Die Nacht der Schakale. Will Berthold
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Название: Die Nacht der Schakale

Автор: Will Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788711726938

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СКАЧАТЬ mit 43 war ich den Kinderschuhen längst entwachsen und zudem entschlossen – koste es, was es wolle –, auf die Insel der Götter und Dämonen zurückzufliegen und meinen Urlaub fortzusetzen.

      Gregory würde es mir nicht leichtmachen, aber selbst er müßte einsehen, daß ich mich drei Wochen vor dem Ausscheiden aus seinen Diensten nicht noch verschleißen lassen wollte. Von privaten Gründen einmal ganz abgesehen, müßte eine Panne – kurz vor Torschluß – auch meine neue Tätigkeit als Diplomat bei der Bonner US-Botschaft in Mehlem gefährden.

      Ich machte mich auf einen harten Schlagabtausch gefaßt und war doch schon zu diesem Zeitpunkt in die Operation ohne Namen verstrickt, später sollte sie die Presse als Die Nacht der Schakale bezeichnen, während sie bei uns hausintern weiterhin die Operation No Name blieb und auf der anderen Seite der Fall Sperber hieß.

      Der Mann, der mir – damit ich ja keine Zeit versäumte – bei seinem nächtlichen Anruf bereits die Abflugzeit der nächsten Maschine vom Airport Ngurah Rai, südlich der Bali-Hauptstadt Denpasar, genannt hatte, benahm sich jetzt, als sei ich nur gerufen worden, ihm in seinem Büro im siebten Stock eines 65-Millionen-Dollar-Komplexes zuzusehen, wie er – entsprechend seiner Gewohnheit – Sägeböcke und Fragezeichen in das Dossier malte.

      Daß ich ihm hier gegenübersaß, war die Folge eines ziemlich ungewöhnlichen Lebenslaufs. Als Siebenjähriger nach dem Zweiten Weltkrieg (natürlich ungefragt) mit meinen Eltern in die USA ausgewandert, hatte ich nur noch wenige Erinnerungen an meine frühe Kindheit in Ostpreußen und dann später auf der Ostseeinsel Peenemünde. Königsberg, die Stadt Immanuel Kants, des vielleicht größten deutschen Philosophen, der einst den kategorischen Imperativ formuliert hatte, Ostpreußens Kleinod mit der berühmten Albertus-Universität, heißt heute Kaliningrad und gehört zur Sowjetunion. Revanchegelüste liegen mir ebenso fern wie Kreuzzugsgedanken, aber ich empfand es als den kategorischen Imperativ unserer Zeit, zu verhindern, daß ganz Europa eines Tages das Schicksal meiner Heimatstadt teilen müßte.

      Mein Vater hatte während des Krieges zur Crew des Raketenforschers Wernher von Braun gehört und war bei Kriegsende nebst Familie in die Staaten geschanghait und später dort eingebürgert worden. Er hätte sich sicher auch freiwillig zur Auswanderung gemeldet, wenn auf seiner Weste nicht einige braune Flecken gewesen wären – das V-Waffen-Team hatte schließlich geschlossen der Hitler-Partei angehört.

      Den USA waren die Raketenforscher des Dritten Reiches genauso willkommen wie der Sowjetunion, die sich jene Wissenschaftler schnappte, die die Amerikaner nicht rechtzeitig genug aufgestöbert hatten. Die 11015 V-Waffen-Einschläge in der englischen Hauptstadt waren vergessen und begraben. Jetzt ging es um Raketenziele in der Sowjetunion oder in den Vereinigten Staaten, je nachdem, von welcher Abschußrampe aus man es betrachtete. Und die neuen Nuklearraketen trugen Mehrfachsprengköpfe und würden – so man sie losließe – den 65000 England-Toten der ›konventionellen‹ Kriegführung ein paar massenmörderiséhe Nullen hinzufügen, und zwar auf beiden Seiten.

      Die Übersiedlung in die Staaten war meine erste Begegnung mit der Machtpolitik gewesen, aber damals war ich noch zu jung, um den ihr innewohnenden Zynismus zu erfassen.

      Später begriff ich, daß es eine weit schlimmere Zweckpolitik gibt, als Washington sie sich leistete, in diesem wie auch in anderen Fällen.

      Ich wuchs in Cap Canaveral in Florida zweisprachig auf, ein als geborener Deutscher in die Neue Welt hineinwachsender Yankee: Baseball stand mir näher als Fußball, ich betrieb wie alle Halbwüchsigen Amerikas Petting als Lieblingssport, Hamburgers zog ich einem Schweinebraten mit der typischen deutschen Beilage vor, deretwegen mich meine Mitschüler als ›Kraut‹ hänselten. Aber ähnlich erging es wohl einem berühmten US-Außenminister, der aus Fürth in Bayern stammte.

