Norderende. Tim Herden
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Название: Norderende

Автор: Tim Herden

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783954623686

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      „Tja, das war’s dann wohl“, stellte Damp fest und war schon drauf und dran, zum Polizeiwagen zurückzugehen. Doch so leicht gab Rieder nicht auf: „Und wenn der Frau auch etwas passiert ist?“

      Damp blieb stehen. Er schob mit einem Ruck seine Hände in die Hosentaschen. „Und danach hat, wer auch immer, das Gartentor wieder mit dem Schlüssel verschlossen.“ Kurzes Kopfschütteln. „Vergessen Sie es! Die Stein ist einfach nicht da. Basta. Wollen Sie die Frau jetzt noch auf der Insel suchen?“

      Rieder und Damp starrten sich wie bei einem Duell an. Dann drehte sich Rieder um und begann über das Tor zu klettern. Das war gar nicht so leicht, denn es war mannshoch, und zwischen den Latten waren die Abstände zu klein, um sich mit den Füßen auf den Querriegeln abzustützen. Irgendwie schaffte er es aber, rüberzukommen. Schließlich musste er es seinem Kollegen zu beweisen.

      Rieder tastete sich vorsichtig voran. Irgendwo musste es hier eine Treppe geben. Da wurde es plötzlich hell. Damp hatte den Scheinwerfer auf dem Dach des Polizeiautos eingeschaltet. Im Lichtkegel wurden Stufen sichtbar. Sie waren verrottet und wenig vertrauenerweckend. ‚Nicht gerade ein Aushängeschild für einen Bauunternehmer‘, dachte sich Rieder. Vorsichtig stieg er nach oben. Plötzlich blendete ihn auch von vorn ein Licht. „Frau Stein?“, rief Rieder. „Ich bin von der Polizei!“ Es kam keine Antwort. Wahrscheinlich hatte er nur einen Bewegungsmelder passiert und damit eine Lampe eingeschaltet. Trotzdem blieb er vorsichtig. Vor ihm lag eine grüne Wiese. Darauf stand ein mächtiges Reetdach-Haus mit einem runden verglasten Vorbau. Alle Fenster waren dunkel. Rieder schlich bis zum Haus. Als er sich umdrehte, war er überwältigt von dem Ausblick. Unter ihm glitzerte im Mondschein die Ostsee. Keine Spur von Nebel. Das Anschlagen der Wellen war zu hören. In der Ferne funkten die Leuchttürme der Insel Møn und vom Darß. Auf dem Meer blinkten die Leuchtbojen der Fahrrinne.

      Rieder schaute durch die Erkerfenster in das Haus hinein. Er erkannte einen Couchtisch und zwei Sessel. Der Polizist erinnerte sich, dieses Haus immer auf der Fahrt nach Kloster hoch oben über dem Inselmuseum thronen zu sehen. Von unten hatte es wie ein Rundbau ausgesehen, doch nun entpuppte es sich als langgestrecktes Gebäude mit einer runden, verglasten Veranda. Der Lack blätterte ab. Auf der Rückseite befand sich die Haustür. Ohne Klingel. Rieder klopfte. Erst vorsichtig. Dann lauter. Aber niemand meldete sich. Er drückte die Klinke nach unten, aber die Tür gab nicht nach. Meistens versteckten die Hiddenseer ihre Hausschlüssel unter dem Abtreter oder in einem Blumenkasten in der Nähe. Rieder hob die Bastmatte vor der Tür hoch. Fehlanzeige. Und Blumenkübel waren nicht zu entdecken. Auf der Wiese hinter dem Haus stand eine Wäschespinne. Doch weder Badesachen noch Handtücher waren dort aufgehängt. Alles wirkte wie verlassen. Rieder ging zurück.

      Damp lehnte mit verschränkten Armen an der Motorhaube, als sich Rieder wieder über das Tor quälte. Neben ihm stand Malte Fittkau mit seinem Fahrrad.

      „Was machst du hier?“, fragte Rieder seinen Nachbarn.

      „Kleiner Nachtspaziergang.“

      ‚Wer’s glaubt‘, sagte sich Rieder. ‚Die pure Neugier hat dich hergetrieben.‘ Zu Damp gewandt, bemerkte er: „Niemand da.“

      Damp nickte. „Kein Wunder. Man erzählt sich, dass es bei den Steins schon länger kriselt.“

      „Wer sagt das?“

      „Der Inselfunk.“ Dabei wanderten Damps Pupillen in Richtung Fittkau. Früher waren Fittkau und Damp wie Feuer und Wasser gewesen. Waren sie aufeinandergetroffen, hatte es immer gleich Streit gegeben. Doch seit die beiden gemeinsam Jagd auf den Mörder des Inselpfarrers gemacht und dabei ihr Leben riskiert hatten, herrschte Waffenstillstand. Kein Frieden. Rieder war das nicht so recht. Bisher war Fittkau für ihn im Kleinkrieg mit seinem Kollegen Damp immer ein Verbündeter gewesen. Nun verhielt er sich neutral. Und dass die beiden nun geradezu harmonisch hier herumstanden, machte Rieder ärgerlich.

