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СКАЧАТЬ Iris – es war wirklich eine Ausnahme.«

      »Denk an unsere Krise im zweiten Ehejahr! Seinerzeit, als ich auf Schritt und Tritt von deinen Kontrollschranzen überwacht wurde. Als ich fast schon fürchten mußte, daß du in irgendeinem arabischen Land auch noch Eunuchen aufkaufen könntest, hab ich dir gedroht, dich zu verlassen. Es war mir ernst damit, Henry. Du erinnerst dich doch noch?«

      »Sei vernünftig, Iris!« versucht Kamossa sie zu besänftigen. »Du hast das in den falschen Hals bekommen. Ich geb’ ja zu, daß für dich die Situation ziemlich peinlich war. Für meine Geschäfte war sie außerordentlich wichtig. Ich mußte ausgebuffte Konkurrenten austricksen. Um sie zu bluffen, war es nötig, für ein paar Tage für Gott und die Welt – und auch für meine geliebte Frau – unerreichbar zu sein.«

      »Warum hast du dann nicht wenigstens deine geliebte Frau vor dem Abflug in Nizza angerufen?«

      »Ich hatte zunächst keine Starterlaubnis und bekam sie dann ganz plötzlich. Trotzdem«, gesteht er ein, »ein schlimmes Versäumnis. Aber ich habe das Geschäft des Jahres gemacht.«

      »Und das hast du nötig – Geldverdienen! Das ist bei dir schon zur Neurose geworden.«

      »Mag sein«, antwortet Kamossa. »Aber es ist mein Leben.«

      »Dein Leben ist, daß du am Leben vorbeigehst«, giftet Iris.

      »Und du wirst eines Tages davon den Vorteil haben«, entgegnet der Hochgewachsene gereizt.

      »Wie schön!« antwortet Iris. In ihren Augen sprühen Funken. Die Grübchen an den Mundwinkeln tänzeln. »Soll das heißen, daß du immer noch mehr Vermögen zusammenraffst, um es mir eines Tages zu vererben?« fragt sie den Mann, der sein eigenes Tabu verletzt hat: Er kann es auf den Tod nicht ausstehen, an den Tod zu denken oder über ihn zu sprechen.

      »So war es nicht gemeint …«

      »Ich bin nicht so besitzgierig, wie du offensichtlich annimmst. Ich möchte dir helfen, dein – dein Ableben in – in weiteste Ferne zu rücken«, erwidert die Ex-Schönheitskönigin. »Ich möchte noch lange etwas von dir haben.« Sie spürt seinen Blick. »Weil wir nun schon beim Thema sind: Professor Kleiber hat bereits zweimal moniert, daß du dich bei ihm nicht sehen läßt. Wann fährst du endlich nach Wiesbaden zur diesjährigen Generaluntersuchung?«

      »Dieser Quacksalber!« kontert der Selbstherrliche. »Ich fühle mich pudelwohl.«

      »Du sollst dich ja auch nicht ansehen lassen, weil du krank bist, sondern weil du gesund bleiben sollst.«

      »Der alte Grams, dessen Unternehmen ich gerade gekauft habe – das steckte hinter meinem Ausflug an die Côte d’A-zur –, verbrachte vier Wochen in einem berühmten Sanatorium. Die Ärzte machten ihm vor dem Abschied am letzten Tag noch ein Elektrokardiogramm und versicherten ihm nach der Auswertung des EKG, daß er mit diesem Herzen mindestens noch zwanzig Jahre lang leben könne. Einen Tag später ist er dann gestorben. Am Herzinfarkt.« Er lacht trocken »Was nützt also die ganze Vorsorge?«

      »Zumindest beruhigt sie die Nerven«, entgegnet Iris. »Und die Angehörigen.«

      »Gesundheit ist Charaktersache«, albert der Mann mit dem glatten Teint, der leichten Hakennase und dem mächtigen Kinn.

      Iris weiß, daß er mit den Ärzten umgeht wie mit seinen Angestellten: Eröffnet ihm ein Mediziner einen Befund, der ihm nicht paßt, geht er zum nächsten Weißkittel und erzählt ihm prompt, warum er den Vorgänger wechselte.

      »Meinst du denn, daß meine Kräfte nachlassen?«

      »Das nicht«, entgegnet Iris und setzt anzüglich hinzu: »Bestimmt nicht die Manneskräfte.«

      »Na, also.« Kamossa lächelt geschmeichelt. Er zieht die junge Frau an sich, streichelt sie mit kundigen Händen, spürt das Verlangen wie eine Stichflamme. Er hebt sie hoch und versucht die fuchtelnd um sich Schlagende ins Haus zu tragen.

