Название: Elfenzeit 8: Lyonesse
Автор: Uschi Zietsch
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Elfenzeit
isbn: 9783946773320
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Der Getreue griff in die Mähne des Mantikors, stieß sich ab und schwang sich auf seinen Rücken. Er hieb ihm die Beine in die Seiten und befahl: »Los!«
5.
Auf den Spuren des Mystikers
»… nicht so gemeint!«, drang eine aufgeregt quäkende Stimme durch den Nebel in Roberts Gedanken. »Ich habe nur … au! Nicht das Ohr, bitte! Da bin ich sehr empfindlich! Au, au!«
Robert schlug die Augen auf und sah verschwommen Chadwick Pickwick Sloterbik, dessen Beine in der Luft zappelten und dessen haariges Ohr in Annes Hand hing. Neben ihr stand ein … ja, was war das? Ein Koloss von über zwei Metern Länge und vermutlich einem Meter Schulterbreite, haarlos und grau wie ein Fels, und genauso schrundig. In einer Schaufelhand an dem überlangen Arm hielt er eine Keule, mit der Roberts Kopf soeben unerfreuliche Bekanntschaft geschlossen hatte. Sein Gesicht zeigte einen ziemlich einfältigen, um nicht zu sagen tumben Ausdruck, ein Zahn ragte oben aus dem geschlossenen Mund heraus, an dem ein Speichelfaden hing.
Ächzend richtete Robert sich auf.
»Siehst du, siehst du, ihm ist nichts geschehen!«, rief Chad und deutete mit fuchtelndem Finger auf Robert. »Bitte lass mich wieder runter, ich halte das nicht aus!«
Anne ließ ihn los, und er plumpste unsanft auf den Boden. »Autsch!«, beschwerte er sich, rappelte sich auf und rieb sich den schmerzenden Hintern. Wütend funkelte er zu seinem riesigen Kumpan hoch. »Danke für deine Hilfe!«
»Die is’ zu stark für mich«, sagte der Riese mit Kinderstimme. »Vor der habbich Angst.«
»Und vor mir kriegst du auch gleich Angst!«, sagte Robert, dessen Stolz sich angegriffen fühlte, und stand auf. »Und wer bist du, hinterhältiger Kerl mit Keule?«
»Rocky«, murmelte der Riese und wirkte verlegen. »Tut mir echt leid, Mann, aber ich hab gedacht, du wills’ Chad was tun oder so.«
»Du bist sein Beschützer?«
»Er is’ mein Freund«, strahlte der Riese. »Ich lass nie nich’ zu, dass ihm einer was antut.«
»Und was ist Rocky?«, wollte Robert von Chad wissen. Geflissentlich wich er Annes Blick aus, die mit vor der Brust verschränkten Armen dastand, und er hätte schwören können, dass Rauch aus Ohren und Nase quoll.
»Ein Stadttroll«, erklärte der Kobold bereitwillig. »Er is’ in London aufgewachsen, genau wie ich.«
Nun explodierte Anne. »Robert, verdammt noch mal, hast du völlig den Verstand verloren?«, schrie sie ihn an.
Rocky machte einen Satz zur Seite und duckte sich unwillkürlich. Chad schützte vorsichtshalber die Ohren mit den Händen.
»Was sollte dieser Alleingang? Bist du zum hirnlosen Zombie geworden?«
»Na ja, ich dachte … weil ich doch ein unsterblicher Vampir bin …«
»Relativ unsterblicher«, fauchte sie. »Selbst dir dürfte das bekannt sein! Du bist verletzbar, und du kannst getötet werden!«
»Entschuldige«, murmelte er schuldbewusst und rieb sich die immer noch schmerzende Stelle am Hinterkopf. »Ist wohl irgendwie mit mir durchgegangen.«
Sie öffnete den Mund zu weiteren Vorwürfen, doch dann schüttelte sie nur den Kopf. Stattdessen wandte sie sich Chad zu. »Um Roberts Frage zu wiederholen, die Rockys Keulenschlag vorhin unterbrochen hat: Was wisst ihr von den Vorgängen hier?«
»Nichts«, versicherte der Kobold erneut, und der Stadttroll echote: »Nix.« Chad fuhr fort: »Wir halten uns die ganze Zeit versteckt und suchen nach einer Möglichkeit, wegzukommen.«
»Warum sucht ihr nicht nach einem anderen Portal?«, fragte Anne.
