Die Nackten und die Schönen. Will Berthold
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Nackten und die Schönen - Will Berthold страница 5

Название: Die Nackten und die Schönen

Автор: Will Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711727010

isbn:

СКАЧАТЬ erwidert Gärig zerstreut. »Aber dieser Schluckesaft ist einfach unersetzlich«, stöhnt er. »Vertraut mit allen Schlichen, Finten und Usancen unserer köstlichen Branche. Überhöhte Gagenforderungen hat er abgeschmettert, mit Agenten ist er klargekommen und mit Schauspielern und der Selbstkontrolle wie nichts fertig geworden.« Lamentierend setzt er hinzu: »Wer soll mir diesen Mann ersetzen?«

      »Wie ich Sie kenne, werden Sie schon einen Ersatz finden – Schlitzohren gibt es ja genug in unserem Metier. Aber wie schlagen wir jetzt die Zeit bis zur Vorführung tot?«

      »Ihr Problem, Doktor«, versetzt der Produzent. »Ich muß zurück nach Frankfurt. Ich hab’ weiß Gott was noch alles zu erledigen. Gehen Sie mit Nurell anständig essen und präsentieren Sie mir eine saftige Spesenrechnung.«

      »Mir ist der Appetit inzwischen vergangen«, entgegnet der Jurist.

      In diesem Moment kommt Nurell zurück. »Diese Idioten von Polizei«, schimpft er schon von weitem. »Sie haben der Witwe doch tatsächlich genau erzählt, was vorgefallen ist, und jetzt ist sie außer sich. Als ich sie trösten wollte, hat sie mitten im Gespräch aufgehängt. Erst beim dritten Versuch habe ich die Fortsetzung geschafft. Ich soll Ihnen, Herr Gärig, persönlich bestellen, daß sie mit keinem AUWAG-Menschen mehr etwas zu tun haben will und auch nicht an der Beerdigung ihres Mannes teilnehmen wird.«

      »Dann legen wir den Toten auf Eis«, entscheidet der Traumfabrikant. »Eine Beerdigung paßt mir ohnedies jetzt nicht ins Konzept. Es ist ganz gut, wenn sie erst nach der Premiere und dem Luna-Jubiläum stattfindet – dann aber ganz groß.«

      »Aber wenn Frau Schluckesaft tatsächlich mauert?«

      »Lassen Sie sich deswegen keine grauen Haare wachsen«, versetzt Gärig. »Wenn wir über die Penunze sprechen, wird sie schon wieder mit uns zu tun haben wollen. Macht’s gut, Sportsfreunde!« verabschiedet er sich. »Tut mir leid, aber ihr müßt mit diesen Erbsenzählern allein fertig werden.«

      Neben seinem Cadillac hält ein grauer Ford, seinem Aussehen nach nicht mehr der jüngste, aus dem der schärfste Kritiker der AUWAG-Filme klettert: Fred Schusser, trotz der Plattformschuhe, die er trägt, ein kleiner Mann mit spärlichem Kopfschmuck; die Haare hat er in erster Linie auf den Zähnen. Seine Kolumne wird von einem halben Dutzend Zeitungen nachgedruckt und weist dem journalistischen Fußvolk die Richtung; der Daumen zeigt nach unten wie bei Kaiser Nero im Amphitheater.

      »Tag, die Herren«, sagt Schusser mit einem halbgaren Lächeln.

      »Wenn ich Sie schon sehe, dann ist mir der ganze Tag verleidet«, brummelt Gärig undiplomatisch.

      »Ganz meinerseits«, kontert der Scharfschütze der Feder und betritt das Biebricher Schloß.

      »Paßt bloß auf diesen Scheißkerl auf und haltet ihn euch zehn Schritte vom Leib«, mault der Produzent hinterher, bevor er mit Vollgas startet. Er hat es eilig – längst ist ihm die Idee gekommen, sich für das Fiasko mit Schluckesaft wenigstens finanziell zu entschädigen.

      3

      Viel zu früh macht sich Gremlitzka auf den kurzen Weg, verzichtet auf ein Taxi, bleibt einen Moment vor dem Goethe-Denkmal in der gepflegten Anlage stehen und stellt belustigt fest, daß der deutsche Dichterfürst so von Bankpalästen umstellt ist, daß es aussieht, als sei er in den Hinterhalt des großen Geldes geraten.

      Er geht weiter, mit schnellen, langen Schritten, die seine Unternehmungslust erkennen lassen. Er überlegt die Höhe eines ersten Angebots für. die unbezahlbare Käufliche. Er wird nicht kleckern, sondern klotzen. Dieser Gärig mag verdienen, was er will, aber wenn es bei Verhandlungen über bestimmte Summen hinausgeht, bleibt er einfach ein kleiner Mann, der B-Filme herunterkurbelt. Der Traumfabrikant hat nicht erfaßt, wie sich Evamarie Dutscheweit als sprudelnde Geldquelle erschließen läßt.

