Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte. Auerbach Berthold
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold страница 5

Название: Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

Автор: Auerbach Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726614534

isbn:

СКАЧАТЬ wir also hier im Hause mit Allen bekannt und können sie ungestört mit den beiden Knechten und der Magd zu Mittag essen lassen. Man kennt aber namentlich einen Bauern nicht recht, wenn man seinen Besitzstand nicht weiss; an ihm äussert sich nicht nur die ganze Sinnesweise und der Charakter, sondern dieser stützt sich auch meist darauf. In andern Stellungen bilden sich Lebenskreis Haltung und Geltung vornehmlich aus der Persönlichkeit heraus, hier aber wird das Messbare und im Werthe zu Schätzende vor Allem Stützpunkt des Charakters in sich und seiner Bedeutung nach Aussen. Du wirst daher oft finden, dass ein Bauer, der Vertrauen zu dir fasst, dir alsbald all’ seine Habe aufzählt, oft bis auf das Kälbchen, das er anbindet. Er will dir auch damit zu verstehen geben, was er daheim bedeutet. Da sitzen sechzig Morgen Ackers und so und so viel Wald und Matten, besagt oft die Art wie sich ein Bauer im fremden Wirthshaus niedersetzt. Gehörte Luzian auch keineswegs zu letzterem Schlage und stellte sich seine Ehre und Schätzung noch auf etwas anderes, so müssen wir doch noch schnell sagen, dass er vier Pferde, zwei Paar Ochsen, sechs Kühe und ein Rind im Stalle hatte; darnach messet. Die Pferde werden allerdings nicht blos zum Feldbau, sondern auch zu Holz- und Bretterfuhren gebraucht, da Luzian diesen Handel eifrig betreibt, der ihm manchen schönen Gewinnst abwirft.

      Nach Tische wurde Luzian aufs Rathhaus gerufen. Er fand dort ausser dem Schultheiss und den Gemeinderäthen auch den Pfarrer. Luzian mass diesen mit scharfen Blicken, denn er sollte ihm zum Erstenmale so nahe sitzen. Der Pfarrer war ein junger i Mann, der die erste Hälfte der zwanziger Jahre noch nicht überschritten hatte, gross und breitschulterig, mit derben Händen, das Gesicht voll und rund, aber blutleer und ins Grünliche spielend, die zusammengepressten Lippen bekundeten Entschiedenheit und Trotz; ein eigenthümliches Werfen des Kopfes, das in bestimmten Absätzen von Zeit zu Zeit folgte, liess noch Anderes vermuthen. Ueber und über war der Pfarrer in schwarzen Lasting gekleidet, der lange, weit über die Kniee hinabreichende Rock, die Beinkleider und die geschlossene Weste waren vom selben Stoffe; er wollte die leichte Sommerkleidung nicht entbehren und doch keine profane Farbe sich auf den Leib kommen lassen. Der spiegelnde Firniss des rauhen Zeuges gab der Erscheinung Etwas, das ans Schmierige erinnerte, während der junge Mann sonst in Ton und Haltung eine gewisse vornehm stolze Zuversicht kund gab. Diess sprach sich sogar in der Art aus wie er jetzt, während die Blicke Luzians ihn musterten, mit einem kleinen Lineal in kurzen Sätzen in die Luft schlug.

      „Ich habe dich rufen lassen, Luzian,“ sagte der Schultheiss, „wir wollen da wegen dem Hagelschlag eine Eingab’ an die Regierung machen und eine Bitt’ in die Zeitung schreiben, du sollst als Obmann auch mit unterschreiben.“

      „Wie ist’s denn, Herr Pfarrer?“ fragte Luzian das Papier in Handen, „wie ist’s denn? Schenket Ihr der Gemeind’ den Pfarrzehnten, oder was lasset Ihr nach?“

      „Von wem sind Sie beauftragt, mich darüber zu ermahnen?“ warf der Pfarrer entgegen, „was ich thun werde, ist mein eigener guter Wille; ich lasse mir meine Gutthat dadurch nicht verringern, dass mich Unberufene daran gemahnen.“

      „Berufen hin oder her,“ sagte Luzian, „eine Ermahnung kann einer Gutthat nichts abzwacken; wenn das ja wär’, so wären die Gutthaten auch minderer, die auf Eure Ermahnungen in der Predigt von den Leuten geschehen.“

      „Sie scheinen darum die Kirche zu meiden, um nicht zu etwas Gutem verführt zu werden,“ schloss der Pfarrer und warf das Lineal auf den Tisch.

      „Ich will Ihnen was sagen,“ entgegnete Luzian mit grosser Ruhe, da er noch nicht enden wollte, „Sie haben Beicht- und Communion-Zettel auch für die grossen (erwachsenen) Leute eingeführt; wir lassen uns das nicht gefallen, das war beim alten Pfarrer niemals.“

      „Was geht mich Ihr alter Pfarrer an? Das neue Kirchenregiment hält seine Befugnisse streng zum Heile“ —

      „Schultheiss, hast kein’n Kalender da?“ unterbrach Luzian.

      „Warum? heute ist der siebzehnte,“ berichtete der Gefragte.

