Название: Die Nackten und die Schönen
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711727010
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»Das mag schon sein«, entgegnet Gärig. »Aber solange alles so bleibt, wie es ist, stricke ich meine sieben, acht Filme jährlich nach der bisherigen Erfolgsmasche.«
Der Aufbruch der Evamarie Dutscheweit beendet das Streitgespräch. Der Blickfang läuft Spießruten durch eine Allee männlicher Huldigung. Die Blicke und Wünsche vieler Größen des Filmgeschäfts geleiten sie hinaus und folgen ihr im Geist bis zu ihrer Maisonette-Wohnung.
»Mensch, Gärig«, sagt der Luna-Chef. »Das war doch eine prächtige Idee, diesen Wonnebrocken auf die Leinwand zu bringen. Warum hast du sie nur so schnell aufgegeben? Diese Luxusbiene ist genau, was wir suchen«, begeistert er sich. »Ich schaff’ das, was dir mißlungen ist: Ich stell’ sie vor die Kamera! Sie hat halt das, was die Leute sehen wollen, die sich so einen Leckerbissen nicht leisten können: vulgäre Dezenz, schräge Eleganz, geile Unnahbarkeit, damenhafte –«
»Übernimm dich nicht«, fällt ihm Gärig ins Wort. »Im Prinzip bin ich diesmal durchaus deiner Meinung, schließlich hab’ ich bei dieser Sirene einen ersten Versuch unternommen. Aber dann kamen mir doch Bedenken. Wie willst du zum Beispiel dieses verhurte Prachtstück durch die Filmselbstkontrolle schleusen?«
»Durch Läuterung und Reue«, erwidert der Mann vom Verleih. Er schürzt die Lippen. »Bei der Filmselbstkontrolle herrscht mehr Freude über eine Sünderin, die Buße tut, als über –«
»Alte Huren werden fromm«, unterbricht ihn der Produzent. »Damit lockst du keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor.«
»Stell dich doch nicht so an, Auwa. Wir müssen uns eben etwas einfallen lassen: eine knallharte Story zum Beispiel, in der die Wundernutte am Ende schrecklich umkommt. Damit hast du dein Alibi und kannst vorher die schönsten Ferkeleien zeigen. Verstehst du: Die Moral muß vom Drehbuch ausgehen.«
Gärig nickte. Gremlitzka hat nicht seine Nase, aber Einfälle und Ideen, zudem versteht er sein Handwerk.
»Willst du nicht noch einmal mit der Dame Dutscheweit reden?« fragt der Verleihchef.
»Ich nicht«, versetzt der Produzent. »Aber vielleicht versuchst du dein Glück.«
»Mach’ ich«, erwidert Gremlitzka. »Du mußt mir nur die Verbindung herstellen.«
»Unter einer Bedingung«, entgegnet Gärig. »Falls du mit ihr zurechtkommst, wird sie ausschließlich der AUWAG zur Verfügung stehen.«
»Einverstanden. Du bekommst sie exklusiv, wenn ich sie einkaufen kann. Jeder Termin ist mir recht. Wir sollten so rasch wie möglich mit dieser Sündenbraut in die vollen gehen.«
»Ich tu’, was ich kann«, verspricht der Produzent. »Gleich morgen früh.«
Das Spiel mit dem Feuer beginnt, obwohl seine Teilnehmer wissen müßten, daß Geschäfte mit Luzifers Tochter in des Teufels Küche führen.
2
Der Produzent mit der goldenen Nase erlebt nach einer unruhigen Nacht einen unguten Morgen. Er hat schlecht geschlafen, weil ihn Gremlitzkas Neuerungsforderungen verfolgten. Gärig ist zu gerissen, um nicht zu spüren, daß sein Partner vom Luna-Verleih im Grunde recht hat; er nimmt sich verdrossen vor, zumindest teilweise auf seine Vorschläge einzugehen. Dann teilt ihm Syndikus Kupski mit, daß die AUWAG-Hausbank die vorläufige Zusage zur Finanzierung des ersten Kriegsfilms wegen der zu hohen Produktionskosten zurückgezogen hat.
