Название: James Bond 15: Colonel Sun
Автор: Robert Markham
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: James Bond
isbn: 9783864254628
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Die Stimme hatte mit dem Zählen aufgehört, und Bond hatte sich nicht bewegt. In der Stille gab M einen weiteren leisen unverständlichen Laut von sich. Dann …
»Ergreift ihn.«
Bonds Arme wurden von hinten gepackt und auf seinen Rücken verdreht – er hatte nicht gehört, wie der Mann mit dem schmalen Gesicht den Raum betreten und sich ihm genähert hatte. Bevor der Nelson-Griff vollständig ausgeführt war, hatte Bond mit den Fersen nach hinten ausgetreten und etwas getroffen. Einen Arm konnte er befreien. Doch er wurde sofort von dem zweiten Mann geschnappt.
Bei dem darauffolgenden Gerangel herrschten trotz der Tatsache, dass nun zwei gegen einen kämpften, fast ausgeglichene Bedingungen, denn Bond schöpfte Kraft aus dem Wissen, dass er mit seiner Vermutung richtiggelegen und damit den ersten Punkt gewonnen hatte. Hinzu kam noch die erfreuliche Wiedererlangung des Vertrauens in seine Kampffähigkeiten. Und er hatte Möglichkeiten, sie zu verletzen, die ihnen nicht erlaubt waren. Doch er musste sich einem Mann stellen, dessen Körperbau seinem ähnelte, und einem weiteren, der zwar schmaler war, aber ein Talent dafür besaß, die schmerzhaftesten Nervengriffe anzuwenden. Zu allem Überfluss hatte er jedes Mal, wenn Bond sich aus einem losgerissen hatte, schon den nächsten parat.
Ein Ellbogenstoß, der seine Leistengegend knapp verfehlte, ließ Bonds Oberkörper nach vorne sacken. Bevor er sich erholen konnte, hatten sich zehn Finger, die sich wie Stahlbolzen anfühlten, in die Nervenknoten an seinem Halsansatz gebohrt. Seine Oberarmmuskeln schienen sich in dünne Ströme aus kaltem Schlamm zu verwandeln. Wieder versuchte er, seine Ferse nach oben zu bringen, doch dieses Mal wurden seine Beine von vorne gepackt und festgehalten. Ein Zerren, ein Hieven und Bond landete unsanft auf dem Fußboden. Er lag mit dem Gesicht nach unten da, während einer der Männer auf seinen Schultern kniete und der andere den unteren Bereich seines Körpers bewegungsunfähig machte. Er verhielt sich ganz ruhig, wehrte sich nicht unnötig und dachte über die Balkontüren nach, falls er sie je erreichen konnte, die Balkontüren …
»Die Spritze.«
Bond spürte, wie der dritte Mann, der Arzt, plötzlich über ihm stand, und sammelte seine Kräfte für eine enorme Anstrengung. In der nächsten Minute bewies er, wie schwierig es sogar für zwei starke, fähige und entschlossene Männer ist, einen dritten gleich starken Mann in einer vollkommen hilflosen Position zu halten, wenn sie ihm gegenüber keine richtige Gewalt anwenden dürfen, die ihn womöglich verletzen könnte. Bond nutzte diese Minute. Während er sich bemühte und schwitzte und einzig und allein das Ziel verfolgte, keinen wichtigen Teil seines Körpers der Spritze auszusetzen, wobei er am Rande mitbekam, dass sich zwischen dem Mann mit den zu großen Augenlidern und dem Arzt eine Art Diskussion abspielte, erinnerte er sich endlich an das, was ihm vorher nicht eingefallen war. Die Balkontüren konnten zwar geschlossen, aber nicht verriegelt werden. Der Haken war defekt. Hammond hatte es vergangene Woche erwähnt, und M hatte reizbar wie immer erwidert, dass er verdammt sein wolle, wenn er zuließe, dass irgendein Handwerker im Zimmer ein Durcheinander veranstaltete – es könne noch ein paar Wochen warten, bis M zu seinem jährlichen Lachsangelurlaub auf dem Test aufbrechen würde. Also würde ein heftiger Stoß an der Stelle, an der die Türen aufeinandertrafen …
Vielleicht hatte das Triumphgefühl darüber, dass er sich während der Unterhaltung – der Bond nicht bewusst gelauscht hatte – an diese wichtige Kleinigkeit erinnert hatte, dazu geführt, dass er sich für einen kurzen Augenblick entspannte. Vielleicht hatte einer der beiden Männer, die ihn festhielten, eine zusätzliche Kraftreserve gefunden. Auf jeden Fall wurde Bonds Handgelenk gepackt, und kurz darauf spürte er das Stechen der Nadel in seinem linken Unterarm. Er vertrieb die aufwallende Verzweiflung und die Abscheu, fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis das Zeug wirkte, ließ sich versuchsweise schlaff zusammensacken, stellte fest, dass der Druck auf seinen Körper leicht, aber deutlich nachließ, und setzte sich in Bewegung.
