Название: 50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2
Автор: Эдгар Аллан По
Издательство: Bookwire
Жанр: Учебная литература
isbn: 9782291092247
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»Und wie heißt Ihre Schwester?«
»Clothilde.«
»Clothilde«, wiederholte sie langsam und gedehnt, und Gordon, der heraushören mochte, daß ihr der Name nicht sonderlich gefiel, fuhr deshalb fort: »Ja, Clothilde, meine gnädigste Frau. Sie wägen den Namen und finden ihn etwas schwer. Und Sie haben recht. Ich glaube auch nicht, daß ich fähig sein würde, mich jemals in eine Clothilde zu verlieben. Aber je weniger der Name für eine Braut oder Geliebte paßt, desto mehr für eine Schwester. Er hat etwas Festes, Solides, Zuverlässiges und geht nach dieser Seite hin fast noch über Emilie hinaus. Vielleicht gibt es überhaupt nur einen Namen von ebenbürtiger Solidität.«
»Und der wäre?«
»Mathilde.«
»Ja«, lachte Cécile. »Mathilde! Wirklich. Man hört das Schlüsselbund.«
»Und sieht die Speisekammer. Jedesmal, wenn ich den Namen Mathilde rufen höre, seh ich den Quersack, darin in meiner Mutter Hause die Backpflaumen hingen. Ja, dergleichen ist mehr als Spielerei, die Namen haben eine Bedeutung.«
»Ich wollte, daß Sie recht hätten, es würde mich glücklich machen. Aber was hab ich beispielsweise von meiner musikalischen und sogar heiliggesprochenen Namensschwester? Die Heiligkeit gewiß nicht, und auch kaum die Musik.«
So plaudernd, erreichten sie die Stelle, wo der nach Altenbrak abzweigende Weg auf ein weites Elsbruch einbog, hinter dem die bis jetzt von ihnen passierte Waldpartie von neuem aufragte, freilich nicht als Wald mehr, sondern nur noch als Schonung, über deren Kiefern und Kusseln hinweg eine mutmaßlich einen Weg einfassende Doppelreihe weißstämmiger Birken sichtbar wurde. Hart in Front dieser Schonung lagerte, deutlich erkennbar, eine Gruppe hemdärmliger oder doch in Leinwandjacken gekleideter Personen, aller Wahrscheinlichkeit nach also Holzschläger oder Arbeiter auf Tagelohn. Etwas Leichtes in den Bewegungen jedoch, zumal wenn sich einzelne von ihnen erhoben, zeigte bald, daß es keine Tagelöhner sein konnten.
»Was sind das für Leute da?« fragte Gordon den Jungen. Ehe dieser aber antworten konnte, wurde drüben ein Signalhorn laut, und im selben Augenblicke begann ein Hin- und Herlaufen und gleich danach ein Ordnen und Richten. Und nun setzten sich auch unsere zwei Reisenden in Trab und erkannten im Näherkommen, daß es blutjunge Leute waren, Turner in Drillichanzügen, die sich, mit bemerkenswerter Raschheit und Gewandtheit, in Gliedern formierten. Ganz in Front standen die Spielleute: drei Tambours und ein Hornist, und als die der Aufstellungsseite zunächst reitende Cécile bis auf wenige Schritte heran war, kommandierte der den Trupp führende Vorturner: »Augen links«, und dann: »Präsentiert das Gewehr.« Er selbst aber salutierte mit dem Schläger, die Spitze zur Erde senkend, während die drei Tambours den Präsentiermarsch schlugen. Cécile verneigte sich dankend und verlegen, und einen Augenblick später ritten beide (Gordon unter militärischem Gruß) in den Birkenweg ein, der sich, wie man vermutet hatte, durch die Schonung hinzog und an manchen Stellen eine vollkommene Laube bildete.
»War das reizend«, sagte Cécile. »Jugend, Jugend. Und so frisch und glücklich. Und so ritterlich und artig.«
Gordon nickte. »Ja, meine gnädigste Frau, das ist Deutschland, Jung-Deutschland. Und mit Stolz und Freude sehe ich es wieder. Draußen hat man auch dergleichen, aber es ist doch anders. Hier gibt sich alles natürlicher und weniger zurechtgemacht; weniger mise en scène. Gott erhalt uns unsere Jugend.«
Und während er noch so sprach, streiften die Birkenzweige Céciles Gesicht, was ihn zu dem Vorschlag veranlaßte, doch die Plätze zu wechseln. Aber sie wollte davon nichts hören. »Es ist doch immer ein Streicheln, auch wenn es weh tut. Und dazu diese himmlische Luft! Ach, ich könnte den ganzen Tag so reiten, und von Müdigkeit wäre keine Spur.«
Endlich hatten sie die Schonung im Rücken und hielten vor einer von einem Plankenzaun eingefaßten und hoch in Gras stehenden Wiese, darauf nichts sichtbar war als, in einiger Entfernung, drei ziemlich gleich aussehende Häuschen, die todstill und wie verwunschen in der grellen Mittagssonne dalagen. Keine Grille zirpte, kein Rauch stieg auf; um den Zaun herum aber ging in weitem Bogen der Weg, anstatt die Wiese kurz und knapp zu durchschneiden.
