Название: Malmedy - Das Recht des Siegers
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711727348
isbn:
Eckstadt sprach weiter:
„Das dürfen sie nämlich. Da brauchen sie euch gar nicht um Erlaubnis zu bitten. Stellt euch doch nicht so dämlich an. Ihr wißt doch selbst, wie man mit Spionen und Saboteuren umgeht. Und die tragen bloß Zivil. Bei uns ist die Sache noch um einen Zacken schweinischer. Wir haben ihre Uniform an. Der Beschiß ist größer. Die Gemeinheit auch.“
„Halten Sie Ihre Schnauze“, brüllte ihn Unterscharführer Roettger an.
„Mensch, wie kannst du so etwas sagen?“ fragte Seifried … „Der Kerl will Meldung machen.“
„Weil’s die Wahrheit ist“, antwortete Werner.
Aus der Meldung wurde nichts. Am anderen Morgen bestätigte ein hoher SS-Führer jedes Wort von Eckstadts Behauptung. Der Standartenführer war mit dem Auftrag aus Berlin gekommen, den 80 Mann reinen Wein einzuschenken. Er entledigte sich dieser Aufgabe in dem von der nationalsozialistischen Propaganda geübten und gepflegten Stil. In einer Mischung aus Dramatik und Schnulze, aus Heldenbeschwörung und Gangster-Rotwelsch. Er sprach mit verantwortungsbewußten Worten von einer verantwortungslosen Sache.
Wenigstens machte er es kurz. Nach einer knappen Viertelstunde wußten die achtzig Mann, daß sie als verlorener Haufe bei der nächsten deutschen Offensive im Westen aus der Luft hinter den feindlichen Linien abgesetzt werden. In der Uniform des Feindes sollten sie Verwirrung stiften und den Nachschub sabotieren.
„Der Führer verlangt viel von euch“, sagte der Standartenführer zum Schluß, „aber denkt stets an ihn. Denn er gibt euch alles.“
„Scheiße“, murmelte Eckstadt. Sämtliche Stubennazis hörten es, verloren aber kein Wort darüber, vielleicht, weil sie dasselbe dachten.
Bei einer Unstimmigkeit über eine belanglose Frage kam es zur ersten Revolte. Scharführer Hepke drehte durch, sprang auf und brüllte:
„Macht doch gleich euren Laden zu! Verheizt uns doch! Wozu noch Umstände? Sagt doch gleich, daß ihr uns zum Verrecken ausgesucht habt!“
Der Obersturmbannführer statuierte das Exempel auf der Stelle. Er degradierte Hepke zum SS-Mann. Von jetzt ab meuterten die anderen nur dann noch, wenn keine Vorgesetzten in der Nähe waren.
Ausgang und Urlaub wurden gesperrt. Die Post war offen abzuliefern. Auf dem Dienstplan stand ein neuer Programmpunkt: Fallschirmspringen. An einem Holzgerüst wurde geübt. Einer brach sich ein Bein. Jeder wünschte sich das. Aber nur einer schaffte es.
Und Werner Eckstadt war jetzt mit der Angst nicht mehr allein. Er merkte es an den einfachsten Dingen. Auf einmal wurden seine Stubengenossen Kameraden. Die Angst trieb sie zu Haufen. Sie wurde zu einer ansteckenden Krankheit. Zwei Offizieren war es gelungen, sich krankheitshalber ablösen zu lassen.
Rottenführer Kerber hatte weniger Glück. Er meldete sich mit Fieber im Revier.
„Simulant“, brüllte ihn ein Arzt an.
Eine Woche lang blieb Kerber ganz still. Dann hatte er einen gräßlichen Unfall. Er war mit einer Kanne kochend heißen Wassers zum Rasieren in den Waschraum gegangen. Wie es passierte, sah niemand. Jedenfalls war Kerbers linker Arm hinterher von oben bis unten verbrüht. Es sah schrecklich aus. Und der Rottenführer hatte vor Schmerz einen fast irren Gesichtsausdruck. Aber seine Augen leuchteten glücklich.
Ende November brachte ein Kurier die Karten. Große, schöne Generalstabskarten. Das Einsatzgebiet der Sabotage-Trupps war bereits eingezeichnet.
