Название: Im Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman
Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Im Sonnenwinkel Staffel
isbn: 9783740918064
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Das war die Wahrheit, das sagte sie nicht oberflächlich hin. Und er wäre vollends glücklich gewesen, wenn er sie jetzt in die Arme hätte nehmen können.
*
Sie hatte mit ihm am Tisch gesessen, nachdem die Kinder eingeschlafen waren. Er hatte sie darum gebeten, und Viktoria hatte nicht widersprochen.
Wenn es nur nicht so entsetzlich schwer gewesen wäre, einen Anfang zu finden. Gerade hatte er sich dazu aufgerafft, als sie sich erhob.
»Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte sie leise. »Ich habe etwas Kopfweh und möchte mich hinlegen. Gute Nacht.«
Sie sagte es mit einer Stimme, die ihm den Atem stocken ließ, und er war unfähig, etwas darauf zu erwidern.
Er lauschte auf ihre Schritte, die so leicht und leise waren, daß er sie nur ahnen konnte. Ihm war zumute wie an jenem Tag, als sie erst stundenlang Hand in Hand am See entlanggegangen waren und er sich so heiß gewünscht hatte, sie einmal küssen zu dürfen.
Er hatte keinerlei Erfahrungen mit Mädchen gehabt. Viktoria war die erste, die ihm etwas bedeutete, die er liebte. Ja, liebte, denn jedes andere Wort war dafür zu gering.
Und dann hatte er sie geküßt, und sie hatte ihn wieder geküßt. Sie waren jung und glücklich gewesen und hatten an nichts anderes gedacht. Nur an den Augenblick, diese Stunde.
Wie war es dann später gewesen in dieser trostlosen Zeit des Wartens, der nicht ermüdenden Hoffnung?
Er war mit dem Gedanken an Viktoria eingeschlafen und wieder aufgewacht, bis dann die schlaflosen Nächte der Verzweiflung kamen, die ihm deutlich machten, daß er sie verloren hatte.
Sechs Jahre hatte es gedauert, bis er sich gewaltsam aus der Verstrickung lösen wollte, und dabei hatte ihm dann Gerda geholfen.
Sie hatte ihn verstanden, sie hatte alles gewußt, auch daß er ihr nicht sein ganzes Herz schenken konnte. Sie hatte sich damit zufriedengegeben, was für sie blieb. Kameradschaft, Vertrauen und die Bereitschaft, ihr ein guter Mann zu sein.
Gerda hatte damit gerechnet, daß sie ihn eines Tages wieder verlieren würde, wenn Viktoria zurückkäme. Aber sie kam nicht zurück.
Erst jetzt, nachdem Gerdas Leben verlöscht war wie eine müde Flamme, die nicht genügend mit Sauerstoff genährt wurde, war sie gekommen, als wäre es vorausbestimmt gewesen.
Aber was wußte er denn von Viktorias Gefühlen, ihren Gedanken?
Er hob lauschend den Kopf. Da waren doch wieder Schritte, und nun wurde die Tür geschlossen!
Er sprang auf und ging in die Küche, ohne Licht zu machen. Von diesem Fenster aus konnte er auf die Straße blicken, und er sah Viktoria, wie sie leicht und flink über die Straße lief und vom Schatten der Bäume verschluckt wurde. Und ganz plötzlich wußte er, wohin sie ging, zu wem sie schon vorhin gegangen war.
Angst erfaßte ihn, als er sich vorstellte, wie sie allein durch den dunklen Wald lief zum Gruber-Hof, und am liebsten wäre er ihr nachgelaufen. Aber er fühlte auch, daß sie das, was sie nun vorhatte, mit sich selbst ausmachen mußte.
Nicht ihm allein hatte sie Leid zugefügt, als sie die Heimat verließ, auch dem Onkel Korbinian.
Und vielleicht begriff Viktoria erst jetzt, da sie selbst durch Leid geprüft worden war, was zehn lange Jahre bedeuten konnten in einem Menschenleben.
