Название: Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte
Автор: Auerbach Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788726614527
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,,Woher wisset Ihr denn, dass ich heirathen möcht’?“
,,Da kann man mit der Pelzkappe darnach werfen, so gross steht’s Euch auf der Stirn geschrieben: ich glaub’, dass eine Frau mit Euch rechtschaffen glücklich wird.“
,,Woher wisset Ihr denn das?“
,,Ihr seid so ordelich mit der Handzwehle 6 umgangen.“
Alles lachte, und draussen am Tische sagte der Vater: ,,Es ist ein Blitzmädle, und es hat sonst in einem Jahr nicht so viel geschwätzt, wie jetzt seit gestern.“
,,Ja,“ sagte die Mutter, nachdem sie mit besonderer Zufriedenheit einen Löffel Suppe verschluckt, jetzt mit dem Löffel auf den ihres Mannes klopfend, „du wirst’s noch einsehen, was das für ein Mädle ist; das ist so gescheit wie der Tag.“
„Das hat es von dir und von unserm Vorross, von der Bärbel da,“ schloss der Wadeleswirth, den Schlag zurückgebend.
Die beiden Freunde unterhielten sich vortrefflich mit Lorle, das immer ein Auge auf jegliches Erforderniss hatte, seltsamerweise aber Alles mit der linken Hand anfasste; der Collaborator sah sie mehrmals scharf darob an und Lorle sagte:
,,Nicht wahr, es ist nicht in der Ordnung, dass ich so links bin? Ich hab’ mir’s schon abgewöhnen wollen, aber ich vergess’ es immer.“
Schnell nahm Reinhard das Wort: „Das schadet nichts!“ Leiser, dass man es in der Stube draussen nicht hören konnte, setzte er hinzu: ,,Ihr machet Alles prächtig. Wer kann’s beweisen, dass die rechte Hand die geschicktere ist? Eure Linke ist flinker als manche Rechte, und mir gefällt’s so ganz wohl.“
Bei diesen Worten richtete sich Lorle grad auf, eine eigenthümliche Majestät lag in ihrem Blicke.
,,Sind keine Musikanten im Dorf?“ fragte der Collaborator.
„Freilich, sie sind alle bei einander.“
,,Die sollten uns heut’ Abend einige Tänze spielen, ich bezahle gern ein Billiges.“
,,Ja, das geht nicht, der Soultheiss ist heut verreist und es ist vom Amt streng verboten, ohne polizeiliche Erlaubniss Musik zu halten; in Eurer Stub’ droben hängt die Verordnung.“
,,O Romantik! Wo bist du?“ sagte der Collaborator und Lorle erwiderte: „Das haben wir hier nicht, aber ein Clavier steht droben, das darf man —“
Die beiden Freunde brachen in schallendes Gelächter aus, so dass sie sich kaum auf ihren Sitzen halten konnten. Reinhard fasste sich zuerst wieder, denn er sah, wie es plötzlich durch das so friedliche Antlitz des Mädchens zuckte und zitterte, Pulse klopften sichtbar in den Augenlidern und ein tiefschmerzlich fragendes Lächeln lag auf den Lippen. Lorle stand da mit zitterndem Athem; sie wand das festangezogene Schürzenband um einen Finger, dass es tief einschnitt; dieser körperliche Schmerz that ihr wohl, er verdrängte einen Augenblick den seelischen. Reinhard gebot in barschem Tone seinem Freunde, mit dem „einfältigen Lachen“ endlich aufzuhören. So sehr sich nun auch der Collaborator entschuldigte und sich Mühe gab, Lorle zu erklären was er gemeint habe, das Mädchen räumte schnell ab und blieb verstimmt, so verstimmt wie das Clavier, das der Collaborator alsdann in seiner Stube probirte.
Das war eine grausam zerstörte Harmonie, fast keine Saite hatte mehr den entsprechenden Klang, da mussten viele Menschen darauf losgetrommelt haben. „Ja,“ dachte der Collaborator, „wenn ein Wesen einmal zur Misstimmung gebracht ist, dann arbeitet Jedes zum Scherze oder muthwillig darauf los, es noch mehr und vollends zu verstimmen, und haben sie’s vollbracht, dann lassen sie es vergessen im Winkel stehen.“ Der Collaborator sah darin nur ein Bild seines Lebens, er dachte nur an sich. — Von den vielen Wanderungen und Empfindungen ermüdet, verschlief er dann richtig die Mittagskirche, zu seinem und vielleicht auch zu unserm Frommen. Wer weiss, ob das Waldheiligthum vom Morgen ungestört geblieben wäre.
