Pilgerwahnsinn. Jörg Steinert
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Название: Pilgerwahnsinn

Автор: Jörg Steinert

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783843612890

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СКАЧАТЬ mehr vermisste ich ein eigenes Badezimmer. Ich fand es immer eklig, anderen Menschen beim Zähneputzen zuzusehen – selbst meinem eigenen Partner. Auch wollte ich selbst nicht dabei beobachtet werden. Mein Bedürfnis nach ausreichender Privatsphäre war groß. Doch aufgrund der wenigen Sanitäranlagen in den Pilgerherbergen blieb es nicht aus, dass wir zu dritt oder viert zusammen am Waschbecken standen. Ich versuchte die anderen zu ignorieren, was jedoch nicht möglich war, da uns Maria, die als zahnmedizinische Fachassistentin arbeitete, auf die jeweiligen Putztechniken ansprach.

      „Du benutzt wohl auch keine Zahnseide? Wie meine Schwester Christine“, merkte Maria kritisch an. Obwohl es Maria gar nicht anklagend meinte und ich ebenso wie Christine in Gegenwart anderer nicht mit der Zahnseide rumspritzen wollte, fühlte ich mich in einer Rechtsfertigungsposition. Renate kam mir zur Hilfe: „Ich benutze auch keine Zahnseide.“ Worauf Maria nur antwortete: „Das habe ich mir schon gedacht.“ Mit dieser Bemerkung machte sich Maria bei Renate sehr unbeliebt. Noch am nächsten Tag regte sich Renate darüber auf. „Hat die etwa gemeint, ich habe schmutzige Zähne?“, fragte sie mich. Aber Renate war sowieso eine recht impulsive Person, weshalb andere Gefühle diesen Vorfall schnell in Vergessenheit geraten ließen. Sven war ähnlich gestrickt. Gleichzeitig war ich für ihn „der beste Camino-Freund“. Emotional überschwänglich äußerte er, dass er die Bonding-Übung am liebsten mit mir gemacht hätte. Ich hingegen hätte die Übung am liebsten gar nicht gemacht. Sven stimmte mir lachend zu.

      Die 52-jährige Christine war ganz anders, zurückhaltend, gutmütig und fürsorglich. Die zweifache Mutter verstand sich mit jedem von uns gut. Sie war um das Wohlbefinden aller sehr bemüht. Und meine skeptischen Nachfragen zu katholischen Glaubenshandlungen wusste die gläubige Christine mit Empathie zu beantworten. Ihre nur wenige Jahre jüngere Schwester Maria präsentierte sich von einer besonders fröhlichen und unbeschwerten Seite, was ihrem herzlichen Charakter authentisch entsprach.

      Wir waren ungleiche Freunde, die sich im Alltag nicht begegnet wären beziehungsweise sich gegenseitig nicht wahrgenommen hätten. Der Camino war der Kitt, der uns zusammenhielt.

      Wir hatten ein perfektes Pilgerleben. Am Morgen standen wir um 7 Uhr auf, dann ein einfaches Frühstück, etwa acht Stunden unterwegs, nach der Ankunft duschen und Wäsche waschen, ein üppiges Abendessen in der Gruppe und Schlafengehen um 22 Uhr. Das Leben als Pilger war einfach und auf das Wesentliche reduziert, aber befriedigend.

      Die frühe Schlafenszeit empfand ich nicht als Bevormundung. Vielmehr als sinnvolle Regel. Und auch wenn es ungewohnt für mich war, mit so vielen Menschen in einem Gruppenschlafsaal die Nacht zu verbringen, schlief ich sehr gut. Sogar besser als in meiner Wohnung in Berlin, die sich in einem unruhigen Mietshaus befand.

      Ich fühlte mich nach nur wenigen Tagen entspannt und frei. Niemandem gegenüber zu etwas verpflichtet. Und zugleich in guter Gesellschaft. Mit diesen mir bis dato fremden Menschen war alles so vertraut. Wir waren wie eine kleine Familie. Eine Trennung wäre jederzeit möglich gewesen. Aber niemand von uns wollte das.

      Auch die Zweifel an meinem Job wurden geringer. Dieser war ein zusätzlicher Stressfaktor in meiner Beziehung gewesen, weil ich auch am Abend ständig von den täglichen Herausforderungen sprach. Die berufliche Situation von Renate war das genaue Gegenteil. Als studierte Theologin langweilte sie sich am Empfang eines Bürogebäudes. Und ich erkannte, wie dankbar ich für meine Arbeit sein konnte, die zwar stressig, aber auch befriedigend und sinnstiftend für mich war.

      Unser Weg führte uns durch das im 20. Jahrhundert zerstörte Guernica. Das gleichnamige Kunstwerk von Pablo Picasso über die Grausamkeit des Krieges war mir durch den Schulunterricht bestens bekannt. Das Friedensmuseum im neu errichteten Ort rief sowohl Schrecken über die Vergangenheit als auch Dankbarkeit über den Frieden im heutigen Europa in mir hervor. Selten hatte mich ein Museumsbesuch so berührt. Kulturell abgerundet wurde unsere Reise schließlich im Guggenheim-Museum in Bilbao.

      Nur Renate war es vergönnt weiterzulaufen. Für uns anderen war nach 150 Kilometern in Bilbao erst einmal Schluss. Vor unserem Abflug wollten wir aber richtig ins Nachtleben eintauchen. Statt Pilgermenü gab es Pintxos und Wein. Die spanienaffine Renate klärte uns darüber auf, dass man ein oder zwei kleine Happen isst, dazu ein Glas Wein, und dann in die nächste Bar weiterzieht. Da wir noch im Baskenland waren, sollten wir auf jeden Fall „Pintxos“ sagen und nicht „Tapas“, wie im restlichen Spanien. Nach der dritten Bar waren wir dann bettreif.

      Entgegen der Vermutung, dass Pilger besonders diszipliniert sind, mischten wir das gesamte Hostel lautstark auf. Am nächsten Morgen zog Renate von Tür zu Tür und entschuldigte sich auf Spanisch bei den anderen Gästen sowie dem Betreiber. Wir anderen zeigten uns von unserer besonders leisen Seite. Marias bayerisches „Ja mei“ beschrieb die Situation passend.

      So viele Erlebnisse in einer Woche. Ich war in ein unbekanntes Abenteuer gestartet. Geflohen vor der Bonding-Gruppe. Meisterte 150 Kilometer ohne körperliche Beschwerden. Erlebte eine zauberhafte Landschaft. Genoss Kultur und Party mit neuen Freunden. Der Satz „So schön habe ich es mir nicht vorgestellt“ hatte sich als berechtigte Aussage entpuppt. Auf dem Flughafen von Bilbao war ich erfüllt von den Erfahrungen der vergangenen Tage. Infiziert vom Pilgervirus kehrte ich in meinen Alltag nach Deutschland zurück.

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