Die weiße Taube von Schloß Royal. Barbara Cartland
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Читать онлайн книгу Die weiße Taube von Schloß Royal - Barbara Cartland страница 4

СКАЧАТЬ lächelte.

      »Manchmal denke ich, daß ich noch nie so jung gewesen bin wie du, Nina, jedenfalls nicht so ahnungslos und unschuldig.«

      »Auf mich hast du immer sehr erfahren und schon ganz erwachsen gewirkt«, stimmte Nina zu. »Aber ich dachte, das liege an meiner mangelnden Menschenkenntnis und an fehlenden Vergleichsmöglichkeiten.«

      »Ich wurde erwachsen, als ich mich in Harry verliebte«, sagte Christine. »Natürlich mußten wir unsere Gefühle verbergen, weil Mama sonst nicht erlaubt hätte, daß er uns besucht.« Sie lächelte zärtlich und fuhr fort: »Obgleich er wenig Worte darüber verlor, spürte ich von Anfang an, wie sehr er um mein Wohl besorgt ist. Ich wüßte nicht, wie ich das erklären sollte. Aber dadurch unterscheidet er sich von anderen Männern.«

      Nina wußte, daß es in Christines Leben von ihrem zwölften Jahr an Männer gegeben hatte, die sie attraktiv fanden und zu küssen versuchten. Auch Liebesbriefe hatten sie ihr geschrieben. Aber im Internat hielt Christine es für besser, die Briefe zu zerreißen, damit Mrs. Fontwell sie nicht fand.

      Noch nie hatte Nina ihre Freundin in so ernstem Ton sprechen hören.

      Gerührt sagte sie: »Und von all dem hast du mir noch nie etwas erzählt.«

      »Weil ich es versprochen hatte«, erwiderte Christine. »In der ersten Zeit hatte, ich Angst, daß wir entdeckt würden. Als Mama tot war, erlaubte mir meine Stiefmutter nicht einmal, Harry zu sehen, wenn er zu uns zu Besuch kam. Wir trafen uns heimlich im Park. Eines Tages sagte er, daß er mich heiraten wolle.« Mit einem leidenschaftlichen Unterton in der Stimme fuhr sie fort: »Von da an wußte ich, wie sehr ich ihn liebe und daß ich einen anderen nicht so lieben kann.«

      »Aber du bist noch so jung«, wandte Nina ein.

      »Schon viele Mädchen haben mit siebzehn geheiratet. Harry sagt, wir müssen noch bis zu meinem Geburtstag warten, und dann will er Papa fragen.«

      »Glaubst du, daß dein Vater zustimmt?«

      Nach kurzem Zögern meinte Christine: »Harrys Vater ist zwar ein Graf, aber Harry nur der zweitgeborene Sohn. Ich fürchte, da ich so reich bin, werden Papa und erst recht meine Stiefmutter sagen, ich solle mir etwas Besseres suchen.« Ihre Stimme hatte einen spöttischen Klang. »Aus diesem Grund brenne ich durch.«

      »Durchbrennen?« rief Nina.

      »Harry und ich reisen nach Rom, wo Papas jüngerer Bruder lebt«, erklärte Christine. »Er ist mit einer Italienerin verheiratet, die von der Familie nicht akzeptiert wird. Deshalb bin ich sicher, daß er in Papas Abwesenheit als Vormund für mich tätig wird und mir und Harry die Heiratserlaubnis verschafft.«

      »Das klingt wirklich sehr romantisch«, sagte Nina. »Bist du aber auch überzeugt, daß du das Richtige tust?«

      »Vollkommen«, erwiderte Christine. »Ich liebe Harry, und er liebt mich. Und wir sind bereit zu warten, bis ich siebzehn bin. Ich weiß aber auch, daß mich Papa und meine Stiefmutter mit dem Marquis verheiraten würden, wenn er um mich anhielte. Und das scheint er vorzuhaben.«

      »Tatsächlich?«

      »Ja«, bestätigte Christine. »Wie Hannah mir erzählt hat, war er schon immer auf der Suche nach einer jungen, unschuldigen, unberührten Frau, die sich nicht in sein liederliches Treiben mit anderen Frauen einmischt. Meine Stiefmutter hat ihm diese schwierige Aufgabe abgenommen und präsentiert mich wie ein Kaninchen, das aus dem Zylinder hervorgezaubert wird.« Ängstlich fuhr sie fort: »Wenn ich erst einmal in Vent Royal bin, sitze ich in der Falle. Das weißt du so gut wie ich. Deshalb habe ich heute früh als erstes ein Telegramm an Harry gesandt, und er ist auch gleich gekommen. Wir haben uns nach dem Mittagessen in dem Gebüsch an der Pforte getroffen.«

      »Wie konnte Harry das tun?« rief Nina.