      „Wir sehen uns morgen früh im Revier. Nacht.“

      Damit marschierte er an Damp und Fittkau vorbei in Richtung Vitte.

      „Wollen Sie nicht mitfahren?“, rief ihm sein Kollege noch hinterher.

      Rieder antwortete nicht. Er war kurz davor, zu explodieren.

      Wenig später fuhr Damp an ihm vorbei. Malte sah er später mit seinem Fahrrad über den Deich nach Vitte zurückfahren.

      Obwohl er straff gelaufen war, hatte sich der Ärger über Damp und Malte Fittkau nicht verflüchtigt. Er schloss die Tür seines Häuschens im Wiesenweg auf, trat ein und knallte sie dann zu. In der kleinen Küche riss er den Kühlschrank auf, holte ein Bier raus. Die Schublade des Besteckkastens bekam auch noch seinen Frust zu spüren, als er den Flaschenöffner herausholte. Es öffnete die Flasche, da hörte er eine verschlafene Stimme von oben, aus dem kleinen Schlafzimmer unter dem Dach.

      „Stefan?“ Er sah Charlottes nackte Beine die Holztreppe herunterlaufen. Sie trug ein äußerst kurzes Nachthemd. Der Anblick versöhnte Rieder und ließ seine Laune deutlich steigen. Sie küsste ihn. Strähnen ihrer blonden Haare fielen ihm ins Gesicht. Er umfasste sie an der Hüfte und zog sie zu sich heran.

      „Wie spät ist es?“, hauchte sie verschlafen in sein Ohr.

      „Zu früh. Gerade zwei.“ Er stellte das Bier auf den Küchentisch und begann sie sanft zu streicheln.

      „Was ist eigentlich los?“

      „Ein Herr Stein lag tot in der Nähe vom Zeltkino.“

      Charlotte schaute erschrocken zu ihm hoch: „Was? Peter Stein?“

      Rieder nickte. Er hatte aber keine Lust, mehr zu erzählen. „Lass uns hoch gehen. Eine nette Überraschung, dass du hier bist.“

      Eigentlich kam Charlotte nur am Montag zu ihm nach Vitte, wenn in ihrem Strandcafé in Neuendorf Ruhetag war. Bei ihm gab es keine Dusche, nur ein großes Waschbecken. Und die Toilette war von außen zu begehen. So fuhr Rieder meist zu Charlotte nach Neuendorf. Sie hätte es gern gesehen, wenn er ganz zu ihr gezogen wäre. Bisher hatte er aber dieses Thema konsequent gemieden. Seine Ausrede: Es könnten nicht beide Polizisten in Neuendorf wohnen. Allerdings wollte er das Häuschen auch nicht aufgeben. Er mochte die niedrigen Räume, den Duft der alten Möbel, den Blick aus dem Fenster auf die Heckenrosen und nicht zuletzt seine Selbständigkeit. Trat er durch die Tür, fühlte er sich einfach zu Hause. Natürlich zeigten sich jetzt mit Beginn des Herbstes auch die Nachteile. Die Kälte drang durch die dünnen Wände. Es gab zwar im unteren Zimmer einen Ofen, aber oben, auf dem Schlafboden, musste er mit Radiatoren heizen. Mit Unbehagen hatte er beobachtet, wie der Stromzähler rotierte, wenn er sie in Betrieb nahm. Die Stromrechnung würde sich sehen lassen können. Trotzdem wollte er hier bleiben.

      „Aber was ist denn genau passiert?“, drang Charlotte auf ihn ein.

      „Ich erzähle es dir morgen früh. Jetzt bin ich einfach platt. Lass uns ins Bett gehen“, sagte Rieder.

      Sie kletterten die schmale Holztreppe hoch. Im Bett schmiegte sich Charlotte eng an ihn. Zu mehr aber war er nicht mehr imstande. Trotzdem genoss er es, dass sie jetzt so nah beieinander unter dem Reetdach wie in einer Höhle lagen. Durch die halbrunden Fenster konnte man in die Weite schauen und sich langsam vom Schlaf einfangen lassen.

       V

      Das nervtötende Jaulen eines Kantenschneiders weckte Rieder. Es musste genau acht Uhr sein. Otto Fock, СКАЧАТЬ