Das weibliche Genie. Hannah Arendt. Julia Kristeva
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Название: Das weibliche Genie. Hannah Arendt

Автор: Julia Kristeva

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 9783863935665

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СКАЧАТЬ ich habe immer gewußt – schon als Gör –, daß ich wirklich nur existieren kann in der Liebe. Und hatte gerade darum solche Angst, daß ich einfach verloren gehen könnte. […] als ich Dich dann traf, da hatte ich endlich keine Angst mehr […] Immer noch scheint es mir unglaubhaft, daß ich beides habe kriegen können, die ›große Liebe‹ und die Identität mit der eigenen Person. Und habe doch das eine erst, seit ich auch das andere habe. Weiß aber nun endlich auch, was Glück eigentlich ist.«41 Die Liebe und das Vertrauen lösen die archaische Angst auf, die Hannah seit dem Tod ihres Vaters gefangenhielt und die das Verhältnis mit Heidegger keineswegs erleichterte, sondern vielmehr verschärfte. In einer Mischung aus schamhafter Zurückhaltung und Aufrichtigkeit drückt Hannah Arendt ihr sinnliches und persönliches Aufblühen aus, worauf der Liebende antwortet: »Ich habe Dir gezeigt, was Glück ist? Ich mache Dich glücklich wie Du mich? Denn Du bist doch mein Glück, also habe ich Dir etwa Dich gezeigt? Du wurdest die Du bist? Ich auch. Ich habe Dich also, mein Kleines, aus einem Mädchen zum Weib gemacht? Wie wunderbar – wie habe ich das bloß gemacht, denn ich wurde ja erst durch Dich richtig zum Mann.«42 Ein Jahr zuvor hatte er zärtlich seine Achtung ihr gegenüber zum Ausdruck gebracht: »Ja, natürlich sollst Du mir alles zumuten, was Du Dir zumuten kannst, und sollst mich so behandeln, wie Du Dich behandelst – nur sollst Du Dich eben etwas besser behandeln; das aber will ich wenigstens tun: Dich etwas besser behandeln als Du Dich selbst. Bedaure mich nicht wegen der 10 Jahre usw. Ich weiß, was ich habe und was Du als Frau bist und weiter sein und weiter werden wirst, laß das doch mich beurteilen, denn was kannst Du davon schon wissen.«43 Und sie: »Und bei der Liebe der andern, die mich für kalt erklärten, dachte ich immer: habt ihr’ne Ahnung, wie gefährlich das ist und für mich wäre.«44 Oder er, wiederum die beiden Seiten seiner Frau hervorhebend: »So habe ich beides, ich habe Dich so unabhängig und frei, wie ich Dich als Mensch mag, und ich habe Dich so abhängig, wie ich Dich als Weib will.«45 Trotz mütterlicher Mißbilligung – oder gerade deswegen? – ist Hannah überglücklich: Dem wunderlichen Blücher gelingt es, Geliebter, Freund, Gatte, Bruder und Vater zu sein. Als er stirbt, wünscht sich Hannah für ihn, der nicht Jude war, ein Begräbnis mit Kaddisch.

      Frei und unabhängig gründen Blücher und Arendt die Beziehung auf ihre sexuelle und intellektuelle Autonomie und zugleich auf eine tiefe Übereinstimmung. Stets betonen sie, wie glücklich diese Wahl ist, ungeachtet ihrer Gefahren und Schwierigkeiten. Trotzdem verletzen die Frauenbeziehungen Blüchers Hannah, der es jedoch gelingt, sich zu beherrschen und an das Wesentliche zu halten. »Meine Schöne, welches Glücksgeschenk, ein Gefühl zu haben, von dem man so stark fühlt, daß es das ganze Leben lang hält und sich nicht ändern wird, es sei denn, daß es noch zunimmt.«46 Oder auch: »Nun noch ein Hauptgrund für meine Liebe: Unsere Ansichten über die großen Fragen des Lebens sind immer die gleichen. Es gibt keine Differenzen zwischen uns. So ist es, und so wird es bleiben.«47

      Das Exil verstärkt noch diese Übereinstimmung und erklärt das Bedürfnis Hannahs, sich hinter den »vier Wänden« des Paares zurückzuziehen: » Stups – um Gottes willen die vier Wände, die Du bist.«48 »Glaub mir, mein Herz, die Weiber können nur in einer Ehe leben.«49 Und Blücher, der nie schreibt, gibt diese schöne Definition vom Paar, zögernd, ironisch, aber nichtsdestotrotz überzeugt: »als magische Formel meine Definition der Ehe […]: die Ehe verdoppelt alles. Es ist eine wahrhaft lebendige Formel, denn sie enthält genau soviel Ernst und Ironie wie das Leben selbst. Wer möchte wohl ein einfaches Leben leben, wenn er ein doppeltes haben kann, und andererseits, wer glaubt denn, er könne so etwas wirklich wagen? […] eines ist richtig. Hat man einmal angefangen, doppelt zu leben, so halbiert einen die Trennung. Du hast keine Ahnung, und auch ich hatte keine richtige, wie du mir fehlst. Es gab diesmal keine Freude am Alleinsein, nicht einen Tag lang. […] Einsamkeit, wie wir sie uns gegenseitig garantieren, und Einsamkeit, in der wir uns gemeinsam der Welt gegenüber befinden mögen – beide Arten sind auf der stillschweigenden Grundlage der Zweisamkeit errichtet.«50

