Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte. Auerbach Berthold
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Название: Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

Автор: Auerbach Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788726614534

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СКАЧАТЬ vielleicht schon manchem Leser aufgefallen sein, dass der Beamte einen einfachen Bauersmann mit Herr anredete. Schon um dieses einzigen Umstandes willen verdiente der Oberamtmann eine nähere Betrachtung, wenn wir auch nicht noch mehr mit ihm zu thun bekämen.

      Die schlanke feingegliederte Gestalt, dem Ansehen nach im Anfange der dreissiger Jahre stehend, bekundete in der ganzen Haltung etwas sorglich aber ohne Aengstlichkeit Geordnetes. Es lag darin jene schlichte Wohlanständigkeit, die uns bei einer Begegnung auf der Strasse oder im Felde darauf schwören liesse, dass der Mann in einem wohlgestalteten Heimwesen zu Hause sei. Die blauen Augen unseres Amtmannes waren leider durch eine Brille verdeckt, der braune Bart war unverschoren; nur gab es dem Gesichte etwas seltsam Getrenntes, dass die Bartzier auf der Oberlippe allein fehlte; denn es wird noch immer als eine Ungehörigkeit für einen Mann in Amt und Würden betrachtet, den vollen Bart zu haben. Diese neue Etikette rechtfertigte sich noch persönlich bei unserem Amtmann, der nebst der Gewohnheit des Rauchens auch die des Tabakschnupfens hatte. Die Dose diente ihm zugleich auch als Annäherung an viele Personen, denn es bildet eine gute Einleitung und versetzt in eigenthümliches Behagen, wenn man eine Prise anbietet und empfängt. Unser Amtmann bestrebte sich auf alle Weise, sein Wohlwollen gegen Jedermann zu bekunden.

      Er stammte aus einer der ältesten Patrizierfamilien des Landes, in welcher, dem Sprüchworte nach, alle Söhne geborene Geheimeräthe waren. Nach vollendeten Studien hatte er mehrere Jahre in Frankreich, England und Italien zugebracht, und gegen alle Familiengewohnheit hatte er, nachdem er Assessor bei der Kreisregierung geworden war, diese gerade Carriere aufgegeben und sich um seine jetzige Stelle beworben. Er wollte mit den Menschen persönlich verkehren und ihnen nahe sein, nicht blos immer ihr Thun und Lassen aus den Akten herauslesen. In dem Städtchen gab es manches Gespötte darüber, dass er jeden Mann im Bauernkittel, mit Herr anredete, die Honoratioren fühlten sich dadurch beleidigt; er kehrte sich aber nicht daran, sondern war emsig darauf bedacht, Jedem seine Ehre zu geben und seine Liebe zu gewinnen. Seine Natur neigte zu einer gewissen Vornehmigkeit, dessen war er sich wohl bewusst, und trotz seines eifrigsten Bemühens war es ihm lange Zeit nicht möglich geworden, ungezwungen sein innerstes Wohlwollen zu bekunden. Es fehlten die Handhaben, er bewegte sich mehr in Abstractionen als in bildlicher Anschauung und Ausdrucksweise; er konnte sich aber hierin nicht zwingen, die Menschen mussten seine Art nehmen wie sie war. Oft beneidete er das Gebaren seines Universitäts-Bekannten, des Doktors Pfeffer, der so frischweg mit den Leuten umsprang; aber er konnte sich dieses nicht aneignen.

      Durch den landwirthschaftlichen Verein, der vor ihm blos eine Spielerei oder ein Nebenbau der Bureaukratie gewesen war, gewann unser Amtmann ein natürliches, persönliches Verhältniss zu den Angesehensten seines Bezirkes. Auch mit unserm Luzian war er dort auf heitere Weise vertraut geworden.

      Auf dem Wege nach dem Wirthshause begegnete den Beiden der Wendel, und der Oberamtmann fragte: „Soll ich nichts ausrichten an unser’ Amrei?“

      „Dank schön, Herr Oberamtmann, nichts als einen schönen Gruss.“

      Im Weitergehen erzählte der Beamte wie glücklich er und seine Frau seien, dass sie die wohlerzogene Tochter Wendels als Dienstmädchen im Hause hätten.

      Im Wirthshause war Luzian viel gesprächsamer, indem er seine Ansicht entwickelte, dass man das beschädigte Korn rasch schneiden, jede Garbe in zwei Wieden binden und so aufrecht auf dem Felde dorren und zeitigen lassen müsse. Der Oberamtmann stimmte ihm vollkommen bei. Es bedurfte aber vieler Arbeit, um solches zu bewerkstelligen; die hellen Mondnächte mussten dazu genommen werden. Der Oberamtmann versprach ein schleuniges Ausschreiben an den ganzen Bezirk um Beihülfe, und Luzian sagte endlich: „Ich will heuť noch nach Althengstfeld reiten, die müssen uns helfen.“

      „Ich mache den Umweg und reite mit,“ sagte der Amtmann.

