Название: MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken
Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Matthew Corbett
isbn: 9783958355026
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Die Häuser spien ihre Menschen auf die Straßen. Viele hatten ihre Morgenmäntel an, aus denen in der Kälte die nackten Beine herauslugten. Laternen schwangen vor und zurück wie auf einer Mittwinterversammlung von Glühwürmchen. Nachtwachtmeister eilten recht hilflos umher und hielten ihre grünen Lampen als Zeichen der Autorität hoch, so fragwürdig diese auch sein mochte. An der Ecke der Broad und Princes Street prallte Matthew fast mit dem alten Benedict Hamrick zusammen, der sich für einen ehemaligen Soldaten hielt und dessen weißer Vollbart ihm bis an seine mit Spucke polierte Gürtelschnalle hinunterhing. Hamrick marschierte eine ohrenbetäubende Blechtrillerpfeife blasend umher und schrie jedem, der ihm Gehör schenkte, unverständliche Befehle zu – was bedeutete, dass er in seinem Fantasiereich der Coldstream Guards keinen einzigen Soldaten mehr hatte.
Trotz des alltäglichen Chaos, der schnatternden Händler und dem Pferdemist in den Straßen und Sklaven in den Dachstuben wurde New York in Krisenmomenten zu einem zielstrebigen Moloch. Die Einwohner von Manhattan waren wie Ameisen, die aus einem getretenen Nest herausschwärmten und sich fieberhaft verteidigten. Aus Häusern und Scheunen wurden Eimer zutage gefördert. Ein mit Eimern beladener Pferdewagen kam die Broad Street heruntergeklappert. Gruppen von Männern fanden sich zusammen, schnappten sich die Eimer und rannten los, um an den Brunnen Position zu beziehen. Irgendwie nahmen die Löschketten innerhalb von Minuten nach Gilliam Vincents erstem Schrei Form an. Wasser kam in Bewegung, wurde schneller und schneller die Schlange entlanggereicht. Dann gabelte sich die Löschkette in zwei oder drei Schlangen, sodass von mehreren Punkten aus Wasser aufs Feuer geworfen werden konnte – das nicht das Dock House Inn verzehrte, wie sich herausstellte, sondern eine Lagerhalle in der Dock Street verschlang, in der Schiffstaue hergestellt und gelagert wurden.
Es war ein heißer Brand. Ein Brand, dessen Zentrum weiß glühte, und Augenbrauen versengen und die Gesichter der Nächststehenden anschwellen lassen konnte. Selbst Matthew, der mit den anderen fieberhaften Ameisen einen Straßenblock weiter nördlich arbeitete, konnte Hitzewellen in staubigen Wogen an sich vorbeirollen fühlen. Die Arbeit ging weiter. Die Eimer bewegten sich so schnell, wie die Muskeln es zuließen, aber schon sehr bald wurde offensichtlich, dass die Lagerhalle sich nicht mehr retten lassen würde. Alles Wasser musste dazu benutzt werden, die umliegenden Gebäude zu nässen, um ein noch schlimmeres Unglück zu verhindern. Irgendwann tauchte der alte Hooper Gillespie auf, zeterte über einen Angriff der Holländer, wurde aber von niemandem beachtet, sodass er sich mit finsteren Blicken und um sich spuckend in Richtung Hafen davonschlich.
Gebrüll und Rufe wurden laut, als die letzte Wand der Lagerhalle zusammenbrach. Die aufstiebenden Funken wurden dort, wo sie landeten, unter Stiefeln ausgetreten. Noch mehr Wasser wurde auf die nassen, dampfenden Holzwände der Häuser links und rechts geworfen, und endlich, als Stunden verstrichen waren und die Muskeln erschlafften, war der südlichste Zipfel der Stadt gerettet. Aber der Schiffstauhändler Johannis Feeg weinte über seinem Haufen schwelender Asche bittere Tränen.
Endlich war die Arbeit beendet. Die Schänkenbesitzer rollten Bierfässer nach draußen und schlugen sie auf der Straße an; man konnte nie wissen, wann man eine Löschkette brauchen würde, und es war sicherer, sich die Bürger warmzuhalten als in solchen Zeiten zu knausern. Matthew holte sich mit der Holztasse, die man ihm in die Hand gedrückt hatte, etwas zu trinken, und marschierte mit anderen verdreckten Löschmännern auf die rauchende Ruine zu.