      „Nein,“ sagte Luzian, „ich hab’ nur dem Herrn Pfarrer zeigen wollen, dass wir 1847 schreiben.“

      Der Pfarrer stand auf, presste die Lippen und sagte dann mit wegwerfendem Blick: „Ihre Weisheit scheint allerdings erst von heute. Ich hätte eigentlich Lust mich zu entfernen und wäre dazu verpflichtet nach solchen ungebührlichen Reden. Sie alle sind Zeugen, meine Herren, dass ich hier, ich will kein anderes Wort i gebrauchen, schnöde angefallen wurde. Ich will aber bleiben, ich will ein gutes Werk nicht stören und lasse mich gern schmähen.“

      Solche geschickte Wendung konnte Luzian doch nicht auffangen, er stand betroffen, Alles schrie über ihn hinein und er sagte, endlich:

      „Ich will’s gewiss auch nicht hindern, gebt her, ich unterschreib’, und nichts für ungut Herr Pfarrer, ich bin Keiner von denen Leuten, die sich an einem Polizeidiener vergreifen, weil sie mit der Regierung unzufrieden sind. B’hüt’s Gott bei einander.“

      Niemand dankte.

      Aergerlich über sich selbst verliess Luzian die Rathsstube, er hatte das Heu vor der unrechten Thür abgeladen. Der Anhang, den er selbst unter dem Gemeinderath hatte, schüttelte jetzt den Kopf über ihn.

      Wir müssen um einige Monate zurückschreiten, um die Stimmung Luzians zu ergründen.

      Die Regungen des tiefgreifendsten Kampfes zuckten eben erst in der Gemeinde aus. Der alte Pfarrer, der eins war mit dem ganzen Dorfe, war plötzlich nach dem Bischofssitze berufen worden, er kehrte nicht mehr zurück, statt seiner verwalteten die Pfarrer aus der Nachbarschaft wechselsweise die Ortskirche. Kurz vor Ostern verkündete das Regierungsblatt die Ernennung und fürstliche Bestätigung eines neuen Pfarrers. Diess war das Signal für Luzian, der den ganzen innern Verlauf kannte, dass sich die ganze Gemeinde wie Ein Mann erhob. Der Gemeinderath mit sämmtlichen Ortsbürgern reichte einen Protest gegen die neue Bestallung ein, der zu gleicher Zeit an die Regierung und an den Bischof geschickt wurde. Sie verlangten ihren alten Pfarrer wieder oder falls diess nicht gewährt würde, das freie Wahlrecht; sie wollten keinen von den jungen Geistlichen, gegen deren Anmassungen sogar schon beim Landstand Klage erhoben worden war. Das war die lebendigste Zeit, in der Luzian seine ganze Kraft entwickelte und die Gemeinde stand ihm einhellig zur Seite. Noch ehe indess ein Bescheid auf den Protest einging, wenige Tage vor der Fastenzeit, bezog der neue Pfarrer seine Stelle. Sonst ist es bräuchlich, dass das ganze Dorf seinem neuen Geistlichen bis zur Grenze der Gemarkung entgegengeht, diessmal aber war er nur von dem Dekan und einigen Amtsbrüdern geleitet. In den meisten Häusern sah man nur durch die Scheiben dem Einziehenden entgegen, man öffnete das Fenster erst, wenn er vorüber war, da man nicht grüssen wollte. Der Gemeinderath und Ausschuss war auf dem Rathhause versammelt, die ganze Körperschaft ging in das Pfarrhaus und überreichte abermals den Protest. Der Dekan sprach beruhigende Worte, und händigte zuletzt dem Schultheiss die abschlägige Antwort des Bischofs ein. Still kehrte man in das Rathhaus zurück und dort wurde beschlossen, in fortgesetztem Widerstande zu beharren.

      Am Sonntag, das Wetter war hell und frisch, versammelte sich das ganze Dorf zu einer Pilgerfahrt; in grossem Wallfahrtszuge ging’s nach Althengstfeld, dem Geburtsort Paule’s. Viele wollten sogleich aus dem Auszuge einen Scherz machen, und schon zog Lachen und Lärmen durch manche Gruppen. Der Brunnenbasche vor Allen ging von Einem zum Andern und hetzte und stiftete, dass das Ding auch ein Gesicht bekäme; den Mädchen erzählte er, dass seine Frau bald ausgepfiffen habe, und er fragte diese und jene, ob sie ihn, einen Wittwer ohne Kinder heirathen wolle, aber ohne Pfaff, so wie die: Zigeuner. Da und dort fuhr ein gellender Schrei und ein Gelächter auf; der so andächtig begonnene Auszug schien zum Fastnachtsscherze zu werden. Man war’s gewohnt, dass der Brunnenbasche, wie man sagt, über Gott und die Welt schimpfte und sich erlustigte, man liess ihn gewähren; nun aber ging’s doch böse aus. Luzian, der mit einigen Anderen Ordnung herzustellen suchte, kam und zog das Halstuch des Brunnenbasche so fest zu, dass er ganz „kelschblau“ СКАЧАТЬ