Название: Die weiße Taube von Schloß Royal
Автор: Barbara Cartland
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
isbn: 9781788673709
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»Du hast doch gesagt, er sei ihr Liebhaber.«
»Das ist er. Seit Weihnachten hat sie ein leidenschaftliches Liebesverhältnis mit ihm.«
»Unglaublich«, sagte Nina schockiert.
Da sie mit Vater und Mutter immer sehr zurückgezogen gelebt hatte, hatte sie keine Ahnung von dem unmoralischen Benehmen vieler Damen und Herren der Gesellschaft gehabt. Erst durch Christine erfuhr sie davon. Allerdings war sie überzeugt, daß ihre Freundin übertrieb, wie sie es oft tat. Wie war es möglich, daß Damen, die sich in höfischen Kreisen bewegten, ihren Männern untreu waren und so mancher Herr nichts dabei fand, mit der Frau seines Freundes ein Liebesverhältnis einzugehen? Wenn Christine Nina solche skandalösen Geschichten erzählte, klangen sie so verrückt, daß Nina glaubte, es handle sich um Erfindungen ihrer blühenden Phantasie. Jetzt sagte Nina mit leiser, aber energischer Stimme: »Liebste, ich bin überzeugt, daß du dich irrst. Wenn dich der Marquis heiraten will, kann er unmöglich ein Liebesverhältnis mit deiner Stiefmutter haben. Außerdem bist du zu jung zum Heiraten.«
»In zwei Monaten werde ich siebzehn«, erwiderte Christine, »und dann will ich heiraten.«
»Den Marquis?«
»Nein, jemand ganz anderen! Ich habe dir noch nicht von ihm erzählt.«
Ninas Augen weiteten sich.
»Christine, ist das dein Ernst?«
»Ich wollte dir schon davon berichten«, antwortete Christine, »aber Harry bestand darauf, daß es unser Geheimnis blieb. Ich habe ihm geschworen, niemand ein Wort darüber zu sagen.«
»Dann solltest du mir vielleicht nichts verraten.«
»Ich muß aber«, entgegnete Christine. »Harry wird das einsehen.« Sie sah, daß Nina aufmerksam zuhörte, und fuhr fort: »Der Marquis steht in dem Ruf, der flotteste und unmoralischste Mann von ganz London zu sein. Er hat Dutzende von Affären mit schönen Frauen gehabt. Seit Jahren höre ich, daß die Leute über ihn schwatzen.«
»Sagen sie wirklich solche Dinge in deiner Gegenwart?« erkundigte sich Nina.
Christine lächelte.
»Natürlich nicht. Sie behandeln mich wie ein Kind.«
»Woher weißt du das dann?«
»Weil, liebste Nina, die Dienstboten immer Klatsch und Tratsch untereinander austauschen, als ob die Kinder taub seien. Und Diener wissen alles... Wichtiger ist allerdings, daß ich, wenn ich zu Hause bin, meine eigenen Methoden habe, um herauszufinden, was los ist.« Christine lächelte und fügte hinzu: »Ich weiß, du wirst damit nicht einverstanden sein, und deswegen habe ich es dir nicht früher gesagt, aber es gibt in unserem Schloß, das sehr alt ist, eine ganze Anzahl Räume, von denen aus man hören kann, was im Nachbarzimmer geschieht.«
»Du meinst, du hast gehorcht?« fragte Nina.
»Generationen von Lydfords müssen das vor mir getan haben«, erwiderte Christine zu ihrer Verteidigung. »Wenn Mama noch am Leben wäre, hätte ich es nicht getan. Aber wenn es um meine Stiefmutter geht, ist das etwas anderes.«
Als sie von ihrer Stiefmutter sprach, wurde ihre Stimme wieder schärfer.