      »Nicht jetzt«, sagt Iris und strampelt sich frei. »Und nicht hier.«

      »Wann dann?« fragt er keuchend.

      »Wenn ich bereit bin, dir dein Verhalten zu verzeihen«, entgegnet sie lächelnd. »Und dann an jedem Ort, wo du es wünschst.« Sie sieht auf die Uhr. »Entschuldige Henry, ich bin beim Coiffeur angemeldet.«

      Kamossa gelingt es nur mit Mühe, eine Verärgerung hinunterzuschlucken, wie sie nahezu alle Männer spüren, wenn ihr Spontanverlangen abgelehnt wird.

      Budde, der Freund und Vertraute des Hausherrn, hat von seinem Arbeitszimmer im ersten Stock aus unfreiwillig die Szene verfolgt und dabei festgestellt, daß sich Henry wieder einmal zum Narren macht. Er konnte Kamossas Rolle als unaufhaltsamer Macho nie etwas abgewinnen, aber der Allgewaltige, jenseits der besten Jahre, der von seiner viel zu jungen Frau zunehmend beherrscht wird, gefällt ihm noch weniger.

      König Salomon, der Weise, hat sich in alttestamentarischen Zeiten im hohen Alter blutjunge Mädchen ins Bett geholt, um sich durch ihren Atem verjüngen zu lassen. Obwohl nicht überliefert ist, ob die Prozedur geholfen hat, wird sie seitdem von weit weniger salomonischen Männern häufig angewandt.

      Budde nimmt Zeitungen und Briefe vom Schreibtisch und geht nach unten. Er hat eine fast lautlose Art, sich zu bewegen. Seine mittlere Statur ist eigentlich das einzig Durchschnittliche an ihm. Schon auf den ersten Blick wirkt er wie ein Mann, der mehr denkt, als er spricht. Der 45jährige hat eine hohe Stirn, dichte Augenbrauen in einem straffen Gesicht mit einem knappen Mund. Auffallend sind seine Augen mit ihrer fast suggestiven Kraft. Der promovierte Volkswirt – mit Ausbildung in London und New York – wirkt gewandt und sportiv, ein Mann, wie er Frauen gefällt, ihnen aber nicht nachläuft. Nach seinem ersten Eheflop vor Jahren ist er dem schönen Geschlecht gegenüber kritisch, zudem fehlt ihm auch die Zeit für Affären. Verheiratet ist er allenfalls mit Kamossas Lebenswerk, und zwar monogam. Als Groß-Wesir dieses Titanen unterzeichnet er Schecks bis zu einer halben Million ohne Rücksprache und trifft auf eigene Faust heikle Vereinbarungen, die vom Konzernchef hinterher ausnahmslos abgesegnet werden. Seit vielen Jahren rätselt die Branche, was die beiden Männer miteinander verbinden könnte. Echte Freundschaft traut man dem Top-Aufsteiger so wenig zu wie familiäre Bande zu seinen Söhnen und seiner Tochter. Daß Kamossa mit Leuten arbeitet, die ihm ergeben sein müssen, weil er zuviel über sie weiß und sie dadurch beherrscht, ist allgemein bekannt.

      »Hast du Zeit für mich, Henry?« fragt der Stellvertreter und weist auf einen Berg Zeitungen. »Nur die ›Süddeutsche‹ und die Frankfurter« bringen erste Meldungen über deinen Grams-Coup, versehen sie aber noch mit einem Fragezeichen«, schießt er los. »Der richtige Sturm wird erst morgen losbrechen«, vermutet der Vertraute. »Auch bei den anderen Posteingängen ist nichts, womit du dich befassen mußt.«

      »Geh ins Wohnzimmer, Micha, und spul’ das Tonband zurück. Hör dir mein Gespräch mit Kronwein an«, fordert ihn Kamossa auf und erwägt einen Moment lang, den vermutlichen Bettelbrief – vielleicht auch ein Reklameschreiben – ungeöffnet wegzuwerfen.

      Er schneidet den Umschlag auf.

      Die Worte, aus verscheidenen Zeitungen ausgeschnitten, sind sorgfältig zu einer Nachricht aufgeklebt wie bei einer Kidnapper-Forderung:

      An henry kamossa

      liest er, und die Buchstaben kreiseln ihm vor den Augen.

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