Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte. Auerbach Berthold
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Название: Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

Автор: Auerbach Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726614534

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СКАЧАТЬ Feld und Flur funkelte und flimmerte der Morgenthau, der trieft hernieder, ob die Halme sich auf ihren Stengeln neigen oder geknickt zur Erde geworfen sind. Die Sonne stand am Himmel in voller Pracht, sie bleibt nicht aus am Himmelsbogen, nur manchmal lagern sich Wolken, Wetter und Nebel zwischen sie und die Erde und das Erdenkind vermag nicht durchzuschauen, das Licht genügt ihm nicht, es will seinen Urquell erfassen. Das Licht aber haftet im Auge wie in der weiten Welt draussen, und das Auge vermag es nur zu schauen, weil das Licht in ihm ist. Du suchst den Urquell und er ist in dir wie in der Welt.

      Das Korn am Halme, das zur Erde niedergeworfen ist, geht in Verwesung über und setzt nur zu seinem eigenen fruchtlosen Untergange neue Keime an. Der Mensch aber gleicht nicht dem Halme, er kann sich aufrichten durch die Kraft seines Willens.

      Frisch auf! du musst dich durch die Welt schlagen, ja hindurchschlagen, das ist’s. Der Tag ist verloren, ausgebrochen aus der Kette deines Lebens, den du in Trübsinn und thatenloser Verzweiflung hinstarrtest.

      Aus solcherlei Gedanken heraus, die er nach seiner Art hundertfältig herüber und hinüber und auf die besonderen Verhältnisse der Einzelnen anwendete, ging Luzian am andern Morgen von Haus zu Haus. Er nöthigte auf manches kummerstarre Antlitz das Zucken eines Lächelns durch seinen Haupttext: „Dem Weibervolk ist’s nicht zu verdenken, das muss klagen und jammern wenn ein Hafen (Topf) in Scherben zerbricht; das ist ja grad das brävst Häfele gewesen, nein, so wird keins mehr gemacht; der Mann aber sagt: hin ist hin und jetzt wirthschaften wir mit dem, was noch blieben ist. O! die leichtsinnigen Männer, denen ist an Allem nichts gelegen, klagen dann noch die Weiber, und am Ende müssen sie uns doch Recht geben.“ Luzian brachte es zu Wege, dass mancher Mann, der Alles stehen und liegen und in sich verfaulen lassen wollte, sich nun doch aufmachte, um wenigstens das Obst zur Schweinemastung einzuheimsen.

      Es war schon viel gewonnen, dass man sich wieder zur Thätigkeit aufraffte. Freilich fing man zuerst mit dem Kleinsten an, aber das trifft sich meist, dass man nach erlittenen Ungemache zuvörderst das Nebensächliche, oft Unbedeutendste in Angriff nimmt, man getraut sich noch nicht an das Hauptstück; die Hand gewinnt jedoch hiemit wiederum Stärke und Festigkeit, das Blut strömt wieder lebendiger zum Herzen und erfrischt es mit neuem Muth.

      Müde und lechzend kam Luzian zu Mittag nach Hause und sein erstes Wort war: „Weib, wir müssen doppelt sparen und hausen, wir bekommen den Winter wieder grosse Ueberlast.“

      „Ich seh’ schon, wie du wieder überall sorgen und helfen willst,“ entgegnete die Frau, „und du kriegst doch nur Schimpf und Unbank.“

      „Lass du meinen Luzian nur machen, was mein Luzian. macht das ist gut,“ sagte die Ahne, die im grossen Lehnstuhl sass.

      „Ich weiss wohl, ihr Zwei haltet zusammen wie gezwirnt,“ schloss die Frau lächelnd, indem sie das Tischtuch von der Suppe zurückeschlug; denn es ist hier Sitte, besonders im Sommer, dass man geraume Weile vor der Essenszeit die Suppe auf das ausgebreitete Tischtuch stellt und dann das Tuch wieder über die Schüssel schlägt, um die Suppe in sich verdampfen und abkühlen zu lassen. Man liebt das heisse Essen und das langwierige Blasen nicht.

      Wir sind gestern unter so seltsamen Umständen vor dem Wetter hier in das Haus geflüchtet, dass wir kaum Zeit hatten uns die Leute näher zu betrachten. Wir müssen uns damit sputen, bevor vielleicht eine unversehene Erschütterung Alles so von der Stelle rückt, dass wir den vormaligen stillen Wandel der Menschen und Verhältnisse kaum mehr herausfinden mögen.