      Aus allen Häusern schauten sie auf, als man Luzian neben dem Oberamtmann durch das Dorf reiten sah.

      In dieser Woche wurde fast übermenschlich gearbeitet, aber auch Hülfe von allen Seiten kam. Nacht und Tag wurde unablässig geschnitten und gebunden; nur am heissen Mittag gönnte man sich einige Stunden Schlaf. Am Samstag Abend lag Alles zu Bette, bevor die Betglocke läutete.

      Es donnert und blitzt abermals.

      Der Sonntag war wieder da. An diesem hellen Morgen wurde im Hause Luzians bitterlich geweint. Bäbi stand bei der Mutter in der Küche und betheuerte unter immer erneuten Thränen, sie nehme sich eher das Leben, ehe sie allein zur Kirche gehe. „Der Vater muss mit, der Vater muss mit!“ jammerte sie immer. Auf weitere Gründe liess sie sich nicht ein, als dass der Vater ja doch am nächsten Sonntag in die Kirche müsse. Auf die Entgegnung, dass die Trauung ja in Althengstfeld sei, wiederholte sie stets nur ihren Jammerruf. Sie wollte heute communiciren und sie durfte nicht sagen, dass sie auf die Frage in der Beichte die Gottlosigkeit ihres eigenen Vaters bekannt und darauf das Gelöbniss abgelegt hatte, Alles aufzubieten, um ihren Vater zur Reue und zum Kirchenbesuche zu bringen; nur unter dieser Bedingung hatte sie die Absolution erhalten.

      „Geh’ nein, die Mutter soll’s ihm sagen,“ tröstete endlich die Frau.

      „Sie will nicht,“ entgegnete Bäbi.

      „Probir’s noch einmal.“

      Bäbi ging hinein, die Alte blieb aber bei ihrem Sprüche: „Was mein Luzian thut ist brav, und was er nicht thut da weiss er warum.“

      „Man muss keinen Hund tragen zum Jagen,“ ergänzte Luzian.

      Da warf sich Bäbi vor die Ahne auf die Kniee und geberdete sich wie rasend in Jammer und Klage; sie schwur, sich ein Leids anzuthun, sie wisse nicht was sie thäte, wenn der Vater nicht mit in die Kirche gehe. So hatte man das Mädchen noch nicht gesehen und die Ahne sagte endlich: „Ja, thu’s doch Luzian, thu’s dem Kind.“

      „Mutter, ist’s Euer Ernst, dass ich dem neuen Pfarrer in die Kirch’ gehen soll?“

      „Ja, thu’s in Gottes Namen, thu’s mir zulieb.“

      „Mutter, das ist der höchste Trumpf, den Ihr ausspielen könnet, Ihr wisset wohl wenn Ihr saget: „ „thu’s mir zulieb,“ “ da muss ich.“

      „Ja, es muss Alles einmal ein End’ haben, du hast dich lang genug gewehrt; ich wart’ auf dich und geh’ mit.“

      „Bäbi! Hol’ mir den Rock und das Gebetbuch,“ schloss Luzian. Das Verlangte war schnell bei der Hand.

      Heute ging die Ahne seit langer Zeit wieder mit der gesammten Familie, sie führte sich an Luzian. Egidi mit der Frau und den beiden jüngeren Kindern war von der Mühle heraufgekommen und schloss sich auch dem Zuge an. Alle strahlten voll Freude, als brächten sie ein hehres Opfer. Wer weiss was sie opfern?

      Luzian ging still dahin; es liess sich nicht erkennen, ob sein zögernder Schritt aus einem Missmuthe kam, oder ob er blos der Mutter zulieb so bedächtig einherging. Er dankte Allen, die ihn grüssten, mit ernster Miene. In der That war es ihm fast lieb, dass er durch so heftiges Bitten zum Kirchgange gezwungen wurde, er kam dadurch aus dem vereinsamten Kampfe, in dem er nach verlorener Schlacht fast noch allein auf dem Wahlfelde verblieben war. Er nahm sich vor, keinerlei Groll zu hegen und unangefochten die Welt ihres Weges ziehen zu lassen.

      Luzian musste bekennen, dass der junge Pfarrer mit schöner klangvoller Stimme und in edler Haltung Messe und Amt verrichtete.

      Jetzt bestieg der Pfarrer die Kanzel, Luzian stand ihm gerabe gegenüber an eine Säule gelehnt, er liess den Platz neben sich leer und blieb stehen. Der Pfarrer sprach:

      „Geschrieben stehet: wer da СКАЧАТЬ