Malmedy - Das Recht des Siegers. Will Berthold
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Название: Malmedy - Das Recht des Siegers

Автор: Will Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711727348

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      Der Kompaniechef stand auf und ging ein paar Schritte hin und her.

      „Es ist nur vorübergehend.“ Es klang beinahe entschuldigend. „Ihre Mutter ist Engländerin?“ fragte der Offizier wie zur nachträglichen Bestätigung.

      „Ja“, entgegnete Eckstadt. Wie sollte er wissen, daß das der Grund seiner Versetzung war. Wie sollte er ahnen, daß ihn seine tadellosen, englischen Sprachkenntnisse direkt in die Hölle führen würden? Eines Tages würde er es begreifen, wenn er ohne Aussicht und ohne Hoffnung, ohne Gnade und Erbarmen, von Verzweiflung und von Todesangst geschüttelt, in ein unentwirrbares Netz von Mord, Lüge, Betrug und Verbrechen verstrickt sein würde … Hauptmann Pfeiffer stand auf. Der Gefreite folgte ihm automatisch. Einen Augenblick standen sie sich dicht gegenüber: der Hauptmann schlank und schmal, mit olivgetönter Haut, die schwarzen Haare wie eine lackierte Kappe am Kopf anliegend; der Gefreite etwas untersetzter, breitschultriger, mit gekräuseltem, sandfarbenem Haar und blitzenden, weißen Zähnen.

      „Sie haben doch nichts gegen die SS?“ fragte Pfeiffer.

      Eckstadt überlegte. Hatte er etwas gegen sie? Einmal mußte sein Regiment eine SS-Division heraushauen. Ein anderes Mal war er selbst von der SS herausgehauen worden.

      Wenn Eckstadt länger darüber nachgedacht hätte, wäre ihm manches eingefallen, was ihm nicht an der SS paßte.

      Der Hauptmann streckte ihm die Hand hin.

      „Alles Gute, Eckstadt … Und machen Sie uns keine Schande.“

      Er ist in Ordnung, dachte der Gefreite, auch wenn er mich an die SS verkauft hat.

      Der Spieß machte die Papiere fertig und bot dem Gefreiten eine Zigarette an.

      Das war der Abschied vom Heer.

      So kam er zur SS.

      Die Einheit, bei der er sich melden sollte, lag mitten in der Heide in einem Barackenlager. Die Straße dorthin war ungepflastert. Ein langer Saum von Birken stand traurig daneben. Eckstadt machte ein saures Gesicht. Er glaubte Füchse und Hasen zu sehen, die einander gute Nacht wünschten.

      Die SS-Leute machten kein großes Aufheben von seinem Erscheinen. Auf den ersten Blick sah alles ähnlich aus wie beim Heer. Die feineren Unterschiede sollte er erst im Laufe der Zeit kennenlernen.

      Er meldete sich auf der Schreibstube beim Hauptscharführer. Das war ein Bulle mit einem Baß und einem Kindergesicht.

      „Na, wollen mal sehen, was uns die Wehrmacht geschickt hat“, sagte er und betrachtete Werner Eckstadt grinsend. „Dich wollten sie wohl loswerden?“

      „Nein, Herr Hauptfeldwebel.“

      „Keine Beleidigungen. Ich bin kein ,Herr‘ und kein ,Hauptfeldwebel‘. Das heißt: Nein, Hauptscharführer. Kapiert?“

      „Jawohl, Herr … äh … Hauptscharführer.“

      „Das wirst du noch lernen.“

      Eckstadt nahm seinen Laufzettel in Empfang.

      „Weißt du eigentlich, was hier los ist?“ fragte der Spieß gutgelaunt.

      „Nein. Hauptscharführer.“

      „Aber ich.“ Der Bulle mit dem Kindergesicht grinste. Hintergründig. Sonst sagte er nichts.

      Zum ersten Mal spürte Werner Eckstadt den Druck in der Magengegend, als er auf der Bekleidungskammer die neuen Klamotten empfing. SS-Klamotten. Die Feldmütze paßte er sich vor einem Spiegel auf. Sie hatte vorne einen Totenkopf. Eckstadt und der Totenkopf musterten sich gegenseitig erschrocken.

