Название: Ekkehard
Автор: Joseph Victor von Scheffel
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783966510820
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Wir sind an Moengals Pfarrhaus, sprach der Alte, tretet ein. Ihr werdet hoffentlich dem Bischof zu Konstanz keinen Bericht von meinem Hauswesen erstatten, wie jener Dekan von Rheingau, der behauptete, er habe bei mir Krüge und Trinkhörner von einer jedem Zeitalter verhassten Größe erschauen müssen. Sie traten in eine holzgetäfelte Halle. Hirschgeweih und Auerochsenhörner hingen über dem Eingang, Jagdspieße, Leimruten, Fischgarne lehnten in malerischer Unordnung an den Wänden, an das umgestürzte Fässlein im Winkel schmiegte sich der Würfelbecher: wäre es nicht des Leutpriesters Behausung gewesen, so hätte füglich auch der Förster des kaiserlichen Bannwaldes hier wohnen können.
Es stand ein Krug säuerlichen Weines auf dem Eichentisch, auch Brot und Butter lieferte die Vorratskammer. Dann kam der Leutpriester aus der Küche zurück, hielt sein Gewand wie eine gefüllte Schürze und schüttelte einen Platzregen von geräucherten Gangfischen vor seinen Gast. Heu! quod anseres fugasti antvogelosque et horotumblum! Weh, dass du mir die Wildgänse verscheuchst und die Enten samt der Rohrdommel! sprach er, aber wenn einer nur die Wahl zwischen Gangfisch und gar nichts hat, greift er immer noch zum ersten.
Glieder derselben Genossenschaft sind schnell befreundet. Ein lebhaftes Gespräch erhob sich beim Imbiss. Aber der Alte hatte mehr zu fragen, als Ekkehard beantworten konnte; von so manchem seiner alten Brüder war nichts mehr zu berichten, als dass sein Sarg eingemauert stand bei dem der andern und ein Kreuz an der Wand und ein Eintrag im Totenbuch die einzige Spur, dass er gelebt; – die Geschichten und Spässlein und Klosterfehden, wie sie sich vor dreißig Jahren erzählt wurden, waren durch neue ersetzt, und was seit damals geschehen, ließ ihn gleichgültig. Nur wie Ekkehard von dem Zweck und Ziel seiner Fahrt sprach, rief er: Hoiho, Confrater, was habt Ihr wider die Jagd gesprochen und ziehet ja selber auf Edelwild aus!
Aber Ekkehard lenkte ab. Habt Ihr noch nie Heimweh nach des Klosters Stille und Wissenschaft verspürt? fragte er.
Da flammte des Leutpriesters Aug': Ward Catilina von Heimweh nach den Holzbänken des römischen Senats geplagt, nachdem von ihm gesagt war: excessit, evasit, erupit? Junges Blut versteht das nicht. Fleischtöpfe Ägyptens?! ille terrarum mihi praeter omnes... sprach der Hund zum Stall, in dem er sieben Jahre gelegen.
Ich versteh' Euch allerdings nicht, sprach Ekkehard. Was schuf Euch solche Änderung der Sinnesart? Er warf einen Seitenblick auf das Jagdgerät.
Die Zeit, gab der Leutpriester zurück und klopfte seinen Gangfisch auf dem Eichentisch mürb, – die Zeit und wachsende Erkenntnis. Das braucht Ihr aber Eurem Abte nicht zu berichten. Bin auch einmal ein Bursch gewesen wie Ihr, Irland zieht fromme Leute, sie wissen's hier zu Land. Eheu, wie war ich untadligen Gemütes, wie ich mit Oheim Marcus von der Wallfahrt gen Rom zurückkam. Hättet den junge Moengal sehen sollen, die ganze Welt war ihm keinen Gründling wert, aber Psallieren, Vigilien singen, geistliche Übungen halten: das war mein Labsal. Da ritten wir in Gallus' Kloster ein – einem heiligen Landsmann zu Ehren macht ein braver Irländer schon ein paar Meilen um, – ich aber bin ganz dort hängen geblieben. Kleider, Bücher, Gold und Wissen, der ganze Mensch war des Klosters, und der irische Moengal ward Marcellus geheißen und warf seines Oheims silberne und goldene Pfennige zum Fenster hinaus, dass die Brücke abgebrochen sei, die zur Welt zurückführt. Waren schöne Jahre, sag' ich Euch, hab' gewacht und gebetet und studiert nach Herzenslust.
