Das dritte bis sechste Buch Esra. Hermann Gunkel
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      52. ↑ κατ’ ὀνόματα; gemeint sind Männer wie Hiob und andere gerechte Nicht-Israeliten.

       Die göttliche Antwort: Gottes Wege sind unerkennbar. Der menschliche Geist vermag nur Weniges zu erfassen.

      4 1 Da antwortete mir der Engel, der zu mir gesandt war[1], mit Namen Uriel[2], 2 und sprach zu mir: Dein Herz entsetzt sich über diese Welt, und du wünschest, die Wege des Höchsten zu begreifen? 3 Ich sprach: .Ja, Herr! — Er antwortete mir und sprach: Drei Wege bin ich gesandt, dir zu weisen und drei Gleichnisse dir vorzulegen; 4 kannst du mir eins davon kundthun[3], so will auch ich dir die Wege, die du zu schauen begehrst, zeigen und dich belehren[4], woher das böse Herz kommt[5]. 5 Ich sprach: Rede, Herr! — Er sprach zu mir:

      Nun, so wäge mir das Gewicht des Feuers

      oder miß mir das Maß[6] des Windes

      oder ruf mir den gestrigen Tag zurück.

      6 Ich erwiderte und sprach: Welchem Weibgeborenen wäre das möglich, daß du mich nach solchen Dingen fragst? — 7 Er sprach zu mir: Hätte[7] ich dich gefragt,

      wieviel[8] Wohnungen im Herzen des Meers seien[9],

      wieviel Quellen am Grunde der Tiefe,

      oder wieviel Wege über der Veste[10],

      ’wo die Thore des Hades seien,

      oder wo der Weg gehe ins Paradies‘[11],

      8 so hättest du mir vielleicht geantwortet:

      in die Tiefe bin ich nicht hinabgestiegen,

      noch in den Hades bisher ’gedrungen‘[12],

      noch bin ich je in den Himmel hinaufgekommen,

      ’noch hab’ ich das Paradies gesehen‘[13].

      9 Nun habe ich dich nur über das Feuer, den Wind und den ’gestrigen‘[14] Tag gefragt, alles Dinge, ohne die du nicht sein kannst; und du hast mir darüber keine Antwort gegeben! — 10 Und er sprach weiter zu mir: Du kannst, was dein ist, was mit dir verwachsen ist[15], nicht erkennen, 11 wie wirst du dann das Gefäß sein können, das des Höchsten Walten faßt? ’Denn des Höchsten Wege sind als ewige erschaffen‘[16]; ’du aber, ein sterblicher Mensch, der im vergänglichen Äon lebt, wie kannst du das Ewige begreifen?[17].

       Thöricht ist es, Widernatürliches zu begehren.

      Als ich das gehört hatte, fiel ich auf mein Antlitz 12 und sprach zu ihm: Besser wäre es, wir wären nie auf die Welt gekommen[18], als nun in Sünden zu leben und zu leiden und nicht zu wissen, weshalb!13 Er antwortete mir und sprach[19]: ’Einst gingen die Wälder der Bäume des Feldes hin‘[20] und hielten Rat: 14 wohlan, wir wollen hinab gegen das Meer Krieg führen, daß es vor uns zurücktrete und wir uns ’einen neuen Wald‘[21] schaffen! 15 Ebenso hielten die Wogen des Meeres Rat: wohlan, wir wollen hinauf und den Wald des Feldes bekriegen, damit wir uns auch dort ein neues Gebiet erobern! 16 Aber des Waldes Plan ward vereitelt, denn das Feuer kam und verzehrte ihn; 17 ebenso auch der Plan der Wogen des Meeres, denn der Sand trat hin und hielt sie zurück[22]. 18 Wenn du nun[23] ihr Richter wärest[24], wem würdest[25] du Recht geben und wem Unrecht?[26] 19 Ich antwortete und sprach: Beide haben eitlen Rat gehalten; denn das Land ist dem Walde gegeben, der Raum des Meeres aber ist bestimmt, seine Wogen zu tragen. 20 Er antwortete mir und sprach: Du hast richtig geurteilt; warum aber hast du dir nicht selbst das Urteil gesprochen? 21 Denn wie das Land dem Walde gegeben ist, und das Meer seinen Wogen, ebenso können die Erdenbewohner nur das Irdische erkennen und nur die Himmlischen[27] das, was in Himmelshöhen ist[28].

       Aber schmerzlich ist es, das Notwendigste nicht zu wissen.

      22 Ich antwortete und sprach: Herr, ich flehe dich an, weshalb ist mir dann überhaupt das Licht der Vernunft gegeben? 23 Denn ich wollte dich nicht über Dinge fragen, die uns zu hoch sind, sondern über solche, die uns selber betreffen, jeden Tag aufs Neue:

      ’Weshalb‘[29] ist Israel den Heiden hingegeben zur Schmach,

      dein geliebtes Volk[30] den gottlosen Stämmen?

      Das Gesetz unserer Väter[31] ist vernichtet[32],

      die geschriebenen Satzungen[33] sind nicht mehr;

      24 wir schwinden aus[34] der Welt wie Heuschrecken[35];

      unser Leben ist ein Rauch.

      Wir [freilich] sind nicht einmal wert, Erbarmung zu erfahren; 25 aber was wird er für seinen Namen thun, der über uns ausgesprochen ist? Das war’s, wonach ich fragte[36].

       Der kommende Äon giebt die Lösung.

      

      26 Er antwortete mir und sprach: Wenn du bleiben wirst, wirst du’s schauen; und wenn du lange[37] leben wirst, wirst du erstaunen. Denn der Äon eilt mit Macht zu Ende.

      

       Warum dieser Äon vorher zu Grunde gehen muß.

      

      27 Er vermag es ja nicht, die Verheißungen, die den Frommen für die Zukunft[38] gemacht sind, zu ertragen[39]; denn dieser Äon ist voll von Trauer und Ungemach. 28 Denn gesät ist das Böse, wonach[40] du mich fragst, und noch ist seine Ernte[41] nicht erschienen. 29 Ehe das Gesäte also noch nicht geerntet, und die Stätte der bösen Saat nicht verschwunden ist, kann der Acker, da das Gute gesät ist, nicht erscheinen. 30 Denn ein Körnchen bösen Samens war im Anfang in Adams Herzen gesät, aber welche ’Frucht‘[42] der Sünde hat das bis jetzt getragen und wird weiter tragen, bis daß die Tenne erscheint. 31 Ermiß ’also‘[43] selber: wenn schon ein Körnchen bösen Samens solche Frucht der Sünde getragen hat —, 32 wenn einst Ähren ’des Guten‘[44] gesät werden ohne Zahl, welche große Ernte werden die geben!

      

       Wann soll das geschehen?

      

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