Название: The Walking Dead: Taifun
Автор: Wesley Chu
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783966580458
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»Habe ich was Falsches gesagt?«, fragte Bo.
Zhu beugte sich über das Balkongeländer und betrachtete das gegenüberliegende Ufer. Es roch nach Fisch und Algen und feuchter Fäulnis. Eine aufgedunsene Leiche trieb an einigen Gänsen vorbei. Ihr folgte eine weitere und dann ein ganzes Dutzend, das von Trümmern begleitet wurde. Er verschwendete kaum einen Gedanken an den grausigen Anblick. Wahrscheinlich war ein Boot untergegangen. So etwas kam auf Flüssen immer mal vor.
Elena gesellte sich einige Sekunden später zu ihm. Sie legte ihren Arm um seine Hüften und lehnte sich an ihn. »Hey, ist alles in Ordnung? Du bist schon den ganzen Tag so nervös.«
Zhu zog sie zu sich und atmete ein. Sie roch so, wie man nun einmal roch, wenn man seit Wochen durch Schlamm und Müll und Wildnis zog. Nach Schweiß und Dreck und ehrlich gesagt, auch ein wenig nach Kot. Doch unter all dem roch Zhu auch sie. Das war wunderbar. Er drückte sie. »Ich bin nur besorgt, weil wir so weit in einen Ort vorgedrungen sind.«
»Das hast du mir als erste Überlebensregel beigebracht«, rief sie ihm ins Gedächtnis. »Halte dich von Bevölkerungszentren fern. Es überrascht mich, dass du diese Idee hattest.«
»Wir hatten keine Wahl«, erwiderte er. »Wir haben unsere Quote seit Wochen nicht erfüllt. Wir brauchen gute Beute.«
»Aber so weit draußen? Woher wusstest du überhaupt von diesem Goldtopf am Ende des Regenbogens?«
Zhu war sich nicht sicher, was das bedeutete. Elenas amerikanische Redewendungen ließen sich nicht immer in Mandarin übersetzen. Aber das machte einen Teil ihres Charmes aus. Er reckte die Nase in die Luft. »Hier riecht es nach faulen Eiern.«
»Bo hat ein mit Pech gestrichenes Regal zerschlagen, damit wir Feuerholz haben. Wir kochen gerade das Abendessen«, antwortete sie. »Dieser Ofen ist uralt. Der könnte noch aus der Ming-Dynastie stammen.«
Er seufzte. »Gibt es sonst noch was zu essen?«
Elena nahm einen vornehmen, aber schlechten britischen Akzent an, der sie wie eine Mischung aus einem Singapurer und einem amerikanischen Cowboy klingen ließ. »Als Vorspeise servieren wir heute abgestandenes Wasser mit einem Hauch Chlor aus der Flasche. Als Hauptgang haben wir Klebreis mit Erdnüssen in getrockneten Bananenblättern. Und zum Dessert gibt es eine große Durian, die du dir mit Bo teilen kannst.« Sie hielt inne. »Und wir haben auch noch diese ekligen Eier, die Bo gefunden hat.«
Zhu verzog das Gesicht. »Das ist ein schreckliches Menü. Ich möchte mit Ihrem Vorgesetzten sprechen.«
»Selbstverständlich, Sir. Sie können Ihre Beschwerde hier hinterlassen.« Sie zeigte ihm den Mittelfinger und streckte dann den kleinen Finger aus, die chinesische Geste. Anschließend grinste sie. »Aber mal ernsthaft, sobald wir unsere Quote erfüllt haben, werde ich mir von den Punkten, die wir dann bekommen, echtes Obst kaufen.«
»Durian ist echtes Obst.«
»Darüber lässt sich streiten.« Sie zeigte zum Horizont. »Es kommt Nebel auf. Wenn der bis morgen nicht weg ist, sitzen wir in diesem Dorf fest. Jedenfalls sollten wir uns bei dem Wetter nicht draußen umsehen.«
»Der Nebel wird morgen früh weg sein.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es«, erwiderte Zhu mit Gewissheit. Er drehte den Kopf und warf einen Blick ins Wohnzimmer. »Was macht Bo da drin?«
»Er liest in seinen Büchern.«
Bo war als Einziger im Team vor dem Zusammenbruch so arm gewesen, dass er sich keine elektronischen Geräte hatte leisten können. Zhu hatte eine einfache Kamera und einen MP3-Player mit Musik dabei und Elena besaß praktisch alles: eine Kamera, ein Handy, einen MP3-Player und einen dieser schicken tragbaren DVD-Player. Bo besaß nur Bücher. Auf der einen Seite war das gut, weil er nie Punkte für das Aufladen seiner Geräte ausgeben musste. Auf der anderen Seite war er oft gezwungen, die wenigen Bücher, die er besaß, mehrfach zu lesen. Außerdem hatte Zhu ihm ausdrücklich verboten, mehr als ein Buch auf ihre Beutezüge mitzunehmen.
