Die Rabenringe - Gabe (Band 3). Siri Pettersen
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Название: Die Rabenringe - Gabe (Band 3)

Автор: Siri Pettersen

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9783038801153

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СКАЧАТЬ trug das gleiche Zeichen auf der Stirn wie der Getötete. Einen grauen Tropfen. Als er den Kopf drehte, sah Hirka, dass es keine Zeichnung war. Es hatte Tiefe. Wie ein matter Edelstein. Er ging in die Hocke und zog den Pfeil aus dem Rücken des Toten. Es klang, als zerbräche etwas. Blut tropfte von der Spitze in den Schnee. Hirka starrte ihn an, aber er beachtete sie nicht. Warf nicht einmal einen Blick zu ihr oder Skerri.

      Er wischte die Pfeilspitze in einer Handvoll Schnee ab und steckte den Pfeil in einen Köcher, den er am Gürtel trug. Dann packte er den Toten im Nacken und zog ihn durch eines der klaffenden Löcher in der Wand mit sich nach draußen.

      Hirka konnte das Gefühl von Machtlosigkeit nicht abschütteln. Wo war sie hineingeraten? Sie sah Skerri an. Ihre Haut war bleich wie der Himmel, machte all das Schwarze scharf und bedrohlich. Das Haar. Die Lippen. Das Leder. Sie war schwarz und weiß. Nichts dazwischen. Sie war die einzige totgeborene Frau, die Hirka je gesehen hatte. Hirka klammerte sich an den Glauben, dass Graal sie brauchte. Er hätte sie nicht in den Tod geschickt.

      »Er war nicht auf dich aus«, sagte Skerri, während ihr Blick der makabren Spur des Toten folgte.

      »Worauf dann?«

      »Die Gabe«, erwiderte sie, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. Sie drehte sich abrupt um. Die schwarzen Zöpfe peitschten über ihren Rücken, beschwert von Perlen an den Enden. Sie ging zu den beiden, die warteten.

      Hirka blickte zurück, aber Ymsland war weg. Alles, was sie zu sehen bekommen hatte, war eine dunkle Höhle unter Mannfalla, in die die Steine hineinragten. Und Damayanti. Die gnadenlose Tänzerin hatte sie ohne einen einzigen Blick auf die Oberfläche hierher weitergeschickt. Sie hatte die Stadt nicht sehen dürfen. Lindri nicht besucht. Sie hatte ein Versprechen zu halten und jetzt war sie hier zu Hause.

       Wo ist hier?

      Hirka folgte Skerri, mehr aus dem Gefühl heraus, es zu müssen, als dass sie es wollte. »Wo sind wir?«

      »Das ist Nifel, die zerstörte Stadt. Wir bleiben nicht hier.«

      Hirka widerstand der Versuchung zu fragen, was sie zerstört hatte. »Aber … die Welt? Wie nennt ihr …«

      »Dreysíl. Das erste Land.«

      »Ah …« Hirka schob sich ihren Beutel bequemer zurecht. Schnee war in den Saal geweht und hatte sich zu Wällen aufgetürmt. Am Ende waren die Wände eingestürzt. Zerbrochene Säulen ragten wie Knochen aus dem Schnee. Bei einer von ihnen warteten die beiden Männer. Skerri gab ihnen ein Handzeichen und sie verschwanden nach draußen, bevor Hirka sie grüßen konnte. Sie hatte nur gesehen, dass der eine ebenso leicht bekleidet war wie Skerri. Trotz des Wetters.

      »Wohin gehen wir?«

      »Ginnungad«, antwortete Skerri, ohne sich umzudrehen.

      »Ist das weit?« Hirka spürte, wie die Kälte ihr in die Knochen drang. Sie hielt Ausschau in der Hoffnung, Pferde und einen Wagen zu entdecken, aber es war nichts anderes zu sehen als Schnee. »Habt ihr keine Pferde?«

      »Wozu?«

      Hirka war drauf und dran, wieder im Schnee stecken zu bleiben.

      »Um darauf zu reiten.«

      War es vielleicht die Sprache? Skerri wirkte nicht sehr gewandt in Ymsländisch. Es war, als spräche sie es nur widerwillig. Aber sie blieb stehen. Drehte sich zu Hirka um und bleckte die Eckzähne. »Sehe ich aus, als müsste ich getragen werden?«

      Hirka schüttelte den Kopf. »So habe ich das nicht gemeint …«

      »Vier Tage. Ginnungad ist vier Tage entfernt.« Skerri ließ ihren Blick über Hirka wandern, von Kopf bis Fuß. Selbst in den blinden Augen war die Enttäuschung offensichtlich. »Sagen wir sechs Tage«, fügte sie bissig hinzu und ging weiter.

      Zuflucht

      Rime kroch übers Dach, bis er an den Rand kam. Er hielt inne. Lauschte. Das Eis am Flussufer knirschte. Aus einem Fenster ein paar Häuser weiter leerte jemand einen Waschzuber. Er wartete noch eine Weile. Musste vorsichtig sein. Hierherzukommen konnte Lindris Leben gefährden.

      Das Teehaus war so etwas wie ein Zufluchtsort geworden. Ein sicherer Ort im Niemandsland. Lindris Tür war immer offen und Rime konnte nirgends anders hin. Jedenfalls nicht, ohne dass sich das Gerücht in Mannfalla verbreitete, und das durfte nicht passieren.

      Nicht, bevor er einen Plan hatte.

      Es war windig geworden. Er rieb sich die Hände, versuchte, Leben in die erfrorenen Finger zu zwingen. Ein Tag und eine Nacht draußen in dieser Kälte, da hatte es selbst die Gabe aufgegeben, ihn warm zu halten.

      Er packte die Dachkante, rollte sich über den Rand und ließ sich hinunter auf die hölzerne Plattform. Sie ragte hinter dem Teehaus ein Stück auf den Fluss hinaus, wie ein Bootssteg. An der Hauswand standen ein Schaukelstuhl und eine eisbedeckte Laterne. Eine Kletterpflanze, die sich um die Balken rankte, war über den Winter verdorrt.

      Durch eine haarfeine Ritze zwischen Tür und Rahmen konnte er drinnen Licht erahnen. Rime klopfte an. Lange blieb es still, dann wurde die Tür ein klein wenig geöffnet. Ein Auge blinzelte durch den Spalt.

      »Ich bin es«, flüsterte Rime.

      Lindri zuckte zusammen, als hätte er sich verbrannt. Die Tür ging mit einem lang gezogenen Knarzen auf. Er ließ die Kerze fallen, die er in der Hand gehalten hatte. Sie rollte über die Plattform und erlosch. Rime hielt sie mit dem Fuß auf. Der Teehändler schnappte nach Luft und schlug das Zeichen des Sehers. Wich zurück.

      Rime ergriff seinen Arm. »Nein! Nein, ich bin nicht tot, Lindri! Hörst du? Ich bin nicht tot.«

      Die Angst in Lindris Augen verblasste. Er zog Rime ins Haus. Rasch steckte er den Kopf hinaus und blickte sich um, ehe er die Tür wieder schloss. So, als hätte er mit mehreren gerechnet oder als könnte er einfach nicht begreifen, wie Rime hierhergekommen war.

      Das Hinterzimmer war eng, vollgestopft mit Kisten und Jutesäcken. Die Luft war schwer von Heustaub. Das löste eine jähe Erinnerung in Rime aus. Hier hatte er mit Schwarzfeuer gestanden, in der Nacht, als die Schwarzröcke nach Reikavik gerudert waren. Sie hatten über Dinge gestritten, die jetzt banal wirkten. Was hatte Schwarzfeuer noch gesagt?

       Du kannst die Welt nicht vom Draumheim aus beherrschen, Junge.

      Lindri drängte ihn weiterzugehen, hinein ins Teehaus. Tische und Bänke standen grau in der Dunkelheit. Die Nacht hatte dem Holz alle Farbe geraubt.

      »Setz dich, setz dich«, sagte Lindri und schob ihn freundlich, aber bestimmt zu einer Bank an der Feuerstelle. Die Flammen waren erloschen, aber etwas von der Wärme hing noch im Raum. Genug, dass Rime begriff, wie durchgefroren er war.

      Lindri stocherte mit dem Schürhaken in den verkohlten Holzresten.

      »Lass gut sein, Lindri. Kein Feuer. Niemand darf wissen, dass ich hier bin.«

      Lindri kramte im Holzstapel. Riss ein Stück Birkenrinde ab und begann Feuer zu machen, als hätte er kein Wort СКАЧАТЬ