Inferno. Siege und Niederlagen - Tatsachenroman. Will Berthold
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Название: Inferno. Siege und Niederlagen - Tatsachenroman

Автор: Will Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Inferno

isbn: 9788726444681

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СКАЧАТЬ ist zu hören außer zackigen Kommandos, Flüchen, Glockengeläute. Und die Motoren neu einfliegender Kampfverbände.

      Auf den Hauptstraßen, die landeinwärts nach Canterbury, Maidstone und Horsham führten, standen Truppen neben drei Meter über der Erde angebrachten 2500-Liter-Tanks bereit, schildert Richard Collier, »aus denen sie die vorrückenden Deutschen mit einer Mischung von Benzin und Dieselöl besprühen würden – ein breiter Strahl von 120 Litern in der Minute, der mit einer Temperatur von fast 300 Grad brannte ...«

      Die ganze Nacht hindurch steht die Heimwehr auf Posten. Zum ersten Mal nach neunhundert Jahren sind sie alarmiert worden, und die Leute greifen nach den abenteuerlichsten Waffen – von afrikanischen Wurfspeeren bis zu vier Dutzend rostigen Armeegewehren, Modell 1902, Überbleibseln einer Aufführung des Londoner Drury-Lane-Theaters. Um Southampton herum schlafen Truppen der 4. Division voll angekleidet und mit dem Gewehr neben sich schlecht und recht in Omnibussen.

      Nicht Angst und Entsetzen verschulden das heillose Durcheinander, sondern der Tatendrang örtlicher Befehlshaber. Churchill, der zufällig auf seinem Landsitz Chequers weilt, weiß nicht, daß in diesen Stunden Gegenstöße gegen feindliche Luftlandetruppen geführt werden, die an allen Orten gesehen werden und doch unsichtbar bleiben. Er schläft tief, und im übrigen gilt seine Anweisung, daß er erst dann geweckt werden dürfe, wenn die USA in den Krieg eingetreten seien.

      Selbst bei Tageslicht setzen sich die Jagdszenen in Südengland noch fort. Gerüchte jagen weiterhin durchs Land. Brandmeister Thomas Goodman von der Londoner Feuerwehr, der vorübergehend nach Dover abgestellt ist, hört von einer versuchten Landung in der Sandwiehes-Bucht und behauptet, das Wasser der Küstennähe sei schwarz von toten Deutschen.

      Während Göring, umgeben von seinen Offizieren, auf seinem Kommandostand an der Kanalküste unwürdige Freudentänze aufführt, mitten in der Nacht seine Frau anruft und mit überschwappender Stimme in die Muschel schreit: »Ganz London brennt!«, begreift man in Südengland aufatmend: Blinder Alarm.

      Der Seelöwe ist nicht gesprungen; er wird auch nicht – wie geplant – am 15. September 1940 springen. Die »Operation Seelöwe« bleibt wasserscheu. Gerade als die Schlacht um England auf dem Höhepunkt steht, eröffnet Hitler seinen Vertrauten, daß er – so bald wie möglich – die Sowjetunion angreifen wird.

      Der 15. September ist ein Tag, an dem beide Seiten noch einmal die Entscheidung suchen: 200 deutsche Bomber, begleitet von etwa 600 Jägern, nähern sich wiederum London.

      »An diesem Tag kommt es zur grimmigsten, verworrensten und weiträumigsten Schlacht der ganzen Auseinandersetzung – er ist der Ruhmestag für ›Stuffy‹ Dowdings Jäger«, sehreibt Hanson W. Baldwin. »Sie erzielen nach ihren Berichten die meisten Abschüsse der Schlacht; 185 feindliche Maschinen wurden zerstört. Die Deutschen geben 43 Abschüsse eigener Maschinen zu, verloren in Wirklichkeit aber 60. Ihre Bombenangriffe sind militärisch wirkungslos; selbst Görings Rezept ›fünf Jäger pro Bomber‹ konnte die Hurris und Spits nicht ausschalten.«

      Am Abend jagen Siegesmeldungen durch London. Zwar sind die Abschußzahlen wieder einmal gewaltig übertrieben, aber es steht fest, daß alle Anstrengungen Görings, die Insel sturmreif zu bomben, vergeblich bleiben. Er bindet seinen Me 109 250-Kilo-Bomben unter den Rumpf – die Flugzeugführer nennen es verächtlich Dodelschleppen – und macht aus Jagdflugzeugen Bluffbomber, aber er kann die Briten damit nur ein einziges Mal überraschen und muß künftige Angriffe in die Nacht verlegen.

      London liegt im Bombenhagel. »Business as usual«, spotten die Engländer, oder sie sagen: »London can take it« – London kann es verkraften.

