Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte. Auerbach Berthold
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold страница 3

Название: Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

Автор: Auerbach Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726614527

isbn:

СКАЧАТЬ er ging lieber eine Stunde in brennendem Durst umher, ehe er die zwei Treppen hinab- und wieder hinaufstieg. Der Collaborator setzte sich zu ihm.

      Reinhard machte einen Gang durch das Dorf; alle Kinder liefen ihm nach und einige muthvolle riefen sogar aus sicherm Versteck:

      Rother Fuchs, dein Bart brennt an,

      Schütt’ ein bisle Wasser dran.

      Reinhard ging in das Haus wo der Bader wohnte, die Kinder warteten vor der Thür bis er wieder geschält herauskäme; als er aber mit vollem Bartschmucke wieder erschien, lachten und jubelten sie aufs Neue.

      Im Hause des Baders wohnte noch Jemand, dem Reinhard einen Auftrag gegeben hatte, es war der Dorfschütz, der jetzt mit der Schelle herauskam. Er klingelte an allen Ecken und sprach dann laut und deutlich: ,,Der Maler Reinhard ist wieder angekommen mit einem grossmächtigen rothen Bart. Wer ihn sehen will, soll in die Linde kommen, allda ist der Schauplatz. Eintrittspreis ist, dass Jeder ein gross Maul machen und seine Zähne weisen muss, wenn er hat. Um halb neun Uhr geht die Fütterung an. Kinder sind frei.“

      Ein unaufhörliches Gelächter zog durch das ganze Dorf, die Kinder folgten jubelnd und johlend dem Schütz auf dem Fusse, sie waren kaum so lang zum Schweigen zu bringen, dass man die Verkündigung hören konnte.

      Als es bereits Nacht geworden und der Himmel mit schweren Regenwolken überzogen war, sass Reinhard auf der Steinbank unter der Linde vor dem Wirthshause; er lachte vor sich hin, der urplötzlichen Heiterkeit gedenkend, mit der er unversehens die Seelen aller Einwohner erfüllt hatte. Da hörte er ein verhaltenes Schluchzen in der Nähe, er stand auf und sah ein Mädchen, das nach der Scheune ging.

      „Lorle?“ sagte er in Fragendem Tone.

      „Grüss Gott,“ antwortete das Mädchen, die dargebotene Hand fassend, ohne aufzuschauen und ohne die Schürze vom Gesicht zu nehmen.

      „Du hast . . . Ihr habt ja geweint; warum denn?“

      „Ich, ich . . . hab’ nicht geweint,“ erwiderte das Mädchen und konnte vor schnellem Schluchzen kaum reden.

      „Warum gunnet Ihr mir denn keinen Blick und sehet mich nicht an? hab’ ich Euch was Leids than?“

      „Mir? mir, nein.“

      ,,Wem denn?“

      ,,Euch.“

      ,,Ja wie so?“

      „Es gefällt mir nicht, dass Ihr Euch so zum G’spött vom ganzen Dorf machet, das ist nichts und uns habt Ihr doch auch zum Narren; das hätten wir nicht von Euch denkt.“

      „Ihr seid recht gross und stark geworden, Lorle; kommet ’rein in die Stub’, dass ich Euch auch sehen kann.“

      „Brauchet nicht jetzt noch mit mir Euern besondern Possen haben,“ endete das Mädchen, raffte sich schnell zusammen und sprang davon durch das Hofthor nach der Strasse.

      Reinhard sass mit zusammengekniffenen Lippen vor sich niederschauend wieder auf der Bank. Was ihm vor einem Augenblicke noch wie ein übermüthiger aber harmloser Scherz vorgekommen war, das hatte jetzt eine ganz andere Gestalt. Von sich sah er bald ab und dachte: das Kind hat Recht, es ist ein Stück Aristokratie in diesem Scherze; wir wissen nicht wie viel von schmählichem Hochmuth in Jedem von uns steckt. Ich habe das ganze Dorf zu meinem Spass verwendet.

      Der Collaborator kam jetzt auch herab und sagte:

      ,,Ein sonderbarer Mann unser Wirth! Ich bin doch schon durch alle Examina gesiebt worden, aber der hört gar nicht auf mit Fragen und dabei hat er so ’was Misstrauisches.“

      ,,Das ist’s nicht,“ sagte Reinhard, ,,die Bauern haben eine alte Regel: wenn man mit einem fremden Löffel essen will, soll man vorher dreimal hineinhauchen, verstehst du?“

      „Ja wohl, das ist ein tiefsinniger Gedanke.“

      ,,Einen schönen Gruss und ich liess’ mich schön bedanken, Herr Kohlebrater,“ entgegnete Reinhard lachend.