Außer Rauch war nicht mehr viel übrig. Matthew sah andere Männer durch die Asche stapfen, der Glut in die Augen treten und sie dann auszudrücken, um ganz sicherzugehen. Der Geruch von bitterem Rauch, von Staub und Hitze klebte wie raues Flanell in den Lungen. Männer, die dem Feuer am nächsten gewesen waren, stolperten verrußt und halb gekocht umher, und nickten erschöpft, wenn andere ihnen Becher mit Bier in die Hände drückten.
»Na, das war ein frohes Ereignis, nicht wahr?«
Matthew drehte sich zu der Stimme um, hatte Gardner Lillehorne aber bereits am Ton erkannt, der an diesem Abend wie eine Wespe auf der Suche nach etwas klang, das sie stechen konnte.
Der dürre Hauptwachtmeister gab bei Weitem keine so perfekt modische Erscheinung wie üblich ab, denn Asche verunzierte seinen dunkelgrünen Mantel, der am Kragen und den Ärmelaufschlägen mit lilafarbenen Borten verziert war. Leider waren die Ärmelaufschläge besudelt und sein weißes Hemd gelblich wie schmutzige Zähne. Sein grüner Dreispitz war dunkel von Asche und die kleine rote Feder daran zu einer Fluse verbrannt. Ruß lag in Striemen auf seinem langen, bleichen Gesicht mit den schmalen, schwarzen Augen, der kleinen spitzen Nase und dem akkurat getrimmten Ziegenbart und schwarzen Schnäuzer. Selbst der silberne Löwenkopf am Griff seines Ebenholzstocks sah versengt und dreckig aus. Lillehornes Blick schweifte kurz von Matthews Augen ab über die umherwandernde Menschenmenge. »Ein frohes Ereignis«, wiederholte er. »Für Mr. Feegs Konkurrenten zumindest.«
Matthew spürte, dass jemand von hinten an ihn herantrat. Er drehte den Kopf und sah Berry, in einen braunen Mantel gehüllt, die Haare wild im rauchigen Wind und mit Asche auf ihren sommersprossigen Wangen. Sie blieb stehen, als er sie sah, wie von den unausgesprochenen Worten aufgehalten, sich nicht zu nähern.
Fast gleichzeitig fiel Matthew der widerwärtige untersetzte Wachtmeister und Intrigant Dippen Nack auf, der wie ein kleines, krabbelndes Raubtier zum Hauptwachtmeister aufschloss, den er für dessen Arroganz und Eselshaftigkeit zu bewundern schien. Für Matthew war der breitbrüstige, rotgesichtige Nack ein brutaler Tyrann und, schlimmer noch, ein Feigling, der seinen schwarzen Schlagstock nur denen überzog, die nicht zurückschlagen konnten.
»Was sagen die Leute?«, fragte Lillehorne; ein Indiz dafür, dass der Hauptwachtmeister seinem teuflischen Verehrer vor kurzem auf eine Mission geschickt hatte.
»Viele Leute haben’s gehört, Sir«, antwortete Nack mit den hängenden Schultern unehrlicher Unterordnung. »Jawohl, Sir! Ein Kanonenschuss sei’s gewesen, sagen sie alle!« Und dann fügte er wie als letzten Schliff für wurmstichiges Holz hinzu: »Sir!«
»Ein Kanonenschuss?« Wie der Pfeil an einem Wetterhahn richtete sich Matthews Neugierde sofort auf diese Information. »Von wo?«
»Über diese Auskunft verfüge ich noch nicht, danke auch der Nachfrage.« Lillehornes Nasenflügel kräuselten sich und er betupfte sie sanft mit einem grünen Taschentuch. Durch den Rauchgestank hindurch nahm Matthew den Geruch von zu süßlichem Parfüm wahr.
»Manche Leute meinten, sie glauben, dass es von da draußen kam.« Nack deutete mit seinem Schlagstock gen Süden. »Und dann ist das Ding in die Luft geflogen.«
»In die Luft geflogen?«, fragte Matthew. Fast dieselben Worte, die Gilliam Vincent benutzt hatte. »Warum drückt Ihr das so aus?«
»Na, guckt doch«, antwortete Nack, dessen Wut nie weit СКАЧАТЬ