»Wegen Rocky«, antwortete Chad. »Er traut sich nicht raus, nicht mal in der Nacht, weil er Angst hat zu versteinern.«
»Aber die Gefahr besteht doch nur tagsüber …«
»Nicht mehr. Alles ist durcheinander. Rockys Bruder hat’s voll erwischt, mitten in der Nacht in Kensington Gardens, wir wissen nicht, wodurch, und jetzt haben sie ihn neben Peter Pan gestellt.« Chad schüttelte sich und würgte. »Ist das nicht grauenvoll? Neben diesen klugscheißerischen Hochstapler … der arme Pocky. So missbraucht zu werden!«
»Deswegen hat Ma ihn auch unsichtbar gemacht, dasser nur noch bei Vollmond zu sehen is’«, fügte Rocky hinzu. »Chad is’ danach abgehauen, und ich bin mitgegangen. Ma is’ bestimmt sauer, nur ich kann ja mein’ Freund nich’ im Stich lassen, gell? Und ich will nich’ enden wie Pocky.«
Robert sagte behutsam: »Aber wo wollt ihr denn hin? Nirgends ist es mehr sicher.«
»Du hast keine Ahnung, was in London abgeht, Alter. Überall ist es sicherer als dort.« Chad blickte zu Anne hoch. »Kannst du uns nicht helfen, weiterzukommen? Ich möchte gern in die Bretagne. Es heißt, dass Merlin wieder da ist und das Land beschützt, also ist das der beste Ort. Ich meine, er ist schließlich der mächtigste Zauberer, oder? Wir werden dort um Asyl bitten.« Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen. »Und, hilfst du uns?«
»Vielleicht«, sagte Anne unbestimmt und schien zu überlegen. »Wenn ihr im Gegenzug uns helft. Findet heraus, was hier los ist. Ihr braucht nur zu beobachten, ohne euch einzumischen. Haltet Augen und Ohren offen. Wir kommen morgen Abend wieder.«
»Ich tu mich aber fürchten«, sagte Rocky, und ein knirschendes Geräusch erklang, als seine Knie zu schlottern anfingen.
Auf Annes Gesicht trat ein misstrauischer Ausdruck. »Also wisst ihr bereits etwas?«
»Nein-nein«, beeilte sich Chad zu versichern. »Wirklich, wir haben nur ein Gespräch von zwei Sterblichen belauscht, und die haben was von einem Monster gefaselt, das hier unten leben soll … so eine typische dunkle Menschenmär, aber Rocky regt so was immer furchtbar auf. Er kriegt die Krise, wenn einer nur Gespenstergeschichten für Dreijährige erzählt …«
Anne verdrehte die Augen, und Robert hatte Mühe, nicht laut herauszuplatzen. Passend dazu steckte Rocky den Zeigefinger in den Mund. Ihm war nicht bewusst, wie groß und stark er war, und auch nicht, was er als Troll für einen Schrecken in der Menschenwelt darstellte. Aber anscheinend kam er kaum mit ihnen in Berührung, geschweige denn, dass er sie aß, wie es Trolle üblicherweise taten. Vermutlich war er nicht gerade der Stolz seiner Mutter, und die war deswegen gewiss nicht wütend, sondern froh, ihn los zu sein.
»Hör mal, Rocky, Chad passt schon auf, dass euch nichts passiert«, sagte er freundlich. »Und zieh nicht jedem gleich eins mit der Keule über, okay? Menschen vertragen das nicht so gut, und die sind hier wegen der anderen Sache aufgescheucht genug. Das könnte sie ziemlich gegen euch aufbringen.«
»Uh, nee«, sagte Rocky erschrocken. »Ich tu die Keule weg!«
»Behalte sie, aber setze sie nicht ein, und halte dich versteckt«, befahl Anne. »Bis morgen. Wir werden so gegen Mitternacht kommen, also haltet euch bereit. Und bis dahin erwarte ich Informationen, verstanden? Belauscht vor allem die Menschen.«
»Ja, gut«, sagte Chad. »Können wir auf deinen Schutz hoffen?«
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