Название: 150. Die fälsche Braut
Автор: Barbara Cartland
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9781788674393
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»Tut mir leid, aber ich mußte zurückkommen! Ich hatte einfach keine andere Wahl!«
Sie stieß diese Worte wild und voller Trotz hervor, und als genügte schon der Klang ihrer Stimme, um ihr das nötige Selbstvertrauen wiederzugeben, hob sich ihr Kinn, und Bestürzung und Niedergeschlagenheit wichen dem eher zu ihr passenden Ausdruck des Trotzes. Dennoch fröstelte sie leicht, und tief in ihrem Inneren blieb das Gefühl der Angst.
Ihre Tante war sehr böse gewesen, als Isabel das letzte Mal nach Hause zurückgekommen war, doch die Tante fürchtete das junge Mädchen nicht. Derjenige, den sie fürchtete, war ihr Onkel.
Es war schrecklich, wenn er mit seiner dröhnenden Stimme zu toben begann, sie anschrie und eine Erklärung für ihr unverständliches Verhalten forderte. Es war schrecklich, wenn er im Tonfall eines Inquisitors seine Fragen stellte, ihre Antworten zerpflückte und ihre Ängste verhöhnte.
Wie oft schon hatte er ihr klargemacht, sie müsse es lernen, auf eigenen Beinen zu stehen und sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Und je einfallsreicher und schlauer sie dabei vorgehe, um so besser sei es.
Mein Gott, wie sie diese Ratschläge haßte, wie sie vor seinen Wutausbrüchen zitterte. Am schlimmsten aber war sein Hohn, sein diabolisches Lachen, wenn er sich über ihre Anstrengungen lustig machte, ihre Unschuld zu bewahren.
Sie erinnerte sich an ihre letzte Rückkehr, als sie gezwungen gewesen war, ihm zu erklären, weshalb sie die Stellung als Gouvernante bei den beiden Kindern eines vierzigjährigen Witwers aufgegeben hatte.
Jede Einzelheit der unsittlichen Belästigungen, denen sie ausgesetzt gewesen war, hatte sie ihrem Onkel schildern müssen. Und wenn sie beschämt und voller Abscheu geschwiegen hatte, weil manches einfach nicht über ihre Lippen kommen wollte, hatte er sie schallend ausgelacht und erklärt, daß sie mal wieder aus einer Mücke einen Elefanten machte und daß die meisten der Dinge, über die sie sich so entsetzte, nur die Ausgeburten ihres eigenen liebeskranken Gemütes wären.
Und dieses Mal würde es noch schlimmer kommen, denn obwohl sie sich vorgenommen hatte, nur das Notwendigste zu erzählen, wußte sie, daß sie ihren Vorsatz nicht würde halten können, wenn es soweit war, daß sie vor ihm stand.
Ihr Onkel war von einer brutalen Rücksichtslosigkeit. Er zwang jedem seinen Willen auf und er hatte eine perverse Freude daran, die Menschen und vor allem sie, Isabel, zu erniedrigen. Er haßte sie von dem Zeitpunkt an, da sie alt genug gewesen war, sich seinen sehr unväterlichen Zärtlichkeiten und Küssen zu entziehen, mit denen er sie jeden Abend vor dem Schlafengehen bedacht hatte. Er haßte sie, seitdem sie an einem regnerischen Samstag Nachmittag schluchzend aus seiner Bibliothek fortgelaufen war. Und er haßte sie, seitdem sie dem Alter entwachsen war, da er sie noch übers Knie legen konnte - woran er stets ein unmenschliches Vergnügen gehabt hatte.
Doch er war ihr Onkel, ihr Vormund und einziger Verwandter. Oft fragte sie sich, ob es nicht besser gewesen sei, die Belästigungen der Männer zu ertragen, in deren Häusern sie eine Anstellung als Gouvernante gefunden hatte, als nach Rowanfield Manor zurückzukehren, um unter dem Dach ihres Onkels beinahe noch Schlimmeres erdulden zu müssen...
Das letzte Mal, als sie von Rowanfield Manor geflüchtet war, hatte sie geschworen, in der nächsten Stellung auszuharren, was immer auch dort auf sie zukommen würde. Aber da war sie wieder - nur drei Monate hatte sie es diesmal ausgehalten.
Es war ihr unmöglich gewesen - absolut unmöglich - mit dem Marquis von Droxburgh noch länger im selben Haus zu leben. Noch immer sah sie die grausamen Augen, mit denen er sie voller Begierde anstarrte. Sie sah seine Hände, die nach ihr griffen, seine Zungenspitze, die lüstern über die dünnen Lippen fuhr. Nie zuvor war sie einem so teuflischen Menschen begegnet, und die drei Monate, die hinter ihr lagen, waren die Hölle gewesen.
