Название: Adams Letzte
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788711726976
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Sie kamen jetzt zügig voran, auf dem am Meer gelegenen Golfplatz mit seinen welligen Hügeln, errichtet vom besten Golfplatz-Architekten, den es gibt, der Natur. Wiewohl Emotionen bei diesem Sport immer schädlich sind, verschaffte der ausklingende Grimm Lulus Schlägen größere Längen als sonst.
Sie erreichten den berühmtesten und meistfotografierten Abschlag der Welt, das Hole sieben, unter Golfern so bekannt wie das Straßburger Münster unter Touristen: Man mußte den Ball durch eine Lücke zwischen zwei Felsen im Atlantik schlagen und die Mitte eines Hintergrunds anvisieren, an dem sich das endlose Blau des Himmels unter dem beifälligen Gluckern der Wellen mit dem weiten Grün vereinigte. Die Wienerin spielte heute mit mehr Glück als Disziplin. Milena war perfekt; vielleicht betrachtete sie Golf ebenfalls als eine Pflichtübung. Sie würde wieder gewinnen, aber heute knapper als sonst.
Am nächsten Dreier-Hole schlug die Düsseldorferin den Ball ein paar Meter zu kurz. Ihre Partnerin setzte den Drive zu weit links an, aber der Wind vom Atlantik trieb den Ball genau in die Mitte; er prallte gegen die Fahne und fiel ins Loch. Zum ersten und vermutlich auch zum letzten Mal hatte Lulu in ihrer Golferinnen-Laufbahn ein As geschossen, das größte Erfolgserlebnis eines Golfers auf dem grünen Parcours.
Milena applaudierte stürmisch.
Auch die Engländer hinter ihnen eilten herbei und teilten die Begeisterung.
Nach dem Spiel hatten alle Gäste des Clubhauses die Pflicht, der »Hole-in-one«-Schützin zu gratulieren und das Recht, auf ihre Kosten reichlich Champagner zu trinken. Die Herren, bereits umgezogen, trugen einheitlich dunkelblaue Blazer mit ihren heimatlichen Clubabzeichen; ihre Begleiterinnen waren in zwangloser Aufmachung. Das Gespräch brodelte mehrsprachig durcheinander. Wetter-Flüchtlinge aus ganz Europa — Briten, Skandinavier, Franzosen, Schweizer, Österreicher, Deutsche — bildeten nach den Kelten, Römern, Mauren, Kreuzfahrern, Franzosen und den portugiesischen Flüchtlingen aus Angola und Moçambique die letzte und willkommenste Invasion der herrlichen Küstenland-Schaft.
Ein Golfer kennt das Handikap seines Partners so gut wie eine Filmdiva die Liebhaber ihrer Rivalinnen. Je niedriger es ist, desto höher steht der Spieler in der Rangliste und um so mehr Schläge muß er einem weniger Angesehenen vorgeben; gelegentlich kommt es dabei am Abschlag eins zu Rechenfehlern. Ein Golf-Crack erzielt natürlich leichter ein As als ein Durchschnittsspieler, aber ein Zufallscoup wird ganz besonders zelebriert. Wer den Haupttreffer in der Lotterie gewinnt, braucht schließlich auch kein Mathematiker zu sein.
Lulu schöpfte ihren Triumph voll aus; es war ein Lastenausgleich für zahllose Niederlagen. Sie stand an der Bar, von durstigen Bewunderern umringt, und mußte bereits zum vierten Mal berichten, wie sie es geschafft hatte, den kleinen Ball mit einem Schlag in ein nur etwas größeres Loch zu befördern.
»Wie ich höre, sind Sie die Gattin des berühmten Schriftstellers, gnä’ Frau«, wandte sich ein höflicher Hamburger an Lulu.
»Er ist die Sonne, ich bin der Mond«, erwiderte sie ironisch.
Ihre Stimme ließ erkennen, daß sie nicht länger mondsüchtig bleiben wolle. Milena warf ihr einen warnenden Blick zu, aber die Freundin beherrschte die Kunst der verschlüsselten Indiskretion.
»Your husband is a very famous author«, bemerkte ein sommersprossiger Engländer und provozierte Lulu zu der gereizten Frage, ob Cecil Casagrande das As geschossen hätte oder sie.