      In der Stube saßen schon sieben Mann. Sogar drei Unterscharführer unter ihnen.

      „Heil Hitler!“ sagte Eckstadt. Er wollte nichts falsch machen. Aber es nützte nichts. Die Gespräche verstummten. Hitlers politische Soldaten fühlten instinktiv den Außenseiter: einen, der dem Führer keinen Blankoscheck ausgestellt hatte; einen, der in einer anderen Welt gelebt hatte als sie; einen, der nicht freiwillig, sondern gezwungen zu ihnen gestoßen war; einen, dem man mißtrauen mußte.

      Sie ließen es ihn von der ersten Sekunde an fühlen. Sie würden es ihn so lange spüren lassen, bis sie ihre eigene, erbärmliche, beschissene Angst vom hohen Roß ihres Elitebewußtseins herunterfegte.

      Nur ein netter Junge mit einem blonden Kopf und einem offenen Gesicht half Eckstadt beim Spindeinräumen.

      „Ich heiße Willi Seifried“, sagte er. Etwas leiser fügte er hinzu: „Weißt du, was die hier mit uns vorhaben?“

      „Du bist wohl auch nicht freiwillig?“

      „Bei der SS schon“, erwiderte der Junge, „nur hier nicht … Meine Division hat mich abgestellt. Sie suchten Leute, die fließend Englisch sprechen.“

      „Ach“, entgegnete Eckstadt. Wieder spürte er das unbewußte Grauen. Er dachte verzweifelt nach. Aber er kam nicht dahinter. Noch nicht.

      Aber jeder Tag des Dienstes, der am anderen Morgen begann, brachte ihn näher an die fürchterliche Wahrheit. Jeder Tag bestätigte den entsetzlichen Verdacht, der ihm gekommen war.

      Sie waren insgesamt 80 Mann. Diese 80 wurden von einem Obersturmbannführer geschliffen. Als erstes lernten sie alle Tricks, die man braucht, um sich in einem vom Feind besetzten Gebiet über Wasser zu halten. Nachmittags lernten sie Englisch. Genauer gesagt: sie lernten den amerikanischen Akzent. Sie büffelten amerikanische Rangabzeichen vor großen Tafeln. Plötzlich waren auch amerikanische Waffen da, an denen sie ausgebildet wurden. Nach zwei Wochen spulte der Dienstplan ganz auf englisch um. Es wurde ihnen verboten, deutsch zu sprechen. Und der Obersturmbannführer schiß sie auf englisch an, wenn ihnen manchmal noch ein deutsches Wort herausrutschte.

      Es hieß nicht mehr „Scheiße“, sondern „shit“.

      Nach drei Wochen trat das Ereignis ein, das für Werner Eckstadt den letzten Zweifel und auch die letzte Hoffnung beseitigte, noch einmal aus dieser Mausefalle herauszukommen. Ein Lastauto schleppte olivgrüne, amerikanische Uniformen heran.

      Sie standen vor der Kammer und nahmen sie in Empfang. Von jetzt ab hatte Werner Eckstadt Angst. Eiskalte Angst. Er sollte sie nicht mehr loswerden. Auf Jahre hinaus nicht mehr.

      Die anderen faßten die Verkleidung zunächst als einen gelungenen Spaß auf. Natürlich waren genügend Latrinenparolen im Umlauf, aber die Gerüchte kamen an die einfache, brutale Wahrheit nicht heran. In ihrem stupiden Glauben, daß es „der Führer schon richtig machen wird“, war die Erkenntnis nicht miteingeschlossen, daß sie Hitler zu einem Verbrechen mißbrauchen wird. Zu einem Verbrechen ohne Beispiel.

      „Wenn wir hiermit am Wochenende ausgehen“, sagte Uscha Roettger, auf die Ami-Uniform deutend, „wird die Heeresstreife dumm aus der Wäsche gucken.“

      Die verzweifelte Wut schoß in Werner Eckstadt so schnell hoch, daß er seinen Mund nicht länger halten konnte. Er sah in die feixenden Gesichter seiner Stubenkameraden, und er betonte jede Silbe laut und überdeutlich:

      „Die Heeresstreife wird Augen machen? … Ihr Armleuchter. Was meint ihr, was die Amis machen, wenn sie euch schnappen? СКАЧАТЬ