      »Es ist nichts weiter dabei. Ich habe das schon früher gemacht. Wie du weißt, hält der Drachen um zwei Uhr seinen Mittagsschlaf und erwartet von uns dasselbe. Ich schlüpfte also durch die Seitentür und hielt mich im Schatten der Bäume. Als ich bei dem Gebüsch ankam, wartete Harry hinter der Pforte.« Plötzlich strahlte Christine über das ganze Gesicht und sagte: »Er liebt mich! Er liebt mich so sehr, daß er mich nicht wieder verlieren will. Deshalb werden wir nach Rom aufbrechen, sobald ich in London bin.«

      »Und wann wird das sein?«

      »Morgen.« Christine klatschte vor Freude in die Hände. »Harry ist ja so klug. Er hat sofort die Gefahr erkannt, in der ich schwebe, wenn Papas Kutsche am Donnerstag hier eintrifft, um mich abzuholen, wie meine Stiefmutter in ihrem Brief ankündigt. Es wäre ungewiß, ob ich von London mit Harry fliehen könnte, da zu Hause wahrscheinlich schon die Kutsche des Marquis auf mich wartet.«

      »Was willst du dagegen unternehmen?« fragte Nina.

      »Harry hat im Namen von Papas Sekretär ein Telegramm an meine Stiefmutter geschickt, in dem er ihr mitteilt, daß mich Papas Kutsche schon morgen abholen werde. Aber die Kutsche, die hier ankommen wird, ist natürlich nicht die von Papa, sondern eine von Harry gemietete. Und ich fahre auch nicht zu unserem Palais am Grosvenor Square, sondern zum Familiensitz der Hawkstones. Harrys Vater ist gerade nicht in London. Von dort aus geht die Reise nach Rom.«

      »Für meine Begriffe ist das alles ziemlich kompliziert«, erwiderte Nina. »Bist du auch sicher, daß man dich nicht festhält.«

      »Das wäre für Harry und mich eine Katastrophe,« erwiderte Christine. »Übrigens könnte es sein, daß mir Mrs. Fontwell für die Fahrt eine Gesellschafterin aufnötigt. Deshalb wollte ich dich bitten, mich zu begleiten.«

      »Aber natürlich will ich alles tun...«, begann Nina und verstummte, als Christine plötzlich aufschrie.

      »Nina, ich habe eine Idee, eine brillante Idee!« sagte sie. »Aber warte einen Augenblick, ich muß noch darüber nachdenken.« In dem Bemühen, sich zu konzentrieren, legte sie die Hände an die Schläfen und sagte langsam: »Du fährst mit mir nach London, aber wir werden dem Drachen erzählen, daß ich dich als Gesellschaftsdame angestellt hätte,«

      Ninas Augen wurden groß, aber sie äußerte sich nicht, und Christine fuhr fort: »Ich verspreche dir, ganz gleich, was geschieht, daß du unter gar keinen Umständen hier bleibst.« Sie schloß die Augen, um besser nachdenken zu können, und sagte dann: »Statt hierher zurückzukehren, wenn ich mit Harry abgereist bin, wirst du nach Vent Royal fahren und bei dem Marquis wohnen, bis ich verheiratet bin.«

      »Was sagst du da?« fragte Nina.

      »Versteh mich«, erwiderte Christine. »Ich würde mich sehr viel sicherer fühlen, und du hättest ein Dach über dem Kopf, bis ich dich von dort wegholen kann.«

      »Soll ich etwa behaupten, ich sei du?«

      »Das ist ganz einfach«, erwiderte Christine. »Er hat mich nie gesehen.«

      »Nie gesehen?«

      »Nein. Meine Stiefmutter hat dafür gesorgt. Sie ließ keine andere Frau in seine Nähe. Und wenn der Marquis zu einem Dinner kam, an dem Papa teilnahm, waren alle weiblichen Gäste alt oder häßlich. Und jetzt schickt sie mich zu ihm, weil ich das kleinere Übel bin. Sonst fände er vielleicht bald eine andere, die sie von ihrem Platz verdrängen würde - eine Frau, die schön, attraktiv und bezaubernd ist, wie es anscheinend alle seine Freundinnen waren. Es könnte aber auch sein, daß er eine naive, unschuldige Frau heiratete, auf die meine Stiefmutter keinen СКАЧАТЬ