Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte. Auerbach Berthold
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold страница 6

Название: Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

Автор: Auerbach Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726614527

isbn:

СКАЧАТЬ bei dir?“

      ,,Immer; sieh hier mein Arsenal,“ er öffnete die innere Seite seines Rockes, dort war ein R aus Stecknadelköpfen gesetzt.

      ,,Aber dass ich’s nicht vergesse,“ fuhr er fort, „ich habe das Wort gefunden.“

      ,,Welches Wort?“

      „Das Epitheton für das Mädchen: wonnesam! Es ist ein Vorzug unserer Sprache, dass dieses Wort transitiv und intransitiv ist, sie ist voll Wonne und strahlt Jedem Wonne in die Seele. Aber halt! Eben jetzt, indem ich rede, finde ich das Urwort, das ist’s: Marienhaft! Was die Menschheit je Anbetungswürdiges und Wonniges in der Erscheinung der Jungfrau erkannte, das drängte sie in dem Wort Maria, zusammen. Das kann keine andere Sprache, solch ein nomen proprium allgemein objektivisch bilden. Marienhaft! das ist’s.“

      Reinhard ward still; nach einer Weile erst frug er:

      ,,Warst du die ganze Zeit im Walde?“

      „Gewiss, o! es war himmlisch, ich habe einen tiefen Zug Waldeinsamkeit getrunken. Sonst wenn ich den Wald betrat, war mir’s immer, als ob er schnell sein Geheimniss vor mir zuschliesse, als ob ich nicht würdig sei, durch diese heiligen Säulenreihen zu schreiten und den stillen Chor der ewigen Natur zu vernehmen; mir war’s immer, als ob beim letzten Schritte, den ich aus dem Walde thue, jetzt erst hinter mir das süsse geheimnissvolle Rauschen beginne und unerfassbare Melodien erklingen. Heute aber habe ich den Wald bezwungen. Ich bin emporgedrungen durch Gestrüpp und über Felsen bis zum Quellsprung des Baches, wo er zwischen grossen Basaltblöcken hervorquillt und ein breites, rundes Becken ihn sogleich aufnimmt, als dürfte er da zu Hause bleiben. Du warst gewiss noch nicht dort, sonst müsstest du’s gemalt haben; das muss nun dein erstes Bild sein. Die Bäume hangen so sehnsüchtig nieder als wollten sie das Heiligthum zudecken, dass kein sterbliches Auge es sehe, in jedem Blatt ruht der Friede; der rothe und weisse Fingerhut lässt seine Blüthenkette zwischen jeder Spalte aufsteigen, es ist eine Giftpflanze, aber sie ist entzückend schön! Die sanfte Erika versteckt sich lauschend hinter dem Felsen und wagt sich nicht hervor an das rauschende Treiben. Dort lag ich eine Stunde und habe Unendlichkeiten gelebt. Das ist ein Plätzchen, um sich ins All zu versenken. Morgenglocken tönten von da und dort, mir war’s wie das Summen der Bienen, die sich heute bei der Sicherheit des schönen Wetters weit weg vom Hause wagten. Ich war emporgeklommen, hoch hinauf auf Bergeshöhen, die die Kirchthürme weit überragen, ich stand über Zion auf den Spitzen des unendlichen Geistes; da fühlte ich’s wie noch nie, dass ich nicht sterben kann, dass ich ewig lebe; ich fasste die Erde, die mich einst decken wird, und mein Geist schwebte hoch über allen Welten. Mag ich freudlos über die Erde ziehen, klanglos in die Grube fahren, ich habe ewig gelebt und lebe emig.“ …

      Reinhard setzte sich auf den Wegrain unter einen Apfelbaum, er zog auch den Freund zu sich nieder. ,,Sprich weiter,“ sagte er dann; der Angeredete blickte schmerzlich auf ihn, dann schaute er vor sich nieder und fuhr fort:

      ,,Ich lag lange so in selig traurigem Entzücken, ich sah dem unaufhörlich sich ergiessenden Quell zu. Wie ätherklar springt er hervor aus nächtiger Verborgenheit; wie rein und hell schlängelt er sich in die Schlucht hinab, bald aber noch bevor er den ruhigen Thalweg erreicht, wird er eingefangen; was sicht’s ihn an? Er springt keck über das Mühlrad und eilt zu den Blumen am Ufer. In der Stadt aber dämmen sie ihn ein, da muss er färben, gerben und verderben; er kennt sich nicht mehr. Es kann auch einem reinen klaren Naturkinde so ergehen. Was thut’s? Du einzler Quell vom Felsensprung! ströme zu bis hin in das unergründliche, unbezwungene Meer, dort ist neue, dort ist ewige Klarheit und unendliches Leben, ein Ruhen und ein Bewegen in sich . . . . Bei dem Ersten was ich dachte war mir’s nicht eingefallen es festzuhalten, jetzt aber wollte ich Alles in melodische Worte fassen; ich quälte mich in allen Versarten, hin war meine Ruhe. Da fielst du mir wieder ein: Wozu ein Resultat? Ich hab’s gelebt, was braucht es mehr?“ . . . .