»Deswegen brauchen Sie mich doch nicht um Mitternacht zu wecken«, fährt ihn Gärig an. Er verfügt über Geld genug, seine Filme aus eigener Tasche zu finanzieren, zieht es aber vor, sich die Mittel günstig zu pumpen und die eigenen lukrativer anzulegen. Immer wieder macht er seine Leute mit seiner Geldphilosophie vertraut: Ein Mann mit null Mitteln ist ein Habenichts, aber einer mit einer Million Schulden und einer Million Eigenkapital ein erfolgreicher Unternehmer.
»Mitternacht ist bei Ihnen wohl um neun Uhr morgens«, stellt der Jurist fest. »Außerdem wollte ich noch vorschlagen, den heutigen Vorführungstermin von ›Liebe am Lago‹ in Biebrich zu verschieben. Es ist so«, fährt er fort, bevor ihn Gärig unterbrechen kann. »Ein paar konservative Blätter haben einen gleichzeitigen Großangriff auf die angebliche Laxheit der Filmselbstkontrolle gestartet. In diesem Moment sind die Juroren außer Rand und Band und wollen beweisen, wie streng und unerbittlich sie sind.«
»Schöne Bescherung«, erwidert der Produzent mit unterdrücktem Zorn. »Ich kann die Absegnung nicht verschieben. Die Premiere wird mit dem Luna-Jubiläum zusammengelegt, und das ist am Freitag nächster Woche in München. Wir wollen ›Liebe am Lago‹ mit großem Tamtam in riesiger Starbesetzung starten. Auf diese Gratisreklame möchte ich unter keinen Umständen verzichten.«
»Versteh’ ich alles – aber ich mußte Sie warnen, Gärig.«
»Unser Schluckesaft wird das schon schaffen«, versetzt der Produzent nun doch beunruhigt. »Er ist ein cleverer Junge, und –«
»Aber Biebrich muß ein Exempel statuieren.«
»So ein Mist«, schimpft Gärig. »Von wo rufen Sie an, Doktor?«
»Ich bin noch im Hotel«, antwortet der Jurist.
»Warten Sie bitte auf mich im Frühstücksraum. Ich komm’ gleich.«
Gärig duscht, rasiert sich und schlüpft in einen der Maßanzüze, die sein Übergewicht vorzüglich tarnen. Er geht nach unten, wo ihn Dr. Kupski und Gremlitzka erwarten.
»Nimm das nicht auf die leichte Schulter, Auwa«, empfängt ihn der Verleihchef.
»Aber ›Liebe am Lago‹ ist doch ein ganz harmloser Streifen.«
»Was du für harmlos hältst, bewerten die als anstößig«, erklärt der große Blonde. »Für wann ist denn die Vorführung angesetzt?«
»Zehn Uhr dreißig«, antwortet Gärig. »Und der Streifen ist zweiundneunzig Minuten lang.«
»Dann genügt es, wenn ihr kurz vor zwölf auf Schloß Biebrich eintrefft«, stellt Gremlitzka fest. »So tüchtig Schluckesaft auch ist, laßt ihn nicht allein.«
»Paßt mir gar nicht«, erwidert der vielbeschäftigte Anwalt.
»Mir auch nicht«, stimmt ihm Gärig zu. »Abfahrt elf Uhr – in meinem Wagen. Tut mir leid, Doktor.«
»Mir auch«, versetzt der gutaussehende Mann mit dem intelligenten Gesicht, bekannt für seine aggressive Zivilcourage.
»Er wird diese komische Selbstkontrolle in ihre Bestandteile zerlegen, wenn es sein muß«, stellt Gremlitzka fest. »Hast du die Dame Dutscheweit schon angerufen?« fragt er dränglerisch.
»Nicht jetzt. Die schläft doch immer bis Mittag.«
Der Verleiher sieht auf die Uhr. »Versuch’s trotzdem«, bittet er. »Ich kann nicht den ganzen Tag in Frankfurt herumsitzen wie ein Pennäler, der pinkeln muß und das WC nicht findet.«
»Wenn СКАЧАТЬ