„Die Ardennen“, sagte einer, und alle fuhren zusammen.
„Ja, die Ardennen“, erwiderte der Obersturmbannführer mit der Miene eines Magiers, der das Karnickel aus dem Zylinder zaubert.
Die Männer schwiegen. Sie starrten lautlos auf die Karte. Nicht jeder hat Gelegenheit, sich sein Grab vorher auszusuchen.
„Warst du mal da?“ fragte Willi Seifried den Uscha Haubold.
Der Unteroffizier nickte.
„Ja“, erwiderte er dann, „die höchsten Bäume in der ganzen Gegend. Schön zum Ansehen. Schlecht zum Dranhängen.“
Ab jetzt bekamen sie Schnaps in regelmäßigen Zuteilungen. Sie dachten nicht lange über die Gründe nach. Sie besoffen sich, wie es beabsichtigt war. Der Krieg hat bewährte Rezepte: gegen Verstopfung Rizinus, gegen Höllenangst Schnaps.
Werner Eckstadt rührte seine Ration nicht an. Er schenkte sie Uscha Roettger, dem Stubenältesten.
„Du bist ein feiner Kerl, Werner“, rülpste der Unteroffizier. „Ich hielt dich erst für ein Riesenarschloch … Aber du bist ’ne Nummer. Wir können dich in unseren Verein aufnehmen …“
Der Uscha war im Suff über seine eigenen Worte so gerührt, daß er Wasser in den Augen hatte.
„Danke“, erwiderte Eckstadt ganz ruhig. Er nahm das Glas aus Roettgers Hand und goß es dem Unterscharführer mitten in das Gesicht.
Sie sprangen alle auf. Eckstadt sah von einem zum anderen.
„Ihr könnt mich nicht riechen“, sagte er ruhig, „und ich die meisten von euch auch nicht. Ihr habt mich für eine feige Sau gehalten. Das bin ich auch. Ich bin nicht freiwillig zur SS gegangen. Aber ihr! Und jetzt scheißt ihr in die Hosen. Das stinkt! Das stinkt so sehr, daß ich davon das Kotzen bekomme …“
Er knallte die Stubentüre hinter sich zu. Er war müde. Und er war voller Ekel. Wie er das alles durchschaute. Da saßen sie nun und wollten eigentlich mit ihm Händchen halten, wollten ihm sagen: Sieh Kamerad, wir sind genauso feige Schweine wie du. Aber weil es der Führer befiehlt, spielen wir manchmal Helden, solange der Vorrat reicht. Jetzt reicht er nicht mehr …
Ganz plötzlich wurde es ernst. Auf einmal ging es los, noch bevor sie ihre Schnapsration ausgetrunken hatten. Der Alarm war hundertmal geübt. Er klappte. Undramatisch, mechanisch. Sie saßen zuerst in planverdeckten Lastautos der Waffen-SS und dann in Transportmaschinen der Luftwaffe.
Der Flug dauerte eine Stunde. Eine Stunde Zeit zum Beten oder zum Fluchen. Eine Stunde Zeit für nichts. Für sinnlose Gedanken. Für das Würgen im Hals. Für die schweißtreibende Angst. Für die mausgrauen, starren Gesichter der Nebenmänner.
„Es ist soweit“, sagte der Oberfeldwebel der Luftwaffe.
Er öffnete das Ausstiegsluk.
Dann sprang einer nach dem anderen.
Unmittelbar vor Werner Eckstadt war der Unterscharführer Roettger dran. Er zögerte eine Sekunde. Der Oberfeldwebel gab ihm einen Tritt in den Hintern. Er trat mit Genuß.
Eckstadt sah die Nacht unter sich.
Da bekam auch er seinen Tritt vom Schicksal …
2. kapitel
Sie fielen lautlos vom Himmel, Partisanen eines wahnwitzigen Befehls. Während sie vom Wind auseinandergetrieben wurden und plötzlich allein im feindlichen Hinterland standen, in der falschen Uniform, den Strick des Henkers fast schon fühlbar um den Hals, während sie sich mit ihrer Angst beschäftigten und ihre Instruktionen vergaßen, СКАЧАТЬ