge welcher Art?«
»Ich СКАЧАТЬ