Название: Let´s play love: Leon
Автор: Hanna Nolden
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
Серия: Let´s play love
isbn: 9783958694071
isbn:
let´s play love:
Leon
Hanna Nolden
© 2020 Amrûn Verlag
Jürgen Eglseer, Traunstein
Covergestaltung:
Christian Günther, Atelier Tag Eins | www.tag-eins.de
Lektorat: Michaela Harich
Alle Rechte vorbehalten
ISBN TB – 978-3-95869-413-2
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
v1 20
1: Freundinnen
Es war zehn Uhr durch, als Vany wach wurde. Sie wunderte sich, dass niemand sie geweckt hatte. Es war Freitag und eigentlich hätte sie in die Schule gemusst. Entweder hatten ihre Eltern beschlossen, dass sie etwas Ruhe brauchte oder sie war ihnen inzwischen so egal, dass sie sich gar nicht mehr kümmerten. Vany bekam einen Kloß im Hals. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie ihre Mutter im Amt anrufen sollte. Stattdessen las sie die Nachrichten von Jazz und Leon. Jazz schrieb: »Lass uns nachher mal quatschen! Soll ich nach der Schule vorbeikommen?«
Vany überflog kurz die anstehenden Termine und antwortete: »Ich habe nachher Krankengymnastik und morgen wollte ich mein Team besuchen. Passt dir Sonntag?«
Dann war sie bereit für die Nachricht von Leon: »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Hab dich auch gern, du Pappnase.«
Vany musste grinsen. Sie fühlte sich erleichtert. Endlich gab es mal Reaktionen, die ihr halfen. Jetzt knurrte ihr jedoch der Magen und sie entschied, sich in der Küche nach etwas Essbarem umzusehen. Auf dem Weg durch den Flur betrachtete sie die Fotos an den Wänden. Familienfotos aus der Zeit, als Oma noch lebte. Wie glücklich sie alle ausgesehen hatten! Es fühlte sich nach wie vor seltsam an, durch das Haus zu gehen, aber das Gefühl hatte sich verändert. War es gestern auf eine unangenehme Art seltsam gewesen, fühlte es sich jetzt geradezu fantastisch an. Sie war nach Hause gekommen. Hier gehörte sie her. Sie humpelte die Treppe herunter, bog in die Küche ein und bekam den Schreck ihres Lebens. Am Fenster stand ihre Mutter, einen Becher Kaffee in der Hand.
»Was machst du denn hier?«, rief Vany verblüfft und stellte erschrocken fest, dass das überhaupt nicht nett klang. Das war ja ein toller Einstieg zur Wiedergutmachung! Aber ihre Muter schien es ihr nicht übel zu nehmen. Sie stellte ihren Becher zur Seite und entgegnete: »Ich habe mir freigenommen. Ich wollte dich heute nicht allein lassen und hier sein für den Fall, dass du reden willst. Und außerdem wollte ich dich im Blick haben.«
Ihre Mutter sah heute nicht mehr ganz so blass aus, doch sie hatte tiefe, dunkelblaue Augenringe. Wahrscheinlich hatte sie die Nacht über kein Auge zugetan. Vany verspürte den Impuls, sie zu umarmen, aber sie wusste nicht wohin mit ihren Krücken. Ohnehin war sie nie der Kuscheltyp gewesen und vermutlich hätte eine Umarmung ihre Mutter bloß noch mehr verunsichert. Also sagte sie: »Alles klar. Hier bin ich. Und ich habe einen Bärenhunger.«
»Das ist ja schon mal nicht schlecht«, fand ihre Mutter. »Was willst du denn haben?«
»Am liebsten Rühreier.«
»Setz dich. Ich mach dir welche.«
Vany setzte sich an den Küchentisch und beobachtete ihre Mutter, während sie ihr Kaffee und Orangensaft brachte und anfing, die Eier zuzubereiten. Sie schien froh zu sein, etwas zu tun zu haben. Vany wusste so gut wie Tim, dass ihre Eltern nicht gern über Probleme diskutierten. In der Familie schien die ungeschriebene Regel zu existieren, dass man Dinge besser totschwieg. Dieses Ding jedoch konnte man nicht totschweigen und ihre Mutter hatte offensichtlich keine Ahnung, was sie stattdessen tun sollte. Nachdem Vany sie eine Weile beobachtet hatte, hatte sie genügend Mut gesammelt für folgenden Satz: »Tut mir leid, dass ich euch Kummer bereitet habe.«
Ihre Mutter drehte sich zu ihr um und musterte sie lange mit einem schwer zu deutenden Blick. Dann erwiderte sie: »Es ist passiert. Es lässt sich nicht mehr ändern. Wir müssen nur irgendwie weitermachen, oder?«
Weitermachen. Ja, genau das war es, was Vany in der letzten Nacht beschlossen hatte.