Als Lorle aus der Mittagskirche kam, ging sie mit ihrem Bruder rasch nach der Hohlmühle. Der Vater, das wusste sie, war nicht so bald loszueisen, er versprach mit der Mutter nachzukommen. Freilich hatte sich’s Lorle heute Morgen schön ausgedacht, wenn auch die Fremden mitgingen. Es lief auch ein Bischen Stolz mit unter. Das war aber nun Alles vorbei. Nach vielem Drängen folgte das alte Ehepaar mit den Freunden zwei Stunden später. Der Collaborator war wieder ganz aufgeräumt.
,,Ihre Uhren hier gehen falsch,“ bemerkte er dem Wirthe, ,,ich habe die meinige nach dem Meridian auf der Bibliothek gestellt. Sie könnten sich hier auch eine Sonnenuhr einrichten, etwa an der neuen Kirche, die jetzt gebaut wird; à propos, warum bauen Sie die neue Kirche nicht mehr drüben auf dem Hügel, das war ja so schön, dass man sich erhebt, wenn man zur Kirche geht?“
,,Ja, wir wollen jetzt die Kirch’ bei der Hand haben, zu allen Gelegenheiten wo man’s braucht.“
„Da habt Ihr auch Recht, die Religion und die Kirche sollen nicht mehr oberhalb, fern von dem Leben stehen, sondern mitten unter demselben. Ach, da blüht schon vorzeitig die Genziana cruciata,“ unterbrach sich der Collaborator und sprang über den Weggraben nach der Blume.
Der Wadeleswirth schaute ihm lächelnd nach und sagte zu Reinhard: „Das ist ein sonderbarer Mensch! Hat man nicht gemeint, er will mit aller Gewalt die Kirch’ wieder auf den Berg setzen, und wenn man’s ihm anders auslegt, gleich ist es ihm auch Recht; bei dem ist’s, wie bei dem Verwalter auf der Saline drunten, der hat einen Schlafrock, den man auf all beiden Seiten anziehen kann. Grausam gelehrt muss er aber sein; was hat er denn eigentlich g’studirt?“
„Zuerst geistlich und dann viele Sprachen; jetzt ist er auf dem Bücherkasten angestellt und da hat er von Allem was wegkriegt. Er hat im Ganzen wohl feste Meinungen und grundbrav ist er, das könnet Ihr mir glauben.“
„Ja, ja, glaub’s schon.“
Der Collaborator war wieder herbeigekommen. Er konnte sich nicht enthalten, auf jedem Schritte Reinhard auf die Schönheiten des Weges aufmerksam zu machen; da war eine Baumgruppe, eine Durchsicht, ein knorriger Ast, Alles rief er an „und sieh,“ sagte er wieder, „wie das Sonnenlicht so herrlich in Tropfen durch die Zweige und von den Blättern rinnt!“
,,Lass doch dein ewiges Erklären!“ fuhr Reinhard auf; der Collaborator ging still, um sich wieder eine Blume zu holen und zerschnitt sie mit dem Federmesser.
,,Ihr müsset, ihn nicht so anfahren,“ sagte der Wadeleswirth, „das ist ja ein glücklicher Mensch; wo ein Anderes gar nichts mehr hat, hat der noch überall Freude genug, an der Sonn’, an einer Blum’, an einem Käfer, an Allem.“ —
Man war endlich am Mühlgrunde angekommen: dort wandelten zwei Mädchen durch die Thalwiese Hand in Hand und sangen. „Lorle!“ rief die Mutter, das Echo hallte es wieder, Vroni blieb stehen und Lorle sprang den Kommenden entgegen. Der Wadeleswirth stand da, weitspurig und die Hände in die Seiten gestemmt, er nickte nur einmal scharf mit dem Kopfe und hier sprach sich sein ganzer Vaterstolz aus: zeiget mir noch so ein Mädle landaus und landein, sagten seine Mienen.
Reinhard ward auf der Mühle herzlich bewillkommt, auch sein Freund wurde traulich begrüsst, denn hier, wo Alles in der Sippschaft lebt, werden die Freunde wie Familiengenossen angesehen. Um den Tisch unter dem Nussbaum sass die Gesellschaft, der alte Müller zeigte Reinhard, wie sein Name, den er vor Jahren in die Rinde geschnitten, gross geworden war.
Der Collaborator wendete keinen Blick von dem alten Manne, für dessen Antlitz er später СКАЧАТЬ