      Wenn es dunkel wird, ziehen Tausende von Familien, ausgestattet mit Decken, Matratzen und Thermosflaschen, von den Slums des Eastends in den Westen, weil sie annehmen, daß in den Vierteln der Reichen die Mauern den Bomben besser trotzen würden. Zu vielen Tausenden quellen die Menschen in die U-Bahn-Schächte, Frauen und Kinder, mit Katze und Hund, ohne Panik, fast stumm. Die Aufrufe zur Evakuierung verhallen meistens unbefolgt. Keiner will vor den »lausigen Jerrys« flüchten. Auch die königliche Familie bleibt im Buckingham-Palast, der prompt getroffen wird. Bomben rauschen auf den Tower, in Madame Tussauds Kabinett schmelzen die Wachsfiguren. Alle Bahnhöfe der Stadt werden zerstört. Old Bailey, das berühmte Schwurgericht, und Guildhall, das Rathaus, fallen in Trümmer. Fleet Street, die Pressestraße, brennt aus. Die Ruinen der City überragt die mächtige Kuppel der St.-Pauls-Kirche. Im Hafen und in den Docks bleibt kein Stein über dem anderen.

      Die Luftschlacht um England wird sich weit in das Jahr 1941 hineinziehen; ihre Wucht freilich nimmt ab, auch wenn beide Seiten laufend ihre Überlebensrekorde brechen. Ein R.A.F.-Pilot übersteht siebzehn Abschüsse heil; ein anderer springt nackt aus der Badewanne in eine »Spit«, wird von einer Me 109 abgeschossen und gleitet am Fallschirm über Londons Eastend auf die Ruinen zu, kommt inmitten einer Schar aufgebrachter Frauen auf, die ihn mit Nudelhölzern und anderem Küchengerät lynchen wollen. Nur eine Suade ordinärer Cockney-Flüche läßt die Aufgebrachten erkennen, daß es sich bei dem Bruchpiloten im Adamskostüm um einen der Ihren handelt.

      Auf Buckhurst in Sussex, dem Gut des Grafen de la Ware, meldet der Butler: »Ein Offizier der deutschen Luftwaffe wartet im Salon und möchte mit Ihnen sprechen, Mylord.« Auf der Cadborough Farm bei Rye findet ein Landarbeiter einen halb im Ziegeldach des Klosetthäuschens eingebrochenen und steckengebliebenen Bruchpiloten. Während der Brite ihn gefangennimmt, sagt der Deutsche in fehlerlosem Englisch: »Ich bin da wohl von einer Scheiße in die andere geraten.«

      Die Luftwaffe verliert in 23 Tagen 467 Jäger. Leutnant Erich Hohagen stellt fest: »Der Kanal ist eine Blutpumpe, er saugt immerzu an der Kraft.« Oberleutnant Hans von Hahn, Führer der ersten Gruppe im Jagdgeschwader 3, berichtet: »Es gibt nicht viele bei uns, die nicht mit total zusammengeschossener Maschine oder ohne Propeller im Kanal notgelandet sind.«

      Hauptmann Helmut Wick, eine Zeitlang der erfolgreichste deutsche Jagdflieger, konnte keine feste Nahrung mehr vertragen und lebte nur noch von schwarzem Kaffee und englischen Zigaretten. Unteroffizier Delfs lieferte einer eigenen Maschine einen rabiaten Luftkampf, stieg mit dem Fallschirm aus und verfing sich in den Weichen eines Rangiergeleises bei Calais. Sein Staffelkapitän Priller griff einen herannahenden Zug, der Delfs zu zermalmen drohte, frontal an und stoppte ihn mit seinen Bordkanonen.

      Kaum einer konnte noch schlafen. Oberleutnant Schäfer, ein Zerstörerpilot, kreiste unentwegt über seinem E-Hafen und wartete auf das Einschalten der Randbeleuchtung; er hatte vergessen, die Sonnenbrille abzunehmen. Oberleutnant Ludwig Franzisket trank jeweils vor dem Einsatz eine kleine Flasche Rum aus, und Eduard Neumann, ein schon im ersten Weltkrieg bewährter Pilot, führte seinen Verband 300 Kilometer in die falsche Richtung, ohne zu bemerken, daß sein Kompaß versagte.

      Die neuen Geschwaderchefs waren alle unter dreißig und auch bereits legendär; sie hießen Werner Mölders, Adolf Galland, Hannes Trautloft, Wolfgang Schellmann oder Günter »Franzl« Lützow. Mit Helmut Wiek avancierte dann ein Fünfundzwanzigjähriger binnen drei Monaten vom Staffelkapitän zum Kommodore. Über der Insel Wight besiegte er seinen 56. Gegner. Minuten später wurde er von dem englischen Oberleutnant John Dundas – vierzehn Luftsiege – selbst abgeschossen, der bereits ein paar Sekunden danach Opfer von Wicks Rottenflieger Rudolf Lanz wurde, der wiederum später über Abbéville fiel.

      Dies alles wirft ein Schlaglicht auf die Lebenserwartung der Jagdflieger; sie kämpfen auf verlorenem Posten, sterben auf einem Kriegsschauplatz, den ihr Führer längst zugunsten eines anderen, noch weit grausameren abgeschrieben hat. Die Verlegung des Luftkrieges in die Nacht macht die Tagesjäger auf diesem Kriegsschauplatz weitgehend arbeitslos. An ihrer Stelle zahlen jetzt die Kampfflieger den Blutzoll.

      Über die zerfahrene Befehlsgebung, über den mehrfachen Zielwechsel, über das drohende Scheitern der Luftschlacht über England СКАЧАТЬ