»Ja, das müssen wir«, bekräftigte Vany und hoffte, dass ihre Mutter es richtig deuten würde. Sie war sich nicht sicher, ob es ihr gelang, das Versprechen, sich nicht mehr umbringen zu wollen, über die Lippen zu bekommen. Sie verpackte den Hoffnungsschimmer anders: »Kannst du mich nachher zur Krankengymnastik fahren?«
Es funktionierte. Das Gesicht ihrer Mutter hellte sich ein wenig auf.
»Selbstverständlich. Das mache ich gern.«
Das Frühstück schmeckte großartig und Vany ließ sich jeden Bissen auf der Zunge zergehen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann das letzte Mal etwas so gut geschmeckt hatte. Auch der Kaffee war ein Genuss und ließ das Gebräu auf der Polizeiwache zu einem fernen Albtraum verblassen.
So etwas Dummes mache ich echt nie wieder, bestärkte sich Vany in Gedanken.
Als sie fertig gegessen und ihre Mutter den Teller abgeräumt hatte, überlegte sie, was sie tun sollte. Obwohl ihr die gesamte rechte Seite wehtat, dort, wo sie aufgeschlagen war, als der Polizist sie zu Boden gerissen hatte, fühlte sie sich energiegeladen und hätte am liebsten etwas richtig Konstruktives getan. Wäre das verletzte Knie nicht, wäre sie joggen gegangen. Das war das Problem. Sie hatte sich bisher nie für etwas anderes als Sport interessiert. Sie war schon kurz davor, freiwillig etwas für die Schule zu tun, als ihre Mutter ihr plötzlich den Laptop vor die Nase hielt.
»Ich habe letzte Nacht noch einmal diese Kommentare gelesen.«
Vany schluckte. Diese Kommentare. Daran wollte sie lieber gar nicht erst erinnert werden, aber ihre Mutter sprach unerbittlich weiter.
»Ich habe begriffen, dass wir die Situation vollkommen falsch eingeschätzt haben. Du bist nicht computersüchtig. Deine Sucht beschränkt sich auf diesen einen Let’s Player.«
Vany war überrascht, wie leicht ihrer Mutter dieses noch vor kurzem unbekannte Wort über die Lippen ging.
»Seinetwegen warst du in Köln. Und seinetwegen hast du versucht, dich umzubringen. Das hat die Psychologin erzählt, die dein Tagebuch durchgeackert hat.«
Vany hielt den Atem an. Es war schon eine Katastrophe, dass eine Psychologin ihre geheimsten Gedanken gelesen hatte. Dass sie ihren Eltern davon berichtet hatte, war geradezu unerträglich. Sie fiel ihrer Mutter ins Wort, bevor sie weiterreden konnte: »Das Tagebuch existiert nicht mehr. Ich habe all die negativen Seiten herausgerissen. Dieses Kapitel ist abgeschlossen. Versprochen!«
Aber ihre Mutter ging gar nicht darauf ein. Vany begriff, dass sie für diesen Moment geübt hatte. Sie hatte sich die ganze Nacht überlegt, was sie Vany sagen wollte und würde sich nicht davon abbringen lassen: »Daher bekommst du deinen Laptop zurück. Ich nehme an, nachdem dieser junge Mann dich abgewiesen hat, wirst du ihn aus deinem Kopf bekommen. Trotzdem solltest du dir das Video ansehen, das er letzte Nacht hochgeladen hat. Denn es betrifft dich.«
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