      ,,Ich kenne dein Waldheiligthum schon lange,“ sagte Reinhard auf dem Heimwege, „ich habe auch genug dort geträumt, aber mit dem Pinsel konnte ich ihm nicht beikommen; liessen sich deine Gedanken malen, ja dann wär’s anders. Ich habe mich von der Landschaft entfernt, und doch so oft ich hieher komme, ist mir’s als ob hier eine tiefere Offenbarung noch meiner harre, besonders jetzt; vielleicht ist’s dein Waldheiligthum, vielleicht auch nicht.“

      ,,Wo warst denn du während meines Waldganges?“

      ,,Ich war in der Kirche; du hättest eigentlich auch dort sein sollen; das einigt mit dem Bauernleben.“

      ,,Ja, ja, du hast Recht, ei, das thut mir leid; nun, ich gehe heut Mittag.“ —

      ,,In Wirthshause war eine grosse Veränderung.

      Als der Collaborator neu beschuht herunterkam, rief ihm Lorle freundlich zu: „Das ist schön, Herr Kohlebrater, dass Ihr nicht auf Euch warten lasset. Wo seid Ihr denn gewesen?“

      ,,Im Walde droben. Saget aber nicht Kohlebrater, ich heisse mit meinem ehrlichen Namen Adalbert Reihenmaier.“

      ,,Ist auch viel schöner. Nun erzählet mir auch ’was, Herr Reihenmaier.“

      ,,Ich kann nicht viel erzählen.“

      ,,Ja, wir wollen warten bis Mittag, Ihr gehet doch auch mit auf die Hohlmühle? und Ihr könnet ja so schön singen.“

      ,,Ich bin bei Allem, absonderlich wo Ihr seid; ich hab’ im Walde an Euch gedacht.“

      ,,Müsset mich nicht so zum Possen haben, ich bin zu gut dazu und Ihr auch; es schickt sich nicht für so einen Herrn wie Ihr seid. Hübsch ordelich sein, das ist recht. Ihr müsset aber auch Euren Sonntagsrock anziehen. Habt Ihr denn keinen?“

      ,,Mehr als einen, aber nicht hier.“

      ,,Ja, Ihr habt’s doch gewusst, dass Ihr am Sonntag bei uns seid? Nun — schad’t jetzt nichts. Ich will Euch den Martin schicken, er soll Euch ein bisle aufputzen.“

      ,Jubelnd sprang der Collaborator die Treppe hinauf und holte eine Sammlung Volkslieder — (die er zu etwaigen Ergänzungen und Varianten mitgenommen hatte) — aus seinem Ränzchen; er warf das Buch an die Zimmerdecke in die Höhe und fing es wieder auf. „Hier,“ rief er, das Buch hätschelnd, als wäre es etwas Lebendiges, „hier seid ihr zu Hause, nicht in der Bibliothek eingepfercht; heut’ sollt ihr wieder lebendig werden.“

      Beim Essen herrschte die alte Gewohnheit nicht mehr, für Reinhard und seinen Freund war in dem Verschlag besonders gedeckt. Reinhard sagte dem Wirth, dass er wie ehedem am Familientisch essen wolle. Der Alte aber schüttelte den Kopf ohne ein Wort zu erwidern, nahm die weisse Zipfelmütze ab und hielt sie zwischen den gefalteten Händen auf der Brust, damit das Gebet beginne.

      ,,Bärbel, traget nur die zwei Gedecke heraus, wir essen nicht allein,“ rief Reinhard. Der Wadeleswirth setzte schnell die Mütze wieder auf, schaute, ohne eine Miene zu verziehen, rechts und links und sagte:

      ,,Nur stet.“ 5 Er machte dann eine ziemliche Pause, wie jedesmal, wenn er dieses Wort sagte, das als Mahnung galt, dass Keiner mucksen dürfe bis er weiter redete; endlich und endlich setzte er hinzu:

      ,,Drin bleibt’s: Es ist kein Platz da für zwei.“ Er hob die Arme bedachtsam auf, strich die Hände wagrecht über die Luft, wie den Streichbengel über ein Kornmass, was so viel hiess als: abgemacht.

      Die Freunde setzten sich in den Verschlag, Lorle trug ihnen auf.

      „Kann denn das die Bärbel nicht?“ fragte Reinhard, und der Collaborator ergänzte: „Ihr solltet uns nicht bedienen.“

      ,,O СКАЧАТЬ