*
»Was denkst du nur so ausdauernd, Ingelein?« fragte Werner Auerbach seine Frau. »Du schaust ja ganz düster drein. Hast du dich geärgert?«
»Leid täte es mir für Till Jaleck«, sagte Inge geistesabwesend.
»Was täte dir leid?«
»Wenn er auch diesmal enttäuscht würde.«
»Du mußt nicht soviel auf meine dumme Rederei geben«, erklärte Werner Auerbach entschuldigend. »Es war eine Blödelei.«
»Es war keine. Du kannst recht haben«, erwiderte sie nachdenklich. »Ich habe den Gruber-Bauern und Frau Burg beisammen gesehen. Zum Glück hat es Bambi nicht spitzgekriegt. Jedenfalls schienen sich die beiden ziemlich einig zu sein, und dabei sieht sie wirklich nicht aus, als würde sie nur auf ihren finanziellen Vorteil bedacht sein.«
»Das sieht man den Leuten nicht an der Nasenspitze an, mein Schatz. Die Raffiniertesten haben die größten Unschuldsmienen. Aber ich muß schon sagen, daß es allerhand ist, wenn sie im Eiltempo ihre Chancen sucht und auch findet, und der Gruber ist dann für mich doch ein alter Depp. Zerbrich dir nicht den Kopf, Inge. Es geht uns nichts an.«
»Ich denke doch nur an Till Jaleck«, bemerkte sie kleinlaut. »Es wäre schon eine Gemeinheit, wenn sie ihn so rücksichtslos im Stich ließe.«
»Wer sagt denn immer, man solle das Kind nicht mit dem Bade ausschütten?« entgegnete er nachsichtig. »Abwarten und Tee trinken. Und jetzt mach ein anderes Gesicht.«
»Mami, darf ich noch mal stören?« rief Bambi.
»Komm nur herein, Schatz«, sagte Werner Auerbach, ganz froh über die Ablenkung. »Was willst du denn?«
»Ich möchte gern wissen, ob helle Augen besser gucken können als dunkle.«
»Das kommt doch nicht auf die Farbe an«, belehrte sie ihr Vater.
»Nicht auf die Größe und auch nicht auf die Farbe«, meinte sie kopfschüttelnd, »worauf denn?«
»Auf die Nerven«, erwiderte er. »Was hat das denn mit den Nerven zu tun?« wunderte sie sich.
»Das laß dir lieber mal von einem Mediziner erklären, sonst bringe ich noch einen Wurm rein! Bei deiner Gründlichkeit muß man vorsichtig sein. Wie kommst du denn überhaupt darauf?«
»Weil Frau Burg doch ganz große helle Augen hat und eine dunkle Brille trägt. Keine Sonnenbrille, aber eine mit ziemlich dunklen Gläsern.«
»Sie kann auch mit großen hellen Augen kurzsichtig sein«, stellte er mit anzüglichem Unterton fest, »oder auch weitsichtig. Das letztere halte ich für wahrscheinlicher.«
Das verstand Bambi nun nicht. Aber Inge wußte, was er damit sagen wollte. Sie kannte seinen Sarkasmus in bestimmten Fällen.
»Wie ist das nun?« wollte Bambi jetzt wissen. »Wenn man kurzsichtig ist, braucht man da eine Brille, mit der man weiter gucken kann?«
»Vor allem deutlicher«, erklärte Werner geduldig.
»Du brauchst deine Brille bloß zum Arbeiten. Auf der Straße brauchst du keine, und Mami braucht gar keine.«
»Sie sieht auch Dinge, die sie besser nicht sehen sollte«, meinte Werner Auerbach. »Aber jetzt wird geschlafen. Schätzchen. Deine Äuglein sind ganz müde.«
»Und warum werden Augen müde, wenn man selber gar nicht müde ist?«
»Weil das die Augen СКАЧАТЬ