Alles nur Zufall?. Georg Markus
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Название: Alles nur Zufall?

Автор: Georg Markus

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783902862983

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      Der 14. November 1887 sollte zu einem besonderen Abend werden. Rudolf hatte sogar einen eigenen Berater für das Volkslied, und das war kein Geringerer als der Komponist Carl Michael Ziehrer, der eines Tages den Auftrag erhielt, für den Sohn des Kaisers und seine Jagdgesellschaft auf Schloss Orth an der Donau einen wienerischen Abend mit den besten Volks- und Heurigensängern zu organisieren. Ziehrer schrieb Anfang November an Johann Schrammel: »Bei Seiner Kaiserlichen Hoheit, dem Kronprinzen, dürfte zwischen 14. und 17. November ein echt wienerischer Abend veranstaltet werden. Komme, Sie zu fragen, ob Sie an diesen Tagen Zeit (abends) hätten, zu spielen, selbstverständlich auch mehrere Ihrer Sänger. Bitte morgen mich bestimmt zwischen 1 und 2 Uhr mit Ihrem Besuch zu beehren, da ich abends noch Bericht erstatten muss. C. M. Ziehrer, III. Bezirk, Gärtnergasse 17.«

      Johann Schrammel, einer der populärsten Musiker Wiens, erkannte die Bedeutung des Auftrags und trommelte neben seinem Bruder Josef und den Partnern seines Quartetts, Anton Strohmayer und Georg Dänzer, noch weitere Volkskünstler zusammen, darunter den Kunstpfeifer »Baron Jean«, die Jodlerin »Kiesel-Marie«, den »Friseur Brady«, den Grinzinger Gastwirt und Dudler Josef Brandmeyer sowie – als musikalische Krönung – den singenden Fiaker Josef Bratfisch.

      Schon am Tag der Ankunft wird auf Schloss Orth »aufg’spielt«, wobei laut einem Bericht im Illustrierten Extrablatt neben dem Kronprinzenpaar auch (der spätere Thronfolger) Erzherzog Franz Ferdinand sowie die Prinzen Leopold in Bayern und Philipp von Coburg zur erlesenen Zuhörerschar – »Herren im Frack, Damen in Promenadetoilette« – zählen. Die ausgelassene Soiree dauert von sechs Uhr abends bis drei Uhr früh, »und es ernteten die Musiker wie die Sänger den lebhaftesten Beifall der höchsten Herrschaften«.

      Am nächsten Abend erteilt der Kronprinz laut Extrablatt »immer wieder das Zeichen zum Applaus, ist bester Laune und bestellte bei Bratfisch das Lied Das waß nur a Weana, a weanerisches Blut. Der Fiaker kannte wohl die Melodie, nicht jedoch den Text und so nahm der Kronprinz Papier, schrieb die Strophen des Liedes aus dem Gedächtnis auf und überreichte das Blatt dem Fiaker.«

      Was nun folgt, verschweigt das Extrablatt: Bratfisch, nur der damals üblichen Kurrentschrift mächtig, kann Rudolfs Lateinbuchstaben nicht entziffern und hält dem Kronprinzen unter Außerachtlassung der im Umgang mit Mitgliedern des Kaiserhauses üblichen strengen Verhaltensregeln entgegen: »So a Schrift kann doch kein anständiger Mensch lesen!« Rudolf lacht herzhaft über diesen Temperamentsausbruch, fällt dem vierzig Jahre alten Kutscher um den Hals und trägt ihm das vertrauliche »Du« an. Dann singt er mit ihm im Duett das Wienerlied Das is in Weana sein Schan und ernennt ihn auf der Stelle zu seinem Leibfiaker.

      Obwohl der Kronprinz sein Wort in einer Weinlaune gegeben hat, bekennt er sich allen Bedenken seiner Umgebung zum Trotz weiterhin zum Du-Wort, pflegt mit dem als trinkfest bekannten Bratfisch eine freundschaftliche Beziehung und macht ihn zum Vertrauten seiner geheimen Leidenschaften, weil er bald weiß, dass er sich auf Bratfischs Verschwiegenheit verlassen kann. Wie sehr er ihm vertraute, zeigen zwei Besuche Rudolfs in der Privatwohnung der Familie Bratfisch, »in Begleitung von Frl. Mizzy Kaspar«, wie uns Bratfischs Tochter Antonia Konhäuser in einer Denkschrift hinterließ. Maria Caspar, eine in Graz geborene Edelprostituierte, war Rudolfs langjährige Geliebte, der er wenige Monate später als erster Frau das Angebot unterbreitete, mit ihm in den Tod zu gehen – was diese brüsk ablehnte. Dem Kronprinzen wurde, als er im Herbst 1888 mit Mizzi in Bratfischs Parterrewohnung in der Wiener Laudongasse Nr. 52 einkehrte, eine Jause serviert, »bestehend aus garniertem Liptauer, den meine Mutter seiner Meinung nach ausgezeichnet anzurichten verstand und den er bei Hofe nie derart bekam. Dazu wurde Bier und Wein getrunken.«

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       Garnierten Liptauer für Kronprinz Rudolf und seine Geliebte: der musizierende Leibfiaker Bratfisch

