Die Rabenringe - Gabe (Band 3). Siri Pettersen
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Название: Die Rabenringe - Gabe (Band 3)

Автор: Siri Pettersen

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9783038801153

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      »Kolail?«

      Er stieß ein Wiehern aus, eine Art abgehacktes Lachen. »Nicht hier.«

      Es dauerte einen Moment, bis ihr aufging, was er meinte. Dass er hier nicht so genannt wurde.

      Sie ging zu ihm hin. »Aber das ist dein Name?«

      Er nickte. Auf dem Stein neben ihm war Platz.

      »Darf ich mich setzen?«, fragte sie.

      Er sah aus wie ein Toter, der Stahlmann. Graues Haar, graue Bartstoppeln, die Wangen ein wenig hohl. Und dann die Totgeborenen-Augen, die immer verdreht aussahen …

      Sie hatte lange gebraucht, um sich an Naiells Augen zu gewöhnen. Sie waren der lebende Beweis für all die Mythen über die Blinden.

      »Ich möchte meinen, du hast die Freiheit, alles zu tun, wonach dir der Sinn steht«, erwiderte er bitter.

      Sie lockerte die Decke gerade so viel, dass sie sich setzen konnte. Ein Stock steckte im Schnee, schräg über das Feuer gelehnt. An seinem Ende war eine Forelle aufgespießt, lang wie ein Unterarm. Der Geruch von verbranntem Fett ließ ihren Magen knurren. Hirka lief das Wasser im Mund zusammen.

      »Ich wusste nicht, dass ihr Fisch esst«, sagte sie.

      »Greif zu.«

      Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Sie zog den Stock aus dem Schnee und biss herzhaft in den Fisch. Drei große Bissen schluckte sie hinunter, bis ihr einfiel, ihn zu fragen, ob er auch etwas wollte. Er schüttelte den Kopf.

      Hirka konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal etwas so Köstliches gegessen hatte. Sie verputzte alles, was an dem Fisch essbar war. Nur die Mittelgräte und der Kopf hingen noch am Stock. Kolail schlug seine Klauen hinein. In kürzester Zeit schrumpften die Überreste zu etwas zusammen, das an ein Haarknäuel erinnerte.

      Wie war es möglich, dass sie diesem Volk angehörte? Floss in ihren Adern wirklich Blut von etwas, das so grundsätzlich anders war als sie selbst? Sie waren so vollkommen und so grausam zugleich. Und so … furchtlos. Sie dagegen hatte ihr Leben lang Angst gehabt.

      »Wie alt bist …«

      »Sag mal«, fiel er ihr ins Wort, »wen von uns beiden versuchst du zu töten? Mich oder dich?«

      »Stirbst du davon, dass du mit Leuten sprichst?«

      »Stell dich nicht dumm, das passt nicht zu dir.«

      Er hatte recht. Sie wusste genau, was er meinte. Er war ein Gefallener. Sie hatte keine Ahnung, was das bedeutete, aber dass er kein Freund sein sollte, das war deutlich genug geworden. Sie entschied sich für eine ehrlichere und direktere Annäherung.

      »Ich hatte gestern Abend die Möglichkeit, dein Leben zu beenden. Das reicht wohl.«

      »Wenn du auf ein Dankeschön wartest, kannst du lange hier sitzen.«

      »Wenn du glaubst, ich brauche ein Dankeschön, damit ich jemanden am Leben lasse, dann hast du schon viel zu lange hier in der Kälte gesessen.«

      Er erwiderte ihren Blick, sagte aber nichts.

      Sie rieb sich die Finger mit Schnee ab, um das Fischfett loszuwerden. »Warum hast du nichts gesagt, als sie dich bestrafen wollte?«

      Er gab wieder ein Wiehern von sich. Schüttelte den Kopf, als wäre die Frage idiotisch. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete.

      »Weil ich schon todgeweiht war, als Glimau anfing zu rennen.«

       Glimau …

      Hirka spürte, wie sich das Essen in ihrem Magen zusammenballte. Der Mann, den er getötet hatte, war nicht länger ein Fremder im Schnee. Er hatte einen Namen. Das Feuer spuckte Glutfunken in den schwarzen Himmel.