Aber viel Sitzen ist schädlich dem Menschen und viel Wissen macht überflüssige Arbeit. Manchen Abend hab' ich gegrübelt wie ein Bohrwurm und disputiert wie eine Elster, nichts war unergründlich: wo das Haupt Johannis, des Täufers, begraben liege, und in welcher Sprache die Schlange zu Adam gesprochen – alles klar erörtert, nur daran war ich nicht zu denken geraten, dass der Mensch auch Knochen und Fleisch und Blut mit sich in die Welt bekommen. Hoiho, Confrater, da kamen böse Stunden, mögen sie Euch erspart bleiben! der Kopf ward schwer, die Hände unruhig, am Schreibtisch kein Bleiben, in der Kirche kein Knien – fort! hieß es, nur fort und hinaus! Dem alten Thieto sagt ich dereinst, ich habe eine Entdeckung gemacht. Was für eine? Dass es jenseits unserer Mauern frische Luft gebe... Da versagten sie mir den Ausgang, aber manche Nacht bin ich heimlich auf den Glockenturm gestiegen und hab' hinausgeschaut und die Fledermäuse beneidet, die in den Tannenwald hinüber flogen... Confrater, dagegen hilft kein Fasten und kein Beten, was im Menschen steckt, muss heraus.
Der vorige Abt hat billige Einsicht genommen und mich auf Jahresfrist hierher geschickt, aber der Bruder Marcellus kam nimmer heim. Wie ich hier im Schweiß meines Angesichtes den Tannbaum fällte und den Strichvogel aus den Lüften herunterholte, da ist mir ein Licht aufgegangen, was gesund sein heißt – Fischfang und Weidwerk beizen die unnützen Mücken aus dem Kopf – so stehe ich seit dreißig Jahren der Zelle Radolfi vor, rusticitate quadam imbutus, einer gewissen Verbauerung ausgesetzt, was verficht's? Ich bin gleich der Kropfgans in der Wüste, gleich der Eule, die in Trümmern nistet, sagt der Psalmist, aber frisch und stark, und der alte Moengal gedenkt sobald noch nicht ein stummer Mann zu werden und weiß, dass er wenigstens vor einem Unglück sicher sein darf...
Was meint Ihr für ein Unglück? frug Ekkehard.
Dass ihm Sankt Petrus dereinst den himmlischen Torschlüssel vor die Stirn schlägt und spricht: hinaus mit dir, der du unnütz und eitel Philosophie getrieben!
Ekkehard ließ sich auf Moengals Herzensergießungen nicht näher ein. Ihr habet wohl rauen Dienst in Sorge der Seelen, sprach er, versteckte Herzen, Heidentum und Ketzerei...
's geht an, sprach der Alte, im Mund der Bischöfe und kaiserlichen Räte, in den Kapitularien und Synodalbeschlüssen nimmt sich's haarsträubend aus, wenn sie den heidnischen Irrwahn abzeichnen und mit Strafsatzung bedräuen. 's ist eben alter Glaube hierlands, im Baum und Fluss und auf lustiger Bergeshöhe der Gottheit nachzuspüren. Jeder auf der Welt muss seine Apokalypsis haben, die Hegauer suchen sie draußen... es lässt sich auch etwas dabei denken, wenn der Mensch frühmorgens im Schilfe steht und die Sonne über ihm aufgeht...
Deshalb kommen sie am Tage des Herrn doch zu mir und singen die Messe mit, und wenn der Sendbote ihnen nicht so manchen Strafschilling aus dem Sack zwickte, würden sie noch fröhlicher sich zum Evangelium wenden. –
Stoßt an, Confrater, die frische Luft... Erlaubt, sprach Ekkehard mit feiner Wendung, dass ich das Wohl des Marcellus, des Lehrers an der Klosterschule, des Verfassers der irischen Übersetzung des Priscianus trinke.
Mir auch recht, lachte Moengal. Was aber die irische Übersetzung betrifft, die möchte einen Haken haben.
Gottlob es wird schon dunkel!
Heiliger Patrik von Armagh, erlöse mich von der Schreiberei!
O dass mir ein Glas alten Weines zur Seite stünde usw.
In Ekkehard war das Verlangen groß, seinen hohen Twiel zu erreichen. Kurz vor dem Ziele langer Fahrt hat noch selten einer lange Rast gehalten. Der Berg steht fest in der Erden, sprach zwar Moengal, er entfleucht Euch nimmer.
Aber Moengals Wein und seine Lehre von der frischen Luft hatten für den, der einer Herzogin entgegen sollte, wenig Verstrickendes. Er brach auf.
Ich geh' mit Euch bis an des Pfarrsprengels Grenze, sagte der Leutpriester, heute dürft Ihr mir noch zur Seite gehen, trotz meines verblichenen Gewandes; wenn Ihr auf dem Berg droben festsitzet, dann werdet Ihr meinen, die Verklärung sei über Euch gekommen, und werdet ein vornehmer Herr werden, und wenn Ihr dereinst an Frau Hadwigs Seite gen Radolfs Zelle geritten kommet, und der alte Moengal steht an der Schwelle, so wird ihm eine gnädige Handbewegung als Almosen zugeworfen – der Weltlauf! Wenn der Heuerling groß geworden, heißt er Felchen und frisst die Kleinen seines Geschlechts.
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