      In den knapp eineinhalb Jahren, in denen Bratfisch für Kronprinz Rudolf fährt, bleibt er wie bisher in Anstellung des Fiakerunternehmers Leopold Wollner, dessen Stallungen in der Breitenfelder Gasse Nr. 13 in Wien-Josefstadt liegen. Doch Rudolf bezahlt den singenden Fiaker für seine treuen Dienste weit über seinen eher kargen Lohn hinaus fürstlich, und er schenkt ihm sogar das Haus Lacknergasse 8 in Wien-Hernals, in das dieser dann auch mit Frau und Tochter einzieht. Josef Bratfisch ist mit seiner Fiaker-Lizenznummer 104 für den Kronprinzen abgestellt, er erledigt Einkäufe, bringt ihn zu diskreten Terminen, führt Rudolfs Liebschaften in die Hofburg oder wartet mitunter nächtelang vor deren Wohnhäusern. Ebenso ist der singende und pfeifende Fiaker bei allen ausgelassenen Festen des Kronprinzen mit seinem musikalischen Repertoire dabei. Rudolf behält zwar weiterhin seinen »offiziellen« Hofkutscher Anton Prechtler – doch für geheime Fuhren und Erledigungen ist ausschließlich Bratfisch zuständig.

      Ab dem 5. November 1888, als Rudolf und Mary Vetsera einander zum ersten Mal heimlich treffen, bringt Bratfisch die siebzehnjährige Baronesse zu fast allen Rendezvous mit dem Kronprinzen. Er holt sie meist vom Haus ihrer Eltern in der Salesianergasse ab, wartet mit seiner Kutsche aber diskret wenige Meter entfernt in der Marokkanergasse, von wo er Mary in die Hofburg bringt.

      Am 28. Jänner 1889 führt er die Baronesse mit seinem Gespann jedoch laut Anweisung des Kronprinzen zum Gasthaus Rother Stadl nahe von Kalksburg. Anfang Februar wird Bratfisch beim Wiener Polizeipräsidenten Franz Freiherr von Krauss zu Protokoll geben, dass sich Rudolf dorthin von seinem Hofkutscher Prechtler führen ließ und gegen 13 Uhr ankam. Weiters sagte Bratfisch aus: »Der Kronprinz war sehr aufgeräumt und heiter und entschuldigte sich bei mir, dass wir so lange warten mussten. Er gab nun den Befehl, nach Mayerling zu fahren. Er sagte aber, ich solle mir Zeit lassen, damit wir erst in der Dämmerung dorthin kommen. Die Straßen waren so schlecht und vereist, dass es ohnehin nicht schneller ging.« Im Kassabuch des Fuhrwerkunternehmers Wollner ist vermerkt: »Bratfisch fährt nach Mayerling, 30 Kronen.«

      Als zwei Tage später in Rudolfs Jagdschloss die beiden tödlichen Schüsse fallen, ist Bratfisch bereits in Wien. Er hat also nicht, wie oft fälschlich berichtet wird, »zum Abschied« noch für Rudolf und Mary Wienerlieder gesungen.

      Nach dem Doppelselbstmord Rudolfs und Marys werden dem Leibfiaker von ausländischen Zeitungen enorme Geldbeträge geboten, um »das Geheimnis von Mayerling lüften« zu können. Doch der Fiaker bleibt über den Tod seines Herrn hinaus loyal und verschwiegen. Er wird auch vom Kaiser – wohl um seine Diskretion fortzusetzen – in großzügiger Weise ausbezahlt und baut sich mit der Abfindung einen eigenen Fiakerbetrieb auf.

      Zeitzeugen gaben an, dass es nach dem Tod seines Herrn »um Bratfisch geschehen« war. Der einst so frohe und lebenslustige Mann wurde wortkarg wie ein Kartäusermönch, nie mehr hörte man ihn singen, nie mehr sah man ein fröhliches Lachen um seinen Mund. Bratfisch konnte seine Selbstständigkeit als Unternehmer nicht lange genießen, er starb knapp drei Jahre nach Mayerling im Alter von 45 Jahren an Kehlkopfkrebs. Der Kutscher fand in einem ehrenhalber gewidmeten Grab der Stadt Wien auf dem Hernalser Friedhof seine letzte Ruhe und wurde in dem 1956 gedrehten Film Kronprinz Rudolfs letzte Liebe von Attila Hörbiger dargestellt.

      »SCHREIBEN S’ MIR EINE TYPE«

       Hans Moser wird entdeckt, 31. Dezember 1922

      Hans Moser, eigentlich Hans Julier * 6. 8. 1880 Wien, † 19. 6. 1964 Wien. Volksschauspieler. 1925 von Max Reinhardt an das Theater in der Josefstadt und nach Berlin geholt. 200 Filme u. a. Burgtheater (1936), Hallo Dienstmann! (1952).

      42 Jahre musste dieser Schauspieler alt werden, ehe man von ihm Notiz nahm. Mehr als zwei Jahrzehnte war er auf böhmischen Schmierenbühnen aufgetreten, als jugendlicher Liebhaber mit Chor- und Statisterieverpflichtung, musste Kulissen schieben und Theaterzettel austragen. СКАЧАТЬ