In diesem winzigen Sekundenbruchteil gelang es ihm, sich teilweise dem Griff seiner Gegner zu entwinden. Er bog seinen Rücken durch und trat mit beiden Füßen um sich. Der Mann mit dem schmalen Gesicht schrie. Blut sprudelte aus seiner Nase. Er ging schwerfällig zu Boden. Der andere Mann hieb auf Bonds Nacken ein, doch es war zu spät. Bonds Ellbogen erwischte ihn fast genau an der Luftröhre. Der Mann mit den zu großen Augenlidern schwang einen Fuß, als Bond vom Boden hochkam, doch auch er war nicht schnell genug. Sein Eingreifen bewirkte lediglich, dass Bonds Weg zu den Balkontüren nun frei war. Die beiden Türhälften flogen mit wundervoller Bereitwilligkeit auf, als seine Schulter sie rammte. Er legte eine Hand auf das niedrige Steingeländer, sprang darüber, landete in einer perfekt ausbalancierten Haltung auf allen vieren auf der Erde, rappelte sich auf und rannte auf die nächstgelegenen Bäume zu.
Die ersten vereinzelten Kiefern verschafften ihm nur wenig Deckung, egal wie schnell er lief. Doch nun wurden sie zahlreicher. Hinzukamen Brombeersträucher und wild wachsende Rhododendronbüsche, die das Vorwärtskommen erschwerten. Es war sehr wichtig, dass er jetzt nicht stürzte. Und er durfte auch nicht langsamer werden. Warum? Er musste ihnen entkommen. Wem? Den Männern. Dem Mann mit den Falkenaugen. Dem Mann, der M etwas Schreckliches angetan hatte. Er musste M retten. Er musste umkehren und M retten. Nein. Weiter. Konnte er M retten, indem er davonlief? Ja. Weiter. Wohin? Weit weg. Immer weiter. Wie weit? Weit …
Bond war nun tatsächlich kaum mehr als eine Maschine. Schon bald hatte er alles vergessen, bis auf die Notwendigkeit, den nächsten Schritt zu machen und den nächsten und den nächsten. Als nichts mehr von seinem Verstand übrig war, rannte sein Körper noch etwa eine Minute lang weiter, so schnell wie zuvor, aber ohne jeglichen Sinn für Richtung. Danach verlangsamte er und blieb schließlich stehen. Er stand eine weitere Minute lang einfach nur da, keuchte mit offenem Mund und ließ die Arme schlaff herunterhängen. Seine Augen waren offen, aber sie sahen nichts. Dann machte James Bonds Körper angetrieben von einem letzten Funken Intelligenz oder Willenskraft ein Dutzend weitere Schritte, sackte zu Boden und legte sich der Länge nach ausgestreckt auf eine Stelle mit langem rauem Gras zwischen zwei Zwergpappeln, wo er für jeden, der in mehr als fünf Metern Entfernung daran vorbeiging, nahezu unsichtbar war.
Allerdings kam ihm niemand so nah. Die Verfolgung war von Anfang an hoffnungslos gewesen. Der Mann mit dem schmalen Gesicht, dessen Nase heftig blutete, war fast noch rechtzeitig – aber eben doch nicht schnell genug – vom Balkon gesprungen und um die Ecke des Hauses herumgelaufen, um Bond zwischen den Kiefern verschwinden zu sehen, aber es dauerte weitere zehn oder zwölf Sekunden, bis sein Kollege und der Mann mit den zu großen Augenlidern zu ihm stießen. Letzterer war offenbar nicht daran gewöhnt, von Balkonen zu springen, und musste die Treppe nehmen. Hätte der Mann mit dem schmalen Gesicht für eine Organisation gearbeitet, die Eigeninitiative förderte, wäre er ohne zu zögern in Richtung des Waldrands gelaufen und hätte gelauscht, um in der Lage zu sein, eine effektive Verfolgung aufzunehmen. Doch da das nicht der Fall war, befand sich Bond gerade so außer Hörweite, als das Trio die ersten Bäume erreichte. Sie bewegten sich für eine Weile in die offensichtliche und tatsächlich richtige Richtung, aber sie standen unter Zeitdruck. Es dauerte nicht lange, bis der Anführer auf seine Uhr schaute und den Befehl zum Anhalten gab.
»Zurück.«
Bevor sie sich abwandten, hob der Sprecher die Augenlider und starrte den Mann mit dem schmalen Gesicht mit einer seltsamen Entschlossenheit an. Der Mann wurde blass. Dann machten sich die drei auf den Rückweg. СКАЧАТЬ