Название: Man erzieht nur mit dem Herzen gut
Автор: Daniel Zindel
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783417269901
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Ich begegnete durch meine Vaterschaft der Angst, wegen der Familie und meiner Kinder im Beruf oder in meinen sonstigen Interessen etwas zu verpassen. Der gelegentliche Rückzug aus der Öffentlichkeit in die Verborgenheit der Familie zwang mich, Vertrauen aufzubauen, dass ich dadurch nicht »zu spät kommen« und vom Leben bestraft werden würde.
Lernen am Vorbild
Ich habe mir einen Ratschlag des genialen katholischen Pädagogen Don Bosco an seine sozialpädagogischen Mitarbeitenden in mein Tagebuch geschrieben:
»Predige deinen Kindern am Morgen, am Mittag und am Abend – und wenn es sein muss, auch noch mit Worten.«
Wir prägen mit dem, was wir sind, und nicht mit dem, was wir sagen. Unsere Lebensfreude oder unser Missmut als Eltern färben ab. Wie ich mit meiner Frau umgehe, prägt das Frauenbild meines Sohnes. Wie ich über andere spreche, formt den Respekt unserer Kinder gegenüber ihrer Mitwelt. Ob ich mich von meinen Gefühlen überschwemmen lasse oder sie reif reguliere, wird beeinflussen, wie unsere Kinder mit ihren Emotionen umgehen.
Ich bin ein eher kontrollierter Mensch und war als Vater recht distanziert und spröde, wenn es um Nähe und körperliche Berührung geht. Ich war kein »Teddydaddy« zum Anfassen. Als Vorbild war ich prägend in Bezug auf Respekt und Achtung, aber nicht so sehr in vertraulicher Nähe und Emotionalität. Zum Glück schaffte meine Frau auf diesem Gebiet den Ausgleich.
Kinder sind wie ein Spiegel und manchmal können wir uns selbst in ihrem kindlichen Spiel erkennen, das unsere Erwachsenenwelt nachahmt. Im Guten und Schlechten. Im Inneren unserer Kinder formt sich aus unzähligen erlebten Szenen und Situationen mit uns Eltern ein Bild, das vor ihren Seelen steht: unser Vorbild. Von diesem Vorbild geht eine prägende, verändernde Kraft aus: Was ein Mann oder eine Frau ist; wie man zu seinem Leib, seiner Nacktheit und seiner Sexualität steht; was es bedeutet, zu arbeiten, und wie man sich erholt; wie man Entscheidungen fällt; wie man mit Scheitern und Enttäuschungen umgeht. Das, was unsere Kinder an uns sehen und hören, wirkt tiefer und nachhaltiger als das, was wir ihnen sagen und sie lehren.
Hältst du die Ordnung, hält die Ordnung dich
Ein junges Paar ist zuversichtlich, dass das erste Kind sie beide nicht in ihrer Flexibilität stören wird. Sie schlendern abends spontan durch die Stadt, besuchen Kneipen und treffen sich mit Freunden. Erstaunt stellen sie dabei fest, dass der Kleine nach solchen Abenden lange schreit und kaum in den Schlaf findet. Umlernen ist für die Eltern angesagt. Sie stellen ihre Zeitstrukturierung zum Wohl des Kindes und zu ihrer eigenen Entspannung um. Ihnen wird dabei schmerzlich bewusst, dass sie jetzt auf manches verzichten müssen. Sie entwickeln ein Einschlafritual für ihr Kind, an welchem oft beide beteiligt sind. Das stärkt sie in ihrer Intimität. Sie entdecken ihr Zusammenspiel als Eltern auf weiteren Gebieten: Er badet das Kind. Sie übernimmt es und trocknet es ab. Sie werden ein eingespieltes Team. Essen vorbereiten, wickeln, Spaziergang im Freien, Aufstehen in der Nacht, Wäsche aufhängen und den Geschirrspüler ausräumen – es entstehen Arbeitsteilungen und Verantwortlichkeiten. Man arbeitet zusammen und grenzt sich ab.
Unser Zusammenleben im Familienhaus braucht solche Zuständigkeiten und Strukturen. Unter Struktur versteht man die »Anordnung der Teile eines Ganzen zueinander« (Duden). Auch in einer Familie sorgt ein gegliederter Aufbau dafür, dass wir gut zusammenleben und -arbeiten können.