      Viele Männer und Burschen aus dem Dorfe sammelten sich, von Allen ward Reinhard herzlich bewillkommt; die heitere Weise, die sie herbeigelockt, erhielt eine entsprechende Fortsetzung. Man ging nach der Stube und Reinhard wusste den ganzen Abend allerhand schnurrige Geschichten von seinen Fahrten in Oberitalien und Tyrol zu erzählen, das Gelächter wollte kein Ende nehmen. Reinhard gab sich selbst mehr zum Besten als es eigentlich seine Art war; er wollte indess ein Uebriges thun, weil er sie Alle zum Besten gehabt hatte, wie er in gesteigerter Selbstanklage sich vorwarf. Nach und nach gerieth er aber aus innerer Lustigkeit auf allerlei tolle Seltsamkeiten, denn er konnte sich, namentlich in zahlreicher Gesellschaft, wahrhaft in eine Aufregung hineinarbeiten.

      Reinhard war so voll Luftigkeit unter den Menschen gewesen und allein auf seinem Zimmer ward er verstimmt und düster; die Welt erschien ihm doch gar zu nüchtern, wenn er nicht selber sie etwas aufrüttelte.

      Lorle war den ganzen Abend nicht in die Stube gekommen.

      Tief in der Nacht „schlurkte“ noch Jemand in Klapp-Pantoffeln durch das ganze Haus und drückte an allen Thüren; es war der Wadeleswirth, der nie zu Bett ging, bevor er nicht Alles von oben bis, unten durchgemustert hatte.

      Das war ein Sonntagsleben.

      Am andern Morgen stand der Collaborator ganz früh vor dem Bette Reinhards und sang mit wohlgebildeter, kräftiger Stimme, die man ihm nicht zugemuthet hätte, das Lied aus Preciosa: ,,Die Sonn’ erwacht“ mit Webers thaufrischer Melodie. Reinhard schlug murrend um sich.

      „Ein Mann wie du,“ sang der Collaborator recitando, ,,der das herrliche Bild Sonntagsfrühe abconterfeit, darf einen Morgen nicht verschlafen, wie der heut, bum, bum.“

      Reinhard war still und der Collaborator fuhr sprechend fort: „Was fangen wir heut’ an? Es ist Sonntagmorgen, es hat heut’ Nacht geregnet, als ob wir’s bestellt hätten; Alles glitzert und flimmert draussen. Was treiben wir nun? Giebt’s keine Kirchweihe in der Nähe? Kein Volksfest?“

      „Vrat’ dir ein Volksfest,“ entgegnete Reinhard, ,,trommle dir die Massen zusammen, die du brauchst, und sattle dein Gesicht mit einem Operngucker; wirf Geld unter die Kinder, dass sie sich raufen und übereinander purzeln, dann hast du ein Volksfest mit ipse fecit.“

      „Du warst gestern Abend so lustig und bist heute so mürrisch.“

      „Ich war nicht lustig und bin nicht mürrisch; ich bin nur ein Kerl, der eigentlich allein sein sollte und verdammterweise doch keinen Tag allein sein kann. Pass auf, wie ich’s meine. Es ist mir lieb, wenn du bei mir bist; ein Freund wie du, der’s so treu meint, ist wie wenn man Geld im Schrank hat; braucht man’s auch nicht, es unterstützt doch, weil man weiss, man kann’s holen, wenn Noth an Mann geht. Also bleib’ die noch übrigen Tage deiner Ferien da, aber lass mich auch ein bischen mir.“

      „Ich begreife dich wohl. Hier empfängst du den Kuss der Muse und da darf kein fremdes, betrachtendes Auge dabei sein. Ich will dich gewiss ganz dir überlassen, stets zurücktreten, wo sich dir irgend ein Motiv zu einem Bilde bieten könnte; da darf man nicht mit Fingern hindeuten, nicht einmal profanen Auges hinschauen. Die Wurzel, die schaffende Triebkraft alles Lebens, ruht im Dunkel, wo kein Sonnenblick, wo kein Auge hindringt.“

      ,,Das, auch,“ sagte Reinhard, „und für dich СКАЧАТЬ