      Wenn ihre Gönner so hoch angesiedelt sind, werden sie ihre Nobelmätresse entweder fördern oder darauf bedacht sein, nicht als ihre Liebhaber auf der Leinwand kenntlich zu werden. Längst ist es üblich, daß branchenfremde Firmen als stille Teilhaber Filme mitfinanzieren, worauf Produktion wie Verleih immer erpicht sind. Erpressung lehnt Gremlitzka natürlich ab, aber wenn die Presse erst einmal das Filmvorhaben ausposaunt, wird das Vorleben des neuen Stars zu einem gefundenen Fressen für die Klatschspalten. Soweit die Herren von Geld und Welt Gönner, Sponsoren und Gelegenheitsgalane der munteren Dame waren oder sind, werden sie schnellstens ihre Anwälte zur Produktion oder dem Verleih schicken, und diese werden mit bombastischen Drohungen oder finanziellen Angeboten versuchen, ihre Klienten aus dem Drehbuch herauszuhalten oder gänzlich unkenntlich zu machen. Die öffentliche Moral und das private Wirken sind zwei Paar Stiefel. Nicht nur in den Auslagen der in Mode kommenden Supermärkte gibt es Mogelpackungen. Bei Schicklichkeit und Sitte sind sie weit größer.

      Wenn man die Verhandlungen mit Geschick, Delikatesse und Raffinement führt, sieht Gremlitzka eine Chance, Hunderttausende an diese Göttin der Sünde zu bezahlen und dabei Millionen zu verdienen – ganz abgesehen von persönlichen Gunstbeweisen, die sie ihm dann vielleicht sogar gratis gewähren wird.

      Einen Moment lang spürt der Verleihchef das unterkühlte Fluidum dieser Trapezkünstlerin der Sinnlichkeit und läuft beim Überqueren der Kaiserstraße in die Fahrbahn eines Straßenkreuzers. Der Mann am Steuer kann im letzten Moment seinen Blechriesen noch abbremsen; er dreht die Scheibe herunter und flucht lauthals und verständnislos, er wird ja auch nicht von der verwirrenden Ausstrahlung einer perfekten Lotterprinzessin genarrt.

      »Entschuldigen Sie bitte meine Schuld«, ruft der Tagträumer des Geldes und des Vorgenusses dem Fahrer zu. »Es soll nicht wieder vorkommen.«

      Der Mann beruhigt sich wieder und lenkt seinen Luxusschlitten mit den Haifischflossen weiter. Die überflüssigen Blecharabesken am Heck spiegeln den Zeitgeschmack wider: Gelsenkirchener Barockoko, Schnörkel auch noch auf der Straße. Seitdem der Überfluß den Mangel ablöste, addieren sich Statussymbole zum Geltungskonsum: Wenn die Meiers ihren Urlaub in Österreich verbringen, müssen ihre Nachbarn, die Müllers, mindestens nach Italien reisen. Wenn die Schulzes einen Opel fahren, wollen die Hubers mit einem Mercedes glänzen, dem man schließlich nicht ansieht, auf wie vielen Wechseln er läuft. Viele Zeitgenossen übernehmen sich, um etwas vorzuzeigen oder vorzutäuschen.

      So betrachtet, macht sich Gremlitzka klar, paßt diese Evamarie Dutscheweit, die Gespielin der ganz Großen, genau ins zeitgeschichtliche Bild: Sie bietet etwas, was sie zu Hause nicht finden, ist eine auffallend schöne Nebenfrau, die man mit Wonne seinen neidischen Freunden präsentieren kann, sozusagen als die Haifischflosse enthüllter Intimität.

      Der Luna-Chef hat die Hauptwache erreicht. Nahe dahinter liegt das Hochhaus, in dem die moderne Pompadour verschiedener Lustmonarchen wohnt. Ein Glas- und Marmorpalast, der mit Luxus prunkt. Vermutlich entsprechen die Liquidationen dreier Ärzte im Erdgeschoß und die Honorare der vier Anwälte im ersten Stock dem Status des Hauses.

      Gremlitzka schaut auf die Uhr: Er ist noch etwas zu früh dran. Gewohnt, auf die Minute pünktlich zu erscheinen, geht er noch einmal um den Palazzo des deutschen Wunders herum.

      Das Glasportal steht tagsüber offen, doch, wie mit Gärig verabredet, klingelt der Besucher an dem Namensschild »Schlenker« dreimal kurz. Es ist das Erkennungssignal für Delilah. Als Gremlitzka die Halle durcheilt, trägt er, gleich vielen Filmschaffenden, trotz des schlechten Wetters eine Sonnenbrille; sie gehört ebenso zum Habitus der Branche wie saloppe Garderobe, am besten Cordhose und Pullover.

      Vor dem Lift warten vier Herren und eine Dame; sie steigen unterwegs aus. Der Mann mit der Sonnenbrille СКАЧАТЬ