»Ich wünschte, ich könnte hànzì besser lesen«, sagte Elena wehmütig. »Wie nennt man so eine Geschichte noch mal?«
»Wūxiá, was so viel wie ›Kampfkunstheld‹ bedeutet. Da kommen die ganzen Kung-Fu-Geschichten her. Wenn du möchtest, kann ich dir beibringen, die Zeichen besser zu lesen. Schließlich hast du dir, bevor das alles losging, ja auch große Mühe mit meinem Englischunterricht gegeben«, bot Zhu an und tastete nach ihrer Hand.
»Der Lehrling ist nun selbst zum Meister geworden.« Sie lächelte und ließ sich von ihm zurück ins Wohnzimmer führen.
Das Abendessen entsprach ihrer Beschreibung: Klebreis mit Erdnüssen und Sojasoße, eingewickelt in Bananenblätter. Zhu und Elena gaben Bo von ihren Portionen etwas ab, da der kräftige Mann so viel wog wie sie beide zusammen. Sie gab ihm auch ihren Teil der Durian.
Der Rauch, den das Feuer im Holzofen verursachte, zog nur zum Teil ab, doch das Team ertrug es, weil das immer noch besser als die Kälte war. Die drei vertrieben sich die Zeit mit den spärlichen Unterhaltungsmöglichkeiten, die ihnen zur Verfügung standen. Sie hörten die Musik, die Zhu auf seinem MP3-Player gespeichert hatte, und sahen sich Filme auf Elenas kleinem Bildschirm an. Anschließend las Bo etwas aus seinem wūxiá-Buch vor und Zhu half Elena mit ihrem Mandarin.
Sie rückten näher an den Ofen heran, als die Nacht anbrach und es kälter wurde. In der Dunkelheit konnte man nicht mehr lesen, also unterhielt Elena die anderen mit Geschichten über ihr Leben in Amerika. Anscheinend war ihre Familie fast jedes Wochenende Boot gefahren oder hatte gegrillt, war an Sandstränden entlangspaziert oder hatte auf einem großen Fluss namens Colorado etwas getan, das Elena als »Tubing« bezeichnete. Sie erzählte ihnen, dass sie und ihr Bruder Robbie oft mit ihrem Vater Rehe mit Pfeil und Bogen gejagt hatten, was erklärte, weshalb sie so gut damit umgehen konnte.
Wenn Elena von ihrer Heimat sprach, hellte sich ihre Miene auf. Es war offensichtlich, wie sehr sie ihre Familie vermisste. Dass sie so weit weg gewesen war, als die Welt auseinanderbrach, musste sie innerlich zerrissen haben. Seit sie und Zhu im Frühstadium der Katastrophe aus Changsha geflohen waren, hatte sie nichts mehr aus Amerika gehört.
Bo hob die Hand, als sie wieder einmal versuchte, ihnen Tubing zu erklären. »Ich verstehe das nicht.« Er zählte die Punkte an den Fingern ab. »Deine Familie hat ihr eigenes Boot, mit dem sie zum Spaß herumfährt, ohne Ziel und ohne etwas zu befördern. Aber ihr lasst euch auch gerne auf Autoreifen im See treiben.«
Sie nickte. »Es geht nicht darum, irgendwo anzukommen. Wir wollten nur zusammen sein und diese Erfahrung genießen. Außerdem gab es auf dem Lake Travis oft Partys. Wir sind herumgefahren, haben ein paar Boote miteinander vertäut und hatten Spaß.«
Bo wirkte ein wenig verwirrt. Zhu konnte das gut nachvollziehen. Sie kamen beide vom Land, Zhu aus West-Hunan und Bo von irgendwo weit oben im Norden. Beide hatten einen Bauernhof verlassen, um sich in der Stadt Arbeit zu suchen, und hatten schließlich nebeneinander in einer Fabrik am Fließband gestanden. Kurz darauf hatte sich Zhu auf die Suche nach einem Englischlehrer gemacht und Elena kennengelernt.
Zum Einschlafen hörten sie gŭzhēng-Volksmusik, Klassiker von Andy Lau und chinesischen Death Metal – Letzteres gefiel Zhu erst seit Kurzem. Bo legte sich neben den Ofen, während sich Zhu und Elena einen Schlafsack teilten. Sie hatten auf einen zusätzlichen Schlafsack verzichtet, um mehr Platz für die СКАЧАТЬ