Nina sagte: »Erzähl weiter, Christine.«
»Meine Stiefmutter ist in den Marquis verliebt, seit Papa nach Indien gereist ist. In der Regel hat sie Gesellschaften, wo sie ihn hätte treffen können, gemieden, ebenso welche auf Vent Royal, seinem Schloß in Hertfordshire. Aber wenn er bei uns war, gab es keinen Zweifel an ihren wechselseitigen Gefühlen.« Christine schwieg einen Augenblick, dann sagte sie leidenschaftlich: »Es macht mich krank zu wissen, daß sie sich in den Räumen küssen, die meiner Mutter gehört haben, während Papa weit weg ist.«
Anscheinend nahm sich Christine das alles sehr zu Herzen. Deshalb ergriff Nina ihre Hand und sagte: »Es tut mir leid, daß es dir so nahe geht, Liebste.«
Christine gab darauf keine Antwort, sondern fuhr fort: »Manches von dem, was sie gesagt haben, konnte ich nicht verstehen. Ein- oder zweimal fiel mein Name, aber nur beiläufig. Offenbar war es nichts Wichtiges.«
»Ich denke, du sollst den Marquis heiraten«, warf Nina ein.
»Das weiß ich von Hannah. Heute morgen, als der Brief meiner Stiefmutter ankam, hat sie mir von dem Komplott berichtet. Mit Hannah spreche ich über alles, wie du weißt.«
Nina nickte.
»Ich habe ihr erzählt, daß meine Stiefmutter möchte, daß ich bei dem Marquis wohne, und daß sie schon die entsprechenden Vorbereitungen getroffen hat. Daraufhin rief sie: ,Was mir Miss Parsons in den vergangenen Ferien gesagt hat, ist also wahr, und ich dachte, sie erlaube sich einen Scherz mit mir.'«
»Weiß sie noch mehr über diesen Plan?« fragte Nina.
»Ja. Ich soll bei dem Marquis wohnen und ihn später, wenn ich älter geworden bin, heiraten.«
»Was für ein Interesse sollte deine Stiefmutter daran haben, daß du ihn heiratest?«
»Überlege einmal, was sie sich dabei gedacht haben könnte!« erwiderte Christine. »Für den Fall, daß er eine junge, nachgiebige, arglose Frau sucht, wer eignet sich dann besser als ein sechzehnjähriges Mädchen, das keine Ahnung vom Leben hat? Hannah hat mir erzählt, daß Miss Parsons, die Zofe meiner Stiefmutter, ihr davon berichtet habe, daß der Marquis zu seinen engen Freunden immer wieder sagt, er werde nie eine Frau heiraten, die so untreu ist wie eine von den Damen, mit denen er befreundet ist.«
»Glaubst du, er ist dagegen?« fragte Nina.
»Nur, wenn es um seine eigene Frau geht«, antwortete Christine höhnisch. »Bei den Frauen anderer Männer hat er nichts dagegen einzuwenden, wenn sie sich mit ihm kompromittieren wollen.«
Nina war verwirrt.
»Ich kann immer noch nicht ganz begreifen, warum dich der Marquis heiraten soll.«
»Meine Stiefmutter hat alles arrangiert. Sie glaubt, daß sie ihn auch weiterhin so oft sehen kann, wie sie will, wenn er mit mir verheiratet ist. Sie wären dann in der Lage, ihr Verhältnis nach der Rückkehr meiner Stiefmutter aus Indien fortzusetzen. Sie will den Marquis nicht verlieren.«
»Das ist ungeheuerlich«, rief Nina.
»Zweifellos«, stimmte Christine zu. »Und deshalb werde ich Harry heiraten. Er liebt mich wirklich, und zwar schon seit drei Jahren.«
»Harry?« wiederholte Nina. »Wer ist das denn?«
»Der zweitälteste Sohn des Grafen von Hawkstone«, antwortete Christine. »Er hat mir gesagt, daß er sich im ersten Augenblick, als er mich sah, in mich verliebt habe, obwohl ich erst vierzehn war. Natürlich wußte er, daß ich noch zu jung für die Ehe war und daß er auf mich werde warten müssen. «
»Hat er dir gleich zu Anfang eine Liebeserklärung gemacht?« fragte Nina.
Christines Augen leuchteten.
»Nein, das nicht. Aber ich war sicher, daß er mich attraktiv fand. Und als wir uns öfter trafen, um auszureiten, СКАЧАТЬ