      Der ruhende Mittel- und Schwerpunkt des Hauses war die Ahne, die uns bereits gestern im hellen Sonnenschein an der Hand Victors begegnete. Die Gestalt ist gross und hager, mit runzlichem fast klein gewordenem Antlitze, das dunkelbraune Auge scheint kaum gealtert zu haben, das blühweisse Tuch, das sie fast immer um den Kopf gebunden trägt und dessen Eckzipfel hinten weit hinabfallen, rahmt das Gesicht auf eigenthümliche Weise ein und gibt ihm einen nonnenhaften Anblick; sie ist aller ihrer Sinne mächtig, im ganzen Behaben äusserst säuberlich, fast zierlich. Nur zum sonntäglichen Kirchgange entfernt sie sich vom Hause. Schon geraume Weile vor dem ersten Einläuten macht sie sich auf den Weg, erwartet sodann im Winter in der Stube des Schullehrers, im Sommer auf der Bank vor dem Rathbause den Beginn des Gottesdienstes. Mancher, der die alte Cordula so dahin wandeln sieht, eilt, um sich noch mit ihr auf der Rathhausbank zu besprechen; sie hat ein offenes Herz für Leid und Lust, und oft findet hier auf dem Vorhofe eine heiligere Erhebung statt als im Innern des Tempels. Manche suchten aber auch in neckischer Weise die Ahne auf ihren Hauptspruch zu bringen, sie wollte es aber nie glauben, dass man ihrer spotte. Dieser Hauptspruch der Ahne war nämlich: „Ja, wenn der Kaiser Joseph nicht vergiftet wäre, dann wäre das und das gewiss besser.“ Sie verehrte den Kaiser, von dem ihr Vater oft und oft gesprochen hatte, fast wie einen Heiligen; sein Andenken war mit dem an ihren Vater unauflöslich verknüpft, als wären sie Geschwister gewesen. Sie hegte den vielverbreiteten Glauben, dass der Kaiser, weil er’s so gut mit allen Menschen gemeint habe, von scheinheiligen Pfaffen um sein junges Leben gebracht worden sei. In solch gegenständlicher Weise fasst der Volksglaube die Untergrabung der edeln Plane des hochherzigen Kaisers. Einst las Luzian der Mutter eine Lebensgeschichte des Kaisers, vor und sie behauptete, das sei just so wie ihr Vater erzählt habe, nur anders gesetzt. Das Dorf hatte bis in die neueste Zeit zu Vorderösterreich gehört und ein Oheim der Mutter war kaiserlicher Rath in Wien gewesen, sie hatte ihn noch gekannt, da er einst im Dorfe zum Besuche war; sie bewahrte noch eine Granatschnur, die er ihr damals schenkte. Der einzige Streit, den sie bisweilen mit Luzian hatte, in war darüber, weil er nicht ihrem Verlangen willfahrte und nach Wien an die Nachkommen des kaiserlichen Rathes schrieb; sie behauptete immer, es sei unmenschlich, wenn Blutsverwandte so gar nichts von einander wissen. Eine besondere Vorliebe hatte die Mutter für den Victor, ihr Urenkelchen, sie sagte oft: „Der wird just wie der kaiserliche Rath. Wenn der Kaiser noch leben thät, der thät ihn nach Wien verschreiben, das sag’ Ich.“

      Man hätte fast glauben sollen, Luzian sei der Leibliche Sohn der Ahne, die er auch fast immer Mutter nannte, während er in der That nur ihr Schwiegersohn war. Seine Frau neckte ihn oft und stellte sich eifersüchtig wegen der Liebschaft der Beiden zu einander; denn Luzian ging die Sorgfalt für die Mutter über Alles, und er hätte ihr gern, wie man sagt, das Blaue vom Himmel geholt, um sie zu erfreuen.

      Luzian war ein Mann im Anfang der fünfziger Jahre, stämmig, ein Sägklotz, wie er von seinen Freunden manchmal genannt wurde, weil er zum Spalten zu dick war und sich nicht splittern liess; sein Gesicht war voll und gespannt und verrieth entschiedenes Selbstbewusstsein, der starke Stiernacken bekundete Unbeugsamkeit. Noch gegen Ende des Befreiungskrieges war er zum Soldatendienste ausgehoben worden, kam aber zu keiner Schlacht. Die Sägmühle hatte er seinem Sohne Egidi übergeben und bauerte nun auf dem Gute im Dorfe. Victor, Egidi’s ältesten Sohn, hatte er sich und der „Guckahne“ (Urgrossmutter) zulieb ins Haus genommen, angeblich indess, damit der Knabe der Schule näher sei.

      Margret, Luzians Frau, ähnelte der Mutter unverkennbar; war auch ihr ganzes Dichten und Trachten dem Haushalte zugewendet, so war doch Luzian nicht minder ihr Stolz, nur liess sie es nie merken wie die Mutter, wenigstens nie in Worten. Sie bildete sich mehr darauf ein als Luzian selber, dass dieser schon zweimal zum Abgeordneten vorgeschlagen war. Spöttelte sie auch manchmal über sein vieles Lesen, so war es ihr doch nicht unlieb, da et dadurch fast immer im Hause war und Alles in bester Ordnung hielt; auch glaubte sie, dass er eben viel gescheidter sei als alle in der ganzen Gegend. Klagte sie auch wiederholt über die Gemeindeämter und vielen Pflegschaften, die sich Luzian aufbürden liess, so dachte sie doch wieder im Stillen bei sich: „Ja, es versteht’s eben doch Keiner so gut wie er.“

      Bäbi, das hochgewachsene Mädchen mit auffallend dunkeln Augen und starken Brauen, gehört eigentlich gar nicht mehr recht ins Haus. Sie hatte noch gestern zu Paule, ihrem Bräutigam, gesagt: „Seitdem der Pfarrer uns miteinander verkündet hat und über vierzehn Tage unsere Hochzeit sein soll, da ist mir’s jetzt allfort, wie wenn ich nur auf Besuch daheim wär’!“

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