Wochenlang hatte sie nicht mehr geschlafen, aus Angst, er könne sie in ihrem Zimmer überfallen. Und tagsüber, während sie sich im Unterrichtsraum aufhielt, hatte sie voller Furcht auf das Geräusch seiner Schritte draußen im Gang gelauscht.
Es war entsetzlich gewesen, und sie hatte von einer Sekunde auf die andere den Entschluß gefaßt, zu gehen. Lieber noch ertrug sie Onkel Herberts Wutausbrüche. Eher noch gestand sie sich ihre Niederlage ein, als im Haus des Marquis einen Nervenzusammenbruch zu erleiden.
Ein anderer Wagen fuhr an ihrem Kutschenfenster vorbei. Diesmal war es ein offener Viktoria.
Isabel erhaschte den flüchtigen Blick auf ein hübsches Gesicht, das von einem mit Rosen geschmückten Hut umrahmt und von einem Sonnenschirm, ebenfalls mit Rosenblüten dekoriert, beschattet wurde. Das Mädchen befand sich in Begleitung eines Gentleman mit Zylinder, der am Rockaufschlag eine Nelke trug.
Das Paar wirkte sehr elegant und romantisch, und nachdem der Wagen aus Isabels Blickfeld entschwunden war, schaute sie unwillkürlich prüfend an sich hinunter. Ihr Kleid war zerknittert und staubig von der Bahnfahrt. Seit dem frühen Morgen war sie bereits unterwegs; und sie wußte, daß Gesicht und Haar mit einer feinen Rußschicht bedeckt waren und sie einen ziemlich derangierten Eindruck machte.
Ungeduldig strich sie ihr Kleid glatt und stellte fest, daß sie wenig tun konnte, um ihr Aussehen zu verbessern.
Das Kleid, das sie trug, war nicht nur in Mitleidenschaft gezogen durch die Reise, es war außerdem auch abgetragen, fadenscheinig und völlig aus der Mode. Es war von einem grellen Blau, das ihr - wie sie wußte - überhaupt nicht zu Gesicht stand. Aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als es zu tragen. Sie konnte sich keine Kleider kaufen und war auf die Garderobe angewiesen, die ihre Kusine Elisabeth ablegte.
Lady Elisabeth Graye jedoch war blond und blauäugig, und ihr standen die himmelblauen und pinkfarbenen Töne vorzüglich.
Zum Glück hatten die beiden Kusinen die gleiche Größe, doch damit endete ihre Ähnlichkeit auch schon! Isabel hatte das flammende rote Haar und die geheimnisvollen grünen Augen ihrer Mutter, die eine viel bewunderte und gefeierte Schönheit gewesen war. Und diese ungewöhnliche Kombination in Verbindung mit einer magnolienweißen Haut war es gewesen, die den jüngeren, mittellosen Bruder des Earl von Cardon so bezaubert hatte, daß er Isabels Mutter, eine Sängerin, noch während seines Studiums in Oxford geheiratet hatte.
Daß die beiden glücklich miteinander geworden waren, hatte den Unwillen und die Entrüstung der Familie nicht mildern können. Und als der jüngere Cardon elf Jahre später mit seiner schönen Frau bei einem Schiffsunglück vor der Küste von Devon ertrank, gab es niemanden in der Familie, der nicht schon immer gewußt hatte, daß es mit den beiden einmal ein böses Ende nehmen würde.
Isabel war nach Rowanfield Manor gebracht worden, um dort zusammen mit ihrer Kusine Elisabeth aufgezogen zu werden. Die beiden Mädchen waren gleichaltrig, und für jedes von ihnen bedeutete die Gesellschaft des anderen eigentlich ein großes Glück. Aber wie Isabel später erfuhr, hatte Lord Cardon seinen jüngeren Bruder bis aufs Blut gehaßt, und alles, was ihn an den anderen erinnerte, bereitete ihm unerträgliche Qualen.
Vielleicht war er eifersüchtig auf dessen unbeschwerte Fröhlichkeit gewesen, vielleicht aber lagen die Ursachen dafür auch tiefer, waren begründet in einem Vorfall, der nur den beiden Brüdern bekannt gewesen war. Isabel sollte den Grund nie genau erfahren. Allerdings erhärtete sich in ihr, je älter sie wurde, immer mehr der Verdacht, daß ihr Onkel von ihrer Mutter einmal zurückgewiesen worden war und daß er sich dafür nun an ihr, Isabel, zu rächen versuchte.
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