      Vom Verhältnis zwischen Hannah und dem Weisen von Todtnauberg erfuhr Blücher erst spät, vermutlich nach dem Krieg, als Heidegger des Nazismus angeklagt wurde. Blücher scheint die Intensität der Beziehung unterschätzt zu haben, es sei denn, der »Drahtzieher« hielt vorgetäuschte Gleichgültigkeit für eine notwendige List, damit das Paar fortdauern und Hannah die Konfrontation mit dem Denken Heideggers gut zu Ende führen könne, die sie so beschreibt: »ich bin eindeutig denen beigetreten, die jetzt schon einige Zeit versuchen, die Metaphysik […] zu demontieren.«51

      Allerdings hatte ihre Art »beizutreten« nichts von Unterordnung. Hannah war keineswegs gehorsam und behauptete sich in allen möglichen vielfältigen Handlungen, auf diese Weise ihr anderes Denken und Urteilen betonend, besonders und vor allem gegenüber Heidegger. Die Forderung nach Singularität schien ihr der Gipfelpunkt des menschlichen Lebens zu sein (sie führte sie auf Duns Scotus zurück, den sie häufig und mit Nachdruck herausstellte), ohne sie jedoch irgendwann als Forderung nach weiblicher Differenz zu formulieren.

      Leidenschaft für Politik und Vorliebe für das Erscheinen als Sonnenseite der Persönlichkeit Arendts seit ihrer Geburt entfalten sich also im Kontakt mit Blücher. Zwischen der Einsamkeit des weisen Philosophen, der sich in der Geschichte irrt (Heidegger), und dem Feuer des ungestümen Komödianten, der sich in der Politik irrt, wobei er allerdings die Authentizität eines Lebens in Aufruhr sichtbar macht (Blücher), beschränkt sich Hannah nicht darauf, zu wählen oder nur zu vermischen. Sie war auch die Schöpferin dieser Gefährten des Körpers und des Geistes, wenigstens was deren Für-sie-Sein betrifft. Heinrich, der »Professor« in Politik, hat viel von der philosophischen Tiefe und der Lebensgenauigkeit seiner Frau gelernt: Ihre Briefe bezeugen diesen gegenseitig bereichernden Dialog. Im Gegensatz dazu läßt die geringe Begeisterung – wenn nicht das Widerstreben – Heideggers, die Arbeiten von Arendt zu lesen, vermuten, daß der »Denker von Gewerbe« keinen Nutzen aus den Fragen seiner jungen Schülerin zog. Dennoch offenbart die Veröffentlichung ihres Briefwechsels zum Ende ihres Lebens einigen intellektuellen und politischen Austausch: Hat der Weise von Todtnauberg nach dem Krieg die gesellschaftliche Stellung seiner Geliebten aus der Zeit vor dem Nazismus zynisch ausgenutzt? Brauchte Arendt diese Nähe zum Denken Heideggers, um ihr Denken in eine wesentliche Tradition zu verwurzeln, um ihr Denken ein- und abzugrenzen? Wie es auch sei, Hannah Arendt konstruiert ihr originelles Denken »dazwischen«, wie auf einer griechischen Agora oder auf einer dieser Theaterbühnen, wo der Zuschauer urteilt, aber auch improvisiert und am Stück teilhat, indem er es nachschafft: zugleich Abstand und Teilhabe am Handeln.

      Viele Zeitgenossen bezeugten ihre Verführungskraft als Frau – die einen in den New Yorker Salons, die sich abfällig über die Weimar Flapper äußerten; andere, wie Hans Jonas, der es bewunderte, daß seine Freundin in den Genuß der Aufmerksamkeiten kam, die Männer Frauen vorbehalten, und dabei zugleich eine der Frauen mit dem größten Geist unseres Jahrhunderts war. Weder »Denkerin« (Definition, die dem entspräche, was das Teil dem Ganzen ist) noch »Person« (der Begriff ist geschlechtslos), sondern »Frau«, betont Jonas.52 Dennoch äußert sich Arendt über die Lage der Frauen nur, wenn sie dazu gedrängt wird: Ist sie femininer als die Feministinnen, wie man oft behauptete? Sie sah keinen Anlaß, die »Sache« der Frauen zu unterstützen. Wenn man sie darauf aufmerksam machte, daß der Beruf des Philosophen zumeist von Männern ausgeübt wird, begnügte sie sich damit, zu antworten: »Es könnte ja durchaus sein, daß eine Frau einmal eine Philosophin sein wird…«, wobei sie hinzufügte, daß nicht sie gemeint sei, da sie sich »keineswegs als Philosophin« fühle und auch nicht in den Kreis der Philosophen aufgenommen worden sei. Sie sah die »politische Theorie« als ihren »Beruf« an, wenn sie sich nicht gar als »politische Journalistin« betrachtete.53 »Es sieht nicht gut aus, wenn eine Frau Befehle erteilt. Sie soll versuchen, nicht in solche Positionen zu kommen, wenn ihr daran liegt, weibliche Qualitäten zu behalten. […] Das Problem selber hat für mich persönlich keine Rolle gespielt«54, erklärt sie jenen, die darauf bestehen, daß sie sich zum Emanzipationskampf der Frauen äußere.

      Doch ebensowenig, wie es ihr darum geht, Befehle СКАЧАТЬ