»Wie heißt das?« fragte Gordon.
»Todtenrode«, sagte der Junge.
»Nur in Ordnung. Wenn es nicht schon so hieße, so müßt es so getauft werden. Todtenrode! Wohnen Menschen hier? Mutmaßlich ein Totengräber?«
»Nein, ein Förster.«
Unter solchem Gespräche waren sie bis an die Stelle gekommen, wo die vorerwähnten drei Häuschen standen. Eines derselben, das größte, das etwas von Architektur und Ornament zeigte, war ganz von wildem Wein überwachsen, und Gordon ritt heran, um, so gut es die Lichtblendung gestattete, von außen her in die Fenster hineinzusehen. Keine Gardine war da, kein Vorhang, überhaupt nichts, was auf Bewohnerschaft hätte deuten können, und doch war unverkennbar, daß dies Haus in der Öde sehr bewegte Tage gesehen haben mußte. Polsterbänke zogen sich um panelierte Wände, dazu Schenktisch und schwere Stühle, während sich in dem Zimmer daneben, das sich, bei nur halber Tiefe, leichter übersehen ließ, allerlei Möbel aus der Zeit des Empire befanden, darunter ein hellblaues Atlassofa mit drei schmalen Spiegeln über der Lehne.
Cécile sah gleichzeitig mit Gordon in die verblaßte Herrlichkeit hinein, und auch der Junge stellte sich neugierig auf die Zehspitzen.
»Eine Försterei, sagtest du. Das ist aber ein Jagdschloß.«
»Ja, ein Jagdschloß.«
»Und von wem?«
»Von unsrem Herzog.«
»Kommt er oft?«
»Nein. Aber der vorige… «
»Ja«, lachte Gordon, »der vorige, der kam oft.« Und zu Cécile gewandt, fuhr er fort: »Ich hab ihn noch in Paris gesehen, den guten Herzog, alt geworden, geschnürt und geschminkt, und mit Ringellöckchen, eine lächerliche Figur, ebenso der Liebling wie der Spott der Halbweltdamen. Wahrhaftig, wer die Geschichte dieser Duodezfürsten schreiben will, muß bei den fürstlichen Jagdschlössern anfangen. Und nun gar dies hier, dies Todtenrode! Der bloße Name hätte mich in einen Tugendpriester verwandeln können. Aber diese Durchläuchtings empfinden anders und sagen umgekehrt: ›Je mehr Tod, je mehr Leben.‹ Erst die Strecke mit dem erlegten Wild, und dann Bacchus, und dann Eros, der göttliche Knabe. Zehn gegen eins, daß dies Todtenrode mit zu den bevorzugtesten Tempeln des kleinen Gottes gezählt hat. Ihr Himmlischen, was mag sich alles in diesem Allerheiligsten abgespielt haben, an Freud und Leid! Ja, auch an Leid. Denn der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht, wobei mir übrigens die Serenissimi selbst die weitaus kleinste Sorge machen. Aber was so von Jugend und Unschuld mit in die Brüche geht, was so gemütlich mit hingeopfert wird in dem ewigen Molochdienste… «
Cécile musterte den Sprecher, der einen Augenblick in der Laune schien, in seiner Philippika fortzufahren; bald aber wahrnehmend, daß er, wie damals vor den Porträts der Fürst-Abbatissinnen, in seinen Auslassungen um ein gut Teil zu weit gegangen sei, begann er sofort das Thema zu wechseln, was ihm die sich rasch verändernde Szenerie ziemlich leicht machte. Der Weg nämlich, der bis dahin über ein Plateau geführt hatte, senkte sich hinter Todtenrode wieder und mündete, bald danach, auf eine mittelhoch am Abhange sich hinziehende Chaussee, neben der, in der Tiefe, die diesseits von einem sonnigen Wiesengrunde, jenseits aber von Wald und Schatten eingefaßte Bode hinfloß. Erquickende Kühle drang von unten her СКАЧАТЬ