Für uns sind Strukturen und Beziehungen keine Widersprüche, sie unterstützen sich sogar gegenseitig. Gute Strukturen entlasten unsere Beziehungen, weil wir dann als Familie nicht alles permanent ad hoc neu erfinden und aushandeln müssen. Strukturen entlasten wie ein stützendes Gerüst. Sie basieren auf längerfristigen Abmachungen, die wir mit beharrlicher Geduld aufrechterhalten. Sie bewahren uns davor, als Eltern permanent und unmittelbar zu agieren und zu intervenieren. So wie gute Zäune gute Nachbarn schaffen, so ermöglichen gute Strukturen Klarheit: Wann und wie wir essen, wo die Sportsachen hingehören, welchen Beitrag jeder in der Familie bezüglich der anfallenden Arbeiten leistet. Die Kunst des Zusammenlebens in der Familie hat mit der Kunst zu tun, im Familienhaus lebensfördernde Strukturen zu setzen.
Strukturen, die dem Leben dienen, sollen maßvoll sein. Überregulierte Familien sind gestresste Familien. Eine Familie tickt nun mal nicht wie das Qualitätsmanagement eines Universitätsspitals. Aber auch in unterregulierten Familien kann viel Druck vorhanden sein, denn ein Chaos in Bezug auf Ordnung, Sauberkeit, Schlaf- und Essgewohnheiten erzeugt ebenfalls viel Unfrieden.
Also: Arbeiten Sie nicht nur in der Familie, sondern an der Familie. Bauen Sie in entspannten Zeiten an Ihren Familienstrukturen! Wenn gerade alle hungrig sind und der Kühlschrank leer ist, wäre es wenig ratsam, an der familiären Einkaufsregelung zu arbeiten.
Rituale
Ebenso lebensfördernd wie angemessene Strukturen sind Rituale, wenn ihr Maß und ihr Stellenwert stimmen. Rituale tragen zu einer guten (Zeit-)Strukturierung bei, stärken die Gemeinschaft, stiften Sinn und bannen Angst: »Das kenn ich, das kann ich, das ist mir vertraut.« Gute (wiederkehrende) Gewohnheiten und lebendige Familientraditionen entbinden uns von dem Zwang, uns stets etwas Neues und Originelles einfallen lassen zu müssen. Rituale sind ebenfalls Teil der Familienidentität:
Bei schönem Wetter wird am Sonntagabend gegrillt. Gemüse und Fleisch sind auf Metallspießen aufgereiht. Jedes Familienmitglied empfängt den Grillspieß und streift die Köstlichkeiten auf den Teller. Nach dem Essen nimmt jedes Familienmitglied seinen Spieß und versucht, ihn so zu werfen, dass er im Rasen stecken bleibt. Das Spiel ersetzt die Vorwäsche und macht zusätzlich Spaß.
Familienrituale haben ihre Kehrseiten, wenn wir zum Beispiel damit Intimität vermeiden wollen. Im Ritual kommen wir uns äußerlich nahe und scheinen eine Einheit zu sein, dabei sind wir in dieser »Pseudointimität« innerlich weit voneinander entfernt. Wir absolvieren lediglich eine förmliche Übung. Rituale dienen dem Leben nicht, wenn wir nur aus Pflichtgefühl bei der Sache sind, uns jedoch in unserem Herzen schon längst davon verabschiedet haben.
Alles hat seine Zeit – auch Rituale, die sich mit dem Heranwachsen unserer Kinder wandeln.
Warum ist das so? Tragende Strukturen und lebendige Rituale gelingen nur, wenn sie zur Entwicklungsstufe eines Kindes passen. Je größer die Altersspanne unter den Kindern, desto herausfordernder wird es in einer Familie, diese für alle stimmig auszugestalten. Zudem beruhen sie auf der Grundlage von Freiwilligkeit und Verbindlichkeit. Das ist immer eine Gratwanderung.
Die Macht in der Familie
Die Familie ist kein herrschaftsfreier Raum. Es geht in einer Familie außerdem um die Verteilung von Macht, die zum Wachstum aller verwaltet werden muss. Das Familienhaus ist neben dem Beziehungsraum also auch ein Rechtsraum, wo es Rechte und Pflichten gibt, wo Verantwortlichkeiten und Kompetenzen festgelegt werden. Wer bestimmt die Essenszeiten oder wie das Familienbudget ausgegeben wird? Wer ist der Boss in der Familie?
Wir gehen davon aus, dass Mann und Frau, Mutter und Vater die elterliche Verantwortung gemeinsam auf Augenhöhe tragen, wenn sie die leiblichen Eltern aller Kinder sind. Wir schlagen weiter vor, dass sie in ihrer Ebenbürtigkeit abhängig von ihren Kompetenzen und Fähigkeiten in den verschiedenen Themen mal die Leitung übernehmen und sich ein anderes Mal dem Gegenüber unterordnen.
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