      Als US-Präsident Kennedy in das Vietnam-Debakel hineinschlitterte, war ich Absolvent der Rechtswissenschaft an der Harvard University gewesen, und als seine Nachfolger den Dschungelkrieg zur Katastrophe ausufern ließen, holte man mich als Soldat und später Offizier auf die Reisfelder Südostasiens. Als Pilot eines Kampfhubschraubers wurde ich abgeschossen und hatte eine kurze, aber brutale Zeit in der Gefangenschaft der Vietkong zu überstehen, bevor ich zusammen mit ein paar Dutzend anderen Amerikanern durch ein Kommandounternehmen aus der Bambushölle herausgeholt wurde, krank, halbverhungert, angeekelt von der Zeit mit ihrer kriminellen Politik.

      Die Gehirnwäsche der Roten hatte ich heil überstanden, und selbst der meiner Befreier konnte ich mich verhältnismäßig lange widersetzen. Ich teilte die typische Aversion des Amerikaners gegen Argwohn, Arglist und Lüge. Die Dreckarbeit an der unsichtbaren Front hatte mich schon angewidert, bevor ich sie kannte. Gewiß, die Intelligence-Branche muß sein, wie die Müllabfuhr oder die Arbeit einer Abdeckerei – aber dafür würde ich mich ja auch nicht freiwillig melden. Es gibt eben Berufe, die nötig, aber unbeliebt sind, und ich wollte so wenig Akteur des Untergrunds werden wie Leichenwäscher, Gerichtsvollzieher, Toilettenmann, Steuerfahnder oder Lohnschlächter. Alles notwendige und sicher achtbare Beschäftigungen, aber ich war für die freie Berufswahl.

      Da kramten die CIA-Werber Trick 17 aus der Mottenkiste und überzeugten mich, daß die ganze Vietnam-Katastrophe vermeidbar gewesen wäre, wenn die US-Regierung nicht auf eine Fehleinschätzung ihres von zweitrangigen Leuten betriebenen Geheimdienstes hätte hereinfallen müssen. Was die Viets nicht geschafft hatten, gelang nach ein paar Monaten den Männern der Central Intelligence Agency: Ich quittierte schließlich die Direktive NSC 10/2, die auf den einen Satz hinauslief:

      »Sie tun es, und deshalb müssen wir es auch tun.«

      Ich bin immer in kritischer Distanz zu meiner Tätigkeit geblieben, und ich weiß, daß sie einen miserablen Ruf hat. Ich habe auch nicht die Absicht, als ihr Pflichtverteidiger aufzutreten. Trotzdem komme ich um die ketzerische Feststellung nicht herum, es sei in erster Linie der Spionage zu verdanken, daß trotz ständiger Explosionen rund um den Globus der dritte Weltkrieg noch nicht ausgebrochen ist. Westen wie Osten stützen sich ausschließlich auf das ausgekundschaftete Wissen um die Stärke des Gegners.

      Es ist traurig, daß nicht Einsicht, Menschlichkeit, Erfahrung, Gesittung, Religion oder Moral eine dritte und letzte Katastrophe in diesem Jahrhundert verhindert haben – wenigstens bislang –, sondern die Angst – oder besser: das atomare Patt. Trotz SS-II-Raketen, Marschflugkörper, Neutronenbombe, chemischer und biologischer Massenvernichtungsmittel blieb der Menschheit – verdammt nahe am Abgrund – bisher der Untergang erspart. Und das heißt für mich: Gegenspionage muß sein, ein notwendiges Übel, bei dem die Regierung dafür Sorge tragen sollte, daß es nicht übler als notwendig eskaliert.

      Ich wurde für den Untergrund abgerichtet, wie ein Hund für die Jagd – es war ein Überlebenstraining ohne Garantie, Man verschliß mich nicht im Routinedienst auf einer entlegenen Außenstelle unseres Geheimdiensties, und man verheizte mich auch nicht bei Wahnsinnseinsätzen. Ich erhielt Spezialaufträge, vorwiegend in Europa, dem Erdteil, für den ich prädisponiert war, denn hier konnte ich ebenso glaubhaft als Amerikaner wie als Deutscher auftreten. Ich fiel oder flog nie auf, wurde nie entlarvt, ja nicht einmal verdächtigt, als einer von Washingtons geheimen Außenposten zu arbeiten.

      Nach jedem Einsatz kam mein Paß in den Reißwolf, ich mußte dann bald wieder in eine neue Identität steigen und die Legende – die Lebensgeschichte meines Namensgebers – auswendig lernen wie ein Schauspieler seine Rolle. Allerdings gab es keinen Souffleurkasten in meinem Fach; ein Versprecher oder Aussetzer konnte den Tod bedeuten.

      Das Rollenstudium brachte mir meinen Spitznamen ein, der innerhalb unseres Clubs nur wenigen ganz oben an der Spitze Angesiedelten bekannt war: ›Lefty‹. Das heißt Linkshänder und bezog sich auf eine Zeit, als ich mich mit großen Schwierigkeiten herumquälen mußte, um bei einem Einsatz hinter dem Eisernen Vorhang meiner Legende wegen als solcher aufzutreten. Ich hatte einige Wochen trainiert und es dabei nicht СКАЧАТЬ