»Ihr Gatte ist kein Golfer?« fragte ein Schweizer.
Die Wienerin verneinte.
»Das ist aber wirklich schade«, bemerkte er mit dem Bedauern eines Missionars gegenüber einem Andersgläubigen. »Können Sie ihn denn nicht überreden?«
»Gott bewahre«, versetzte Lulu lachend. »Hoffnungslos, Cecil wird sich in keinem Fach versuchen, in dem er nicht glänzen kann.«
»Aber das könnte sich doch ändern —«
Sie strich sich die kurzgeschnittenen blonden Haare aus dem Gesicht. »Golf erzieht zur Demut«, stellte sie fest. »Aber mein Mann muß immer gleich im Mittelpunkt stehen«, behauptete sie. »Meinen Sie, daß sich das vereinbaren läßt?«
Es wurde ein kostspieliger Spätnachmittag. Der Ober brachte bereits die elfte Flasche. Immer mehr Spieler kamen jetzt von der Runde zurück, ein Ende war noch nicht abzusehen — aber einem Golfer ist sein größter Parcourstag viel wert. Der Club würde der Organisatorin, einer bekannten Spirituosenfabrik, das Ereignis mitteilen, und Lulu wäre dann die Empfängerin einer wertvollen Flasche und — weit wichtiger für sie — einer Pergamenturkunde über die Aufnahme in den „Hole-in-one-Club«. Asse sind höchst selten — bei großen internationalen Pro-Turnieren setzen Automobilfabriken häufig Nobelfahrzeuge für diesen Coup aus — sie brauchen sie nur selten zu übergeben.
Die ersten Golferfreunde gingen, neue kamen hinzu, unter ihnen Sissy Keil, die alterslose, löwenmähnige Frau eines Bankiers und Milenas Angstgegnerin bei Turnieren.
»Großartig.« Sie umarmte Lulu. »Wie haben Sie das nur geschafft?«
»Der Wind, der Wind, das himmlische Kind«, alberte die Blondine. »Aber sagen Sie es nicht weiter, Sissy.«
»Warum nicht?« erwiderte die andere. »Gute Resultate leben doch meistens von Bahnzufällen.«
Die Umstehenden lachten gequält und schoben der Düsseldorfer Bankiersgattin einen Hocker zu. »Mein Mann ist auch hier«, sagte sie dann, als wolle sie die Schützenkönigin auf ihn aufmerksam machen, beugte sich zu Lulu und raunte ihr zu: »Bitte sprechen Sie mit ihm.« Sie hatte das Gesicht einer Verschwörerin. »Es ist — ist wirklich enorm wichtig.«
Die reife Blondine betrachtete sie verständnislos.
»Wegen Milena«, setzte Sissy Keil hinzu; sie erfaßte Lulus ungestellte Frage. »Sicher weiß ich, um was es geht«, gab diese zurück. »Aber es ist besser, wenn Sie mit meinem Mann sprechen, er kennt die Aspekte im Hintergrund besser als ich.«
Lulu nickte der Frau mit der Löwenmähne zu; sie hatte sie nicht verstanden, aber begriffen, und sie suchte den Bankier mit den Augen.
Er stand ein wenig abseits.
Sie schob sich an ihn heran. »Sie trinken keinen Schampus, Herr Keil?« sprach sie den Bankier an.
»Ich darf doch nicht, gnä’ Frau«, erwiderte er. »Mein Zuckerspiegel — und der Bluthochdruck —« Der Finanzfachmann brauchte keine weiteren Erklärungen abzugeben. Jeder wußte, daß er ein Hypochonder war.
Die beiden gingen unauffällig nach draußen und entfernten sich ein wenig vom Clubhaus, als wollten sie frische Luft schnappen und dem Trubel entgehen.
»Es tut mir leid, Sie bemühen zu müssen«, begann der kleine Mann mit den schütteren Haaren. »Ich weiß gar nicht, ob es richtig ist, aber diesmal folge ich einer Idee meiner Frau.«
»Der Gedanke ist sicher richtig«, ermunterte ihn seine Gesprächspartnerin. »Sissy ist eine patente Person.«
»Sie werden sich wundern, daß ich nicht mit Frau Deutler selbst spreche«, fuhr Keil fort, »aber es wäre mir einfach zu СКАЧАТЬ