      »Wieso das?«, fragte sie.

      Kolail warf einen Blick zu den Zelten und senkte die Stimme. »Ich hätte es sein lassen können, zu schießen, und wäre dafür gestorben. Ich hätte versuchen können, ihn einzuholen, hätte es nicht geschafft und wäre dafür gestorben. Oder ich hätte schießen können und vielleicht überlebt. Was hättest du getan?«

      »Danebengeschossen?«

      Er sah sie an. Das Licht des Feuers flackerte gelb in seinen Augen. Sie senkte den Blick. Wusste, dass sie zu leichtfertig geantwortet hatte. Zu selbstsicher. In Wahrheit hatte sie keine Ahnung, was sie getan hätte. Sie verspürte den Drang, den Schaden wiedergutzumachen. Etwas zu sagen, was ihm klarmachte, dass sie verstand. Dass sie nicht dumm war.

      »Ich weiß, dass es nicht darum ging, wohin du geschossen hast. Es ging darum, dass die anderen mir den gleichen Respekt entgegenbringen sollten wie ihr. Das war es, was sie wollte.«

      Der Gedanke war bestialisch. Hirka biss sich auf die Lippe. Skerri hatte sie aufgefordert, das Todesurteil über einen Mann zu sprechen, um Tatkraft zu beweisen. Um Angst zu verbreiten. Weil Hirka so war, wie sie war.

      »Aber das wird nie geschehen«, fuhr sie fort. »Ich sehe nicht aus wie sie. Wie ihr. Ich bin …«

      »Klein.« Kolail stützte die Ellbogen auf die Knie und beugte sich vor. Er war allzu groß und allzu nah. Seine Unterarme waren in schäbiges Fell geschnürt. »Du bist klein. Langsam. Schwach. Frierst leicht. Man muss dir den ganzen Tag zu trinken geben. Kein Wunder, dass sie schon Wetten über dich abschließen. Tyla hat zwei Scheiben gewettet, dass du krepierst, bevor wir da sind, und offen gesagt wäre das auch das Beste für dich. Jeder Dummkopf kann sehen, dass du noch einen weiten Weg zurücklegen musst, bevor aus dir eine Dreyri wird. Bevor du annähernd wie jemand bist, der Modrasmes Haus angehört.«

      Hirka starrte ihn an. Er lächelte nicht, aber der Zug um seinen Mund verriet, dass er sich amüsierte. Das wärmte sie mehr als das Feuer.

      »Findest du nicht, dass du ein bisschen zu ehrlich bist?«, fragte sie. »Wenn man bedenkt, dass ich mir eine passende Strafe für dich überlegen soll, bevor wir angekommen sind?«

      Wieder dieses wiehernde Lachen. Der graue Haarschopf zitterte. »Als hättest du jemals in deinem Leben jemanden bestraft.«

      Hirka merkte, wie ihr Lächeln verblasste. Die Erinnerung an Micke drängte sich auf. An das Messer, das sie in ihn hineingestoßen hatte, in der Gasse an der Kirche. Warmes Blut auf kalten Händen.

      Kolail sah sie an. »Ach, das hast du? Wohl unabsichtlich?«

      Sie schüttelte den Kopf. Krallte die Finger in die Wolldecke, die sie vor der Brust zusammenhielt. Sie hatte Leben genommen und es war kein Unfall gewesen. Sie hatte Angst gehabt. Verzweifelte Angst, ja. Aber dennoch … Tief im Innern wusste sie, dass die Klinge ihren Weg zwischen seine Rippen nicht zufällig gefunden hatte.

      Kolail zuckte die Schultern. »Na, dann werde ich eben eine weitere Kerbe im Stock sein. Du hast mich bereits zum Tode verurteilt. Wenn du glaubst, sie lässt dich mit etwas anderem davonkommen, bist du dümmer, als du aussiehst.«

      »Und das quält dich nicht? Dass